Letzte Generation, Klimakrise
Immer wieder blockierten Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation in den vergangenen Monaten in Österreich und auch in Deutschland Straßen.
APA/EVA MANHART

Wien – Die Staatsanwaltschaft Wien hat das Verfahren wegen "Gefährdung der körperlichen Sicherheit" gegen Mitglieder der Letzten Generation nach einer Aktion beim Verteilerkreis in Favoriten im Mai eingestellt. Ihnen wurde damals vorgeworfen, ein Rettungswagen (RTW) auf dem Weg zu einer Reanimation in Schwechat sei blockiert worden. Der Patient verstarb trotz Alarmierung eines niederösterreichischen RTWs sowie eines Helis nach rund einstündiger Reanimation noch am Einsatzort.

Aktivistinnen kritisieren "Falschinformation" durch die Wiener Berufsrettung

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Judith Ziska, erklärte auf Anfrage nun, "dass aus der Dokumentation der Polizei nicht hervorgeht, ob die Aktivisten den Rettungswagen gesehen haben oder nicht". "Es hat sich zudem herausgestellt, dass das niederösterreichische Fahrzeug in jedem Fall das schnellere gewesen wäre", sagte Ziska. Die Ermittlungen seien darum mit "Verfügung vom 1. Juni" fallengelassen worden, hieß es vonseiten der Staatsanwaltschaft.

Die Letzte Generation übte am Freitag in einer ersten Reaktion scharfe Kritik an den Einsatzkräften. Die Wiener Berufsrettung habe "nachweislich Falschinformationen verbreitet", so Sprecherin Marina Canaval auf Anfrage. "Etliche Medien haben uns die Schuld am Tod eines Mannes gegeben. Politiker haben die Gelegenheit genutzt, uns zu diffamieren, und uns als Terroristen bezeichnet", hieß es. "Es gab bis heute keine Entschuldigung", dieser Umgang mit Klimaaktivisten sei "absolut würdelos". Eine Anfrage an die Wiener Berufsrettung blieb zunächst unbeantwortet.

Die Wiener Berufsrettung verwies am Freitag auf Anfrage in einer ersten Stellungnahme darauf, "dass die Aktivistinnen und Aktivisten seitens der Wiener Polizei und nicht von der Berufsrettung Wien angezeigt worden sind". Die Kommunikation dazu sei stets neutral und ohne jegliche Art von Schuldzuweisung geführt worden, hieß es. Die Rettung strich zudem hervor, dass es bei den tagtäglichen Einsätzen stets um Menschenleben gehe. "Jede Art von Verkehrsbehinderung ist für die Einsatzkräfte von Nachteil und kann schwerwiegende Folgen haben", wurde mitgeteilt. Die Landespolizeidirektion Wien trat am Freitag ebenfalls der Kritik der Aktivisten entgegen. Man habe keine "Falschinformationen verbreitet". "Die rechtliche Beurteilung solcher Vorwürfe obliegt jedoch immer der Staatsanwaltschaft", so ein Sprecher auf APA-Anfrage.

Politik forderte härtere Strafen für Aktivismus

Die Letzte Generation blockierte damals am 10. Mai gegen 8.00 Uhr beim Verteilerkreis den Frühverkehr. Ein Rettungsauto auf dem Weg zur Reanimation eines älteren Herren im niederösterreichischen Grenzgebiet steckte dann wenige Minuten später in der Grenzackerstraße, nur 250 Meter vom Protestort entfernt, fest. Parallel wurden auch ein Rettungswagen des niederösterreichischen Roten Kreuzes und ein Christophorus-9-Notarzthubschrauber alarmiert, die kurz nach 8.00 Uhr am Einsatzort eintrafen. "Wir haben den Patienten dann mehr als eine Stunde reanimiert", sagte der Sprecher des niederösterreichischen Rotes Kreuzes, Andreas Zenker. Der Mann sei dann trotz aller Bemühungen um 9.14 Uhr für tot erklärt worden, hieß es.

Der Rettungswagen konnte laut Polizei erst nach dem Einschreiten durch die Polizistinnen und Polizisten – weit hinten im dichten Stau – weiterfahren. "Kollegen und Kolleginnen haben Zentimeter für Zentimeter Fahrzeuge eingeordnet und zur Seite eingewiesen, damit die Rettung einen schmalen Weg frei hatte", schilderte Sprecherin Irina Steirer einen Tag nach dem Protest. Auch sei die Polizei diesbezüglich nicht auf die Protestierenden zugegangen, hieß von der Landespolizeidirektion im Nachhinein. Die Polizei zeigte die vier Aktivistinnen und Aktivisten dennoch wegen "Gefährdung der körperlichen Sicherheit" (Paragraf 89 StGB) an.

Die Letzte Generation wies den Vorwurf damals zurück, gab jedoch zu, dass ein "Fehler passiert" sei und man nicht, wie sonst üblich, die Rettung über den Protestort informiert habe. Die Klimaschutzgruppe geriet nach dem Vorfall damals massiv in die öffentliche Kritik. So forderten diverse Stimmen aus der Politik härtere Strafen für die Blockadeaktionen oder eine Verschärfung des Versammlungsgesetzes. (APA, 9.6.2023)