113 Jahre alt ist Leiner, die letzten fünf Jahre gehörte das Unternehmen der Signa. Der neue Eigentümer meldet Insolvenz an.
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Kaum jemand hat damit gerechnet, schon gar nicht damit, dass es so schnell gehen könnte. Vorige Woche hat der neue Eigentümer der Leiner & Kika Möbelhandels GmbH, Hermann Wieser, klargemacht, wie es um die Kette steht: schlecht, sehr schlecht. Er habe das Unternehmen von René Benkos Signa mit einem Verlust von 150 Millionen Euro übernommen.

Peu à peu wurden dann die geplanten Sanierungsschritte bekanntgegeben: Von 3900 Beschäftigen werden 1900 gekündigt, von 40 Standorten 23 geschlossen. Wenig später die nächste Hiobsbotschaft, diesmal für die Gläubigerinnen und Gläubiger: Leiner/Kika wird kommende Woche Insolvenz anmelden, angestrebt ist ein Sanierungsverfahren.

Drei symbolische Euro

Immerhin: Kaum waren die Kündigungen bekannt, regnete es geradezu Jobangebote für die Belegschaft. Ob Lebensmittelketten wie Rewe oder Spar, ob Post, Bauhaus, Drogeriemarktkette DM oder Donau-Versicherung: Alle werben angesichts des Arbeitskräftemangels um die Freigesetzten, mit allen möglichen Goodies. So dramatisch die Kündigungen auch seien, er sehe gute Chancen für die Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt, beruhigte auch AMS-Chef Johannes Kopf.

Das ist aber auch schon das einzig Positive an der Sache, die, so kann man getrost sagen, den Tiefpunkt in der 113-jährigen Geschichte des einstigen Platzhirsches von Österreichs Möbelmarkt bildet.

Wobei es in den vergangenen zehn Tagen Schlag auf Schlag gegangen ist. Nach nur fünf Jahren hat sich die Signa-Gruppe wieder von Leiner/Kika getrennt. Das operative Geschäft ging an den steirischen Handelsexperten Wieser, einst selbst Manager bei Kika/Leiner, der für die drei von ihm übernommenen Gesellschaften drei symbolische Euro bezahlte. Er, dem neben Know-how in der Möbelbranche Durchsetzungskraft und eine gewisse Härte nachgesagt werden, will das Geschäft nun mit radikalen Einschnitten völlig neu aufstellen.

Zwei Verkäufe

Gleichzeitig hat Signa die in eigenen Gesellschaften steckenden Kika- und Leiner-Immobilien getrennt vom Handelsgeschäft verkauft, an Frank Alberts Supernova-Gruppe, die auf Entwicklung und Vermietung von Fachmarkt- und Einkaufszentren spezialisiert ist. Albert hat 2015 die insolvente Baumax-Gruppe gekauft und den Großteil an Obi vermietet. Er wird nun jene Leiner-Standorte, die Wieser nicht braucht, einzeln verwerten. Gemäß Information des STANDARD lag der Verkaufserlös für Signa zwischen 320 und 370 Millionen Euro.

Doch wie konnte es so weit kommen mit Leiner/Kika? 1910 hat Rudolf Leiner senior das Unternehmen in St. Pölten gegründet, die nächsten 103 Jahre stand es in Familieneigentum. Der Schwiegersohn von Rudolf Leiner junior, Herbert Koch, eröffnete 1973 die erste Kika-Filiale. Konzipiert als Cash-and-Carry-Markt, wurde aus Kika eine eigene Einrichtungshauskette, die auch nach Osteuropa expandierte. 2013, der Konkurrenzdruck in der Branche und der Erneuerungsdruck auf die teils angestaubten Leiner-Läden waren bereits deutlich spürbar, erfolgte der erste Paukenschlag: Koch und seine Frau verkauften Kika/Leiner zur Gänze an die südafrikanische Steinhoff-Gruppe, angeblich um 375 Millionen Euro.

Skandal mit Folge

Ein ungünstiger Schritt, wie sich weisen sollte, denn: Steinhoff geriet in einen Bilanzfälschungsskandal, mit der Folge, dass im Juni 2018 ein Kreditversicherer bei Kika/Leiner ausstieg und dem angeschlagenen Unternehmen die Mittel für die Urlaubsgelder fehlte. Kurzum: Es drohte die Insolvenz.

Auf den Plan trat: René Benkos Signa. Die Gruppe hatte schon Ende 2017 das Leiner-Haus auf der Wiener Mariahilfer Straße erworben, nun übernahm sie die ganze Kette. Eine Pandemie, etliche Gesellschafterzuschüsse und fünf verlustreiche Jahre später war Signa Leiner/Kika wieder los. Am 31. Mai wurde der Verkaufsdeal in der Signa-Unternehmenszentrale auf der Wiener Freyung im Beisein eines Notars unter Dach und Fach gebracht. Nicht inkludiert: das Haus auf der Mariahilfer Straße, wo Signa das Luxuskaufhaus "Lamarr" samt Hotel baut.

Als Nächstes ist nun das Insolvenzgericht am Zug. Größter Gläubiger der Leiner & Kika Möbelhaus GmbH dürfte mit rund 100 Millionen Euro wohl die Republik sein. Ihr schuldet das Unternehmen gestundete Steuern aus der Covid-Zeit, zudem hat der Insolvenzentgeltfonds hohe Forderungen.

Genaues wird man Anfang der Woche wissen, wenn der Insolvenzantrag bei Gericht eingebracht ist. (Renate Graber, 10.6.2023)