Andreas Babler ist in der Parteizentrale in der Löwelstraße angekommen.
Christian Fischer

Andreas Babler wirkt, als könne er noch nicht ganz fassen, was seit dem Sonderparteitag vor einer Woche passiert ist. Die SPÖ-Zentrale in der Wiener Löwelstraße wurde schon auf ihn zugeschnitten, die Türschilder sind ausgetauscht. In der Sozialdemokratie herrsche trotz allem Aufbruchstimmung, ist Babler überzeugt: In den vergangenen Tagen seien rund 1.000 Mitglieder beigetreten.

STANDARD: Ihr Outfit haben Sie schon an Politiker in Wien angepasst und Ihre St.-Pauli-Jacke gegen den Anzug getauscht. Kritisiert werden Sie für Ihren Dialekt. Behalten Sie den bei?

Babler: Ich habe die Fähigkeit, verschiedene Dialekte zu sprechen: ein bissl Vorarlbergisch, Südburgenländisch, natürlich Niederösterreichisch. Aber es ist eine Fehleinschätzung, dass ich nur Dialekt kann, ich spreche oft Hochdeutsch.

STANDARD: Sie fordern eine Frauenquote und 50/50 im Parlament. Im SPÖ-Klub sind 47 Prozent der Abgeordneten Frauen. Von welchem Mann trennen Sie sich denn?

Babler: Der Parlamentsklub hat noch eine der besseren Quoten, die wir vorweisen können. In der Realität der Partei sind wir von 50/50 noch weit entfernt. Bei Quoten fragen viele, wie das gehen soll. Es geht, wenn der politische Wille da ist.

Zu Neuwahlen ist Andreas Babler bereit – je schneller, desto besser, findet er.
Christian Fischer

STANDARD: Aber wann beheben Sie den eigenen Männerüberhang – erst nach der nächsten Wahl?

Babler: Wir werden sofort auf die Förderung und Stärkung der Frauen setzen. Aber wir brauchen auch eine Wahlrechtsreform.

STANDARD: In Traiskirchen, wo Sie Bürgermeister mit absoluter Mehrheit sind, stellt die SPÖ neun Stadträte – zwei Frauen, sieben Männer.

Babler: Wir haben ein ganz anderes System in der Kommunalpolitik. Was die Ausschussvorsitzenden betrifft, haben wir einen Frauenüberhang. Die Superressorts werden bei uns von Frauen bestimmt.

STANDARD: Würden Sie sich selbst als Feministen bezeichnen?

Babler: Ja. Wobei: Profeministisch trifft es besser, das ist auch respektvoller.

STANDARD: Die SPÖ befindet sich gerade "am Boden", wie Sie selbst sagten. Brauchen Sie jetzt erst einmal Zeit, oder pochen Sie wie Ihre Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner auf Neuwahlen?

Babler: Ich bin bereit für Neuwahlen. Je schneller das Land eine Perspektive kriegt, die eine Verbesserung für die meisten Menschen in diesem Land bedeutet, desto besser.

STANDARD: Formal betrachtet wäre der nächstmögliche Wahltermin im September.

Babler: Man hat gesehen, dass wir in kürzester Zeit eine Kampagne aufstellen können. Ich habe wahltaktisch keine Sorge.

Die Klimafrage müsse als sozialdemokratischer Verteilgungskampf gesehen werden, sagt Andreas Babler.
Christian Fischer

STANDARD: Bezeichnen Sie sich als Pazifisten?

Babler: Nein. Das ist ein schwammiger Überbegriff. Ich bin Bundesheer-Angehöriger gewesen und habe dort einen Eid geleistet, das Land mit der Waffe zu verteidigen. Aber ich strebe nach friedlichen Lösungen.

STANDARD: Braucht es die Wehrpflicht noch?

Babler: Ich war immer Befürworter davon.

STANDARD: Wo sehen Sie die Rolle des Heeres?

Babler: Ich glaube, es ist zu wenig, wenn man sich immer darauf zurückzieht, dass Einsätze nur mit UN-Mandat möglich sind.

STANDARD: Soll die EU Ihrer Ansicht nach Waffen und Panzer in die Ukraine liefern?

Babler: Ja, auf EU-Ebene halte ich das für richtig. Man muss von unserer Positionierung zur Ukraine ableiten, dass man alles tut, um den Aggressor in die Schranken zu weisen.

STANDARD: Die Neos, die Sie als eine der wenigen Parteien nicht als Koalitionspartner ausschließen, treten für eine EU-Armee ein. Ist das für Sie ein No-Go?

Babler: Nein, darüber sollten wir diskutieren. Es geht darum, wie die gesamte europäische Sicherheitspolitik aussehen soll. Auch in Hinblick auf den Ausgang der nächsten US-Wahl. Was ist die Strategie der Nato? Was heißt all das für die österreichische Neutralität: Ist sie ausbaufähig? Wir sind da am Anfang eines Prozesses.

STANDARD: Sie sind aufgrund Ihrer Aussage in einem Podcast vor ein paar Jahren massiv in Kritik geraten, weil Sie die EU als "aggressivstes außenpolitisch-militärisches Bündnis" bezeichnet hatten. Haben Sie 1994 eigentlich gegen den EU-Beitritt gestimmt?

Babler: Ich war damals bei der Sozialistischen Jugend, und die hat sich zu dieser Zeit per Beschluss dazu entschieden, dagegen zu sein.

STANDARD: Und an diesen Beschluss haben Sie sich gehalten und dagegen gestimmt?

Babler: Ich weiß es nicht genau, vermutlich.

STANDARD: Das Wort EU kommt in Ihrem Programm für die Vorsitzwahl genau zweimal vor. Sie fordern eine EU-weite Finanztransaktionssteuer und ein EU-weites Privatjet-Verbot. Sind das Ihre einzigen europäischen Kernanliegen?

Babler: In diesem Programm haben wir für die Vorsitzwahl innerhalb von 48 Stunden ein paar Punkte skizziert. Darin fehlt der internationale Bereich komplett. Als Sozialdemokrat habe ich immer gesehen, dass nationalstaatliches Denken keine Alternative ist. Insgesamt müssen wir als SPÖ stärker auf internationale Politik setzen.

STANDARD:Die EU-Staaten haben sich auf eine Verschärfung der Asylregeln geeinigt, die einen rigideren Umgang mit Menschen ohne Bleibeperspektive vorsieht. Was halten Sie davon?

Babler: Was ist jetzt konkret die Verbesserung für Österreich? Schlussendlich überhaupt keine. Da regiert oft der Populismus, Migrationsfragen sind ein politisches Kampfinstrument. Ich habe schon viele solche Zielsetzungen und EU-Gipfel miterlebt in meinen 25 Jahren in der Kommunalpolitik. Skeptisch bin ich vor allem, was Schnellverfahren an den Rändern Europas in sogenannten Lagern betrifft.

STANDARD: Lager an den Rändern Europas sind Teil des SPÖ-Programmpapiers zur Migration.

Babler: Wir sprechen dort von Erstaufnahmezentren.Es ist aber die Frage, wie Verfahren abgewickelt werden – das ist auf EU-Ebene nicht beantwortet worden. Wenn wir außen Lager schaffen, attraktivieren wir die Umgehung. Das führt zu noch mehr Schlepperrouten, weil die Menschen nicht in diesen Lagern sein wollen. Man kann die Verantwortung auch nicht immer auf die südlichen Länder abschieben, in denen diese Lager ja errichtet würden.

STANDARD: Die Besteuerung von Vermögen haben Sie zur Koalitionsbedingung erhoben. Was meinen Sie konkret? Reicht eine Erbschaftssteuer oder eine Erhöhung der Grundsteuer? Oder muss es eine richtige Vermögenssteuer auf jegliches Vermögen über einer gewissen Freigrenze sein?

Die ehemaligen Vorsitzenden im Rücken: Seit Montag ist klar, dass doch Andreas Babler Parteichef ist.
Christian Fischer

Babler: Ich will Vermögen besteuern, sodass es wirksam ist. Damit wir andere Forderungen wie Maßnahmen gegen Kinderarmut bezahlen können.

STANDARD: Sie sagen doch: Die Frage, wo das Geld herkommt, sei unmoralisch.

Babler: Dass wir sofort gefragt werden, wer das zahlen soll, ja. In Verhandlungen muss geklärt werden, wie Vermögen bewertet wird: Was wird alles herangezogen, welche Immobilien werden eingerechnet, werden Schulden abgezogen? Rauskommen muss eine spürbare Vermögensbesteuerung.

STANDARD: Sie wollen einen "Rechtsanspruch auf einen intakten Planeten". Was heißt das?

Babler: Es kippt gerade alles auf diesem Planeten weg, die Lebensgrundlage wird sich in einigen Jahrzehnten für viele drastisch verschlechtern. Man muss die Klimafrage als sozialdemokratischen Verteilungskampf sehen.

STANDARD: Der Lobautunnel wurde zu einer Gretchenfrage im Klimaschutz. Die Wiener SPÖ steht für den Bau des Tunnelprojekts. Sie auch?

Babler: Ich kenne die Straßenpläne nicht genau, nur die öffentliche Debatte darüber. Ich werde mich mit den Wienern austauschen.

STANDARD:Die ÖVP gilt als Autofahrerpartei. Ist die SPÖ unter Ihnen eine Öffi- und Rad-Partei?

Babler: Wir sind alles. Man muss grüne Mobilität attraktivieren – nicht nur in der Stadt. Es braucht die Gewichtung nach Haushaltseinkommen: Wenn man sich die Wohnung nicht leisten kann, ist es daneben, zu denken, dass man ein Klimaticket um über 1000 Euro kauft.

STANDARD: In der SPÖ gibt es bereits Kritik an Ihnen. Georg Dornauer kann Ihr Nein zur ÖVP nicht nachvollziehen und will bei der Tiroler Migrationspolitik bleiben. Wie gehen Sie mit parteiinternen Querschüssen um?

Babler: Ich habe das intern geklärt. Ich pflege einen neuen Stil, mich kann man 24/7 anrufen. Ich sehe das ganz locker.Tirol hat keine Migrationspolitik, die ich kennen würde.

STANDARD: Wie binden Sie das Lager von Doskozil ein – personell oder inhaltlich?

Babler: Ich komme nicht aus dem Lagerdenken. Diese Lager wurden öffentlich höher gespielt, als sie waren.

STANDARD: Ein Plagiatsjäger wirft Ihnen vor, dass Sie in Ihrem Lebenslauf nicht erwähnten, dass Sie die HTL nicht abgeschlossen haben. Können Sie erklären, wie Ihnen das passiert ist?

Babler: In meinem Lebenslauf ist alles korrekt angegeben. Da kann er sich gerne weiterspielen, der Plagiatsjäger.

STANDARD: Welche Abschlüsse haben Sie denn?

Babler: Ich habe einen Abschluss von der Donau-Uni Krems, dafür braucht man keine Matura, es reicht Berufserfahrung. (Oona Kroisleitner, Katharina Mittelstaedt, 9.6.2023)