Gran Canaria, EU, Asylpolitik
Ein Polizist auf der spanischen Insel Gran Canaria beobachtet, wie sich ein Holzboot voller Migranten der Küste nähert. In Zukunft könnten ihnen Schnellverfahren drohen.
REUTERS/Suarez

Nach jahrelangen Verhandlungen haben sich die EU-Innenministerinnen und -minister am Donnerstag auf gemeinsame Regeln in Sachen Asyl geeinigt. In Luxemburg verständigten sich die 27 Mitgliedsstaaten auf eine Verschärfung des aktuellen Gesetzeswerkes. DER STANDARD beantwortet die wichtigsten Fragen.

Frage: Was wurde beschlossen?

Antwort: An den EU-Außengrenzen ankommende Menschen, die aus als sicher geltenden Ländern oder aus Ländern kommen, deren Asylanerkennungsquote in der EU unter 20 Prozent liegt, sollen in große Asyllager mit haftähnlichen Bedingungen kommen. Das geplante Schnellverfahren für sie soll maximal zwölf Wochen dauern, binnen weiterer zwölf Wochen sollen abgelehnte Asylwerberinnen und Asylwerber abgeschoben werden. Im Idealfall in das Heimatland, aber wenn das nicht möglich ist, auch in einen Drittstaat, zu dem der oder die Abgeschobene eine Verbindung hat. Wie diese aussehen muss, soll im Ermessen des abschiebenden EU-Staates liegen.

Frage: Schon bisher scheiterten viele Abschiebungen mangels Rückführungsabkommen. Wieso soll es diesmal anders werden?

Antwort: Weil es eben, so der Plan, nicht mehr zwingend der Herkunftsstaat sein muss. Aber auch andere Länder müssten erst zur Aufnahme bewogen werden. Die Überlegung ist, diese mit finanziellen Anreizen zu überzeugen. Bislang waren derlei Anstrengungen aber nur selten von Erfolg gekrönt.

Frage: Gibt es Ausnahmen bei den Schnellverfahren?

Antwort: Deutschland hatte sich dafür eingesetzt, Familien mit minderjährigen Kindern von dem Schnellverfahren auszunehmen, blitzte aber ab. Andere Länder hatten moniert, dass diese Ausnahme zu Missbrauch einladen würde.

Frage: Wie werden die Länder, in denen diese Zentren entstehen sollen, entlastet?

Antwort: Aus diesen Ländern sollen Asylwerber an die anderen EU-Staaten umverteilt werden. Wer das ablehnt, kann stattdessen für jeden Flüchtling rund 20.000 Euro bezahlen. Dieses Geld könnte dann an die EU-Länder mit Außengrenze gehen oder auch an Transitstaaten wie Libyen, Tunesien oder Marokko.

Frage: Gab es dagegen Widerstand, so wie früher auch schon in Sachen Flüchtlingsverteilung?

Antwort: Ja, gab es. Für eine Einigung war aber nur eine qualifizierte Mehrheit nötig, das heißt, 55 Prozent der Mitgliedsstaaten, die 65 Prozent der EU-Einwohner vertreten, mussten zustimmen. Polen, Ungarn, Malta, die Slowakei und Bulgarien waren dagegen, konnten die Einigung aber nicht verhindern.

Frage: Wie geht es weiter?

Antwort: Die Einigung ist Grundlage für Verhandlungen mit dem Europaparlament. Das heißt, es kann noch zu Veränderungen kommen, bis der finale Gesetzestext steht. Man hatte vereinbart, dass man bis zu den EU-Wahlen 2024 eine Reform erreichen will.

Frage: Wie hat sich Österreich positioniert?

Antwort: Innenminister Gerhard Karner und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) begrüßten die Pläne, forderten aber weitere Bemühungen. Der Regierungschef erklärte, es brauche einen robusten Außengrenzschutz und Asylverfahren in Drittstaaten. Letzteres hatte auch Karner am Donnerstag in die Runde geworfen, erhielt dafür aber nur begrenzten Zuspruch. Vom grünen Koalitionspartner gab es zurückhaltende Worte. "Es ist noch immer nicht das letzte Wort gesprochen", sagte etwa Justizministerin Alma Zadić, die sich weiterhin für Ausnahmen für Kinder und Familien bei den Schnellverfahren aussprach. Monika Vana, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im Europaparlament, sagte, die Pläne entsprächen weder den europäischen Werten noch basierten sie auf Rechtsstaatlichkeit.

Frage: Wie reagieren andere Länder auf die Pläne?

Antwort: Italien, das von den Ankünften besonders betroffen ist, zeigte sich zufrieden. Polen und Ungarn schimpften über die Pläne. Viktor Orbán erklärte, die EU wolle "Ungarn gewaltsam in ein Migrantenland verwandeln". (Kim Son Hoang, 9.6.2023)