Das Objekt der Begierde ist 73,5 Zentimeter groß und 7,5 Kilogramm schwer. Wer auch immer die Trophäe am Samstag gewinnen wird, das Original bleibt bei der Uefa. Der Verein erhält nur eine Replik. Die Trainer Pep Guardiola und Simone Inzaghi werden es im Falle eines Triumphes verarbeiten.
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Favorit City:
Geölte Maschine

Liam Gallagher hasst zwei Dinge im Leben: Manchester United und seinen Bruder Noel. Aber der Fußball hat integrativen Charakter, er bringt Menschen zusammen wie sonst nur der Spritzwein. "If Man City wins the Champions League, I call my brother and I bring back the f***ing band together", schrieb Gallagher unlängst in den sozialen Medien. Nun, die Chancen auf eine Wiedervereinigung der Britpop-Band Oasis sind damit dramatisch gestiegen. Manchester City gilt am Samstag im Finale der Champions League gegen den FC Internazionale Milano als klarer Favorit. City ist ein Monster. Erschaffen von Trainer Pep Guardiola – und den Erdölmillionen aus den Emirates.

Bis der Geldregen über den Himmelblauen niederging, standen sie im Schatten ihres roten Lokalrivalen. Sie waren das Espanyol Barcelona, das 1860 München, das Blau- Weiß Linz der City of Manchester. Der Tiefpunkt wurde 1999 erreicht, als man den Walk of Shame in die dritte Liga bestreiten musste. In den Folgejahren wurde es Licht im Osten der Stadt. Zunächst steckte der thailändische Premierminister Thaksin Shinawatra seine Marie in den Verein, dann übernahm die Herrscherfamilie von Abu Dhabi die Herrschaft über die Citizens. Und ja, Geld spielt Fußball. Und zwar richtig gut.

Legendäre Bilder

Unvergessen sind die Bilder vom 13. Mai 2012. Am letzten Spieltag gewann City durch zwei Treffer in der Nachspielzeit gegen die Queens Park Rangers die erste Meisterschaft nach 44 Jahren. Ausgerechnet Manchester United wurde in der 94. Minute auf den zweiten Platz verwiesen – die Machtübernahme in der Stadt war besiegelt. Der argentinische Goldtorschütze Sergio Agüero wurde vor dem Etihad Stadium als Statue verewigt, für City läuft es in der Liga seither wie am Schnürchen. Sechs weitere Meistertitel wurden errungen, zuletzt waren es drei in Folge. Den Triumph im FA-Cup gab es diese Saison zum Drüberstreuen.

Nur in der Champions League wollte es bisher nicht funktionieren. 2021 stieß City bis ins Endspiel vor, musste sich dem FC Chelsea aber 0:1 geschlagen geben. Auch damals galt das Team von Trainergott Guardiola als Favorit. Am Samstag soll im Atatürk-Olympiastadion von Istanbul alles anders werden. Drei gute Gründe für einen möglichen Erfolg: Erling Haaland, Kevin De Bruyne und Ilkay Gündogan. Der Norweger Haaland ist die Tormaschine, der Belgier De Bruyne liefert die Assists, und der Deutsche Gündogan befindet sich in der Form seines Lebens. Zuletzt erzielte der 32-jährige Kapitän zwei Treffer im Cupfinale gegen Manchester United.

Mit dem Financial Fairplay nahm es der Verein auf der Erfolgswelle nicht immer ganz ernst. Milliarden wurden in Transfers investiert, Verluste beglich Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan aus der eigenen Tasche oder über den Umweg astronomischer Sponsorengelder der Etihad Airways. Aber City beschäftigt nicht nur ausgezeichnete Spieler, sondern auch hervorragende Anwälte. 2020 wurde der Klub vom Europäischen Fußballverband (Uefa) für zwei Jahre in internationalen Bewerben gesperrt. Der Internationale Sportgerichtshof hob das Urteil auf und reduzierte die Geldstrafe von 30 auf zehn Millionen Euro. Bei dieser Summe halten sich die City-Bosse den Bauch vor Lachen. (Philip Bauer, 10.6.2023)

Underdog Inter:
Schwarze Krähe

Vermutlich hätte Inter-Trainer Simone Inzaghi vor der Saison insgeheim abgewunken. Champions-League-Finale? Schwierig. Außerdem sagt man in Italien auch: "L’ospite è come il pesce, dopo tre giorni puzza." Besuch ist wie Fisch, nach drei Tagen beginnt er zu stinken. Dass Inter Mailand in die Königsklasse gekommen war, um bis ganz zum Schluss zu bleiben, war so nicht zu erwarten. Schon die Gruppenphase mit den Bayern und Barcelona war knackig. Es kam, wie es nicht unbedingt kommen musste: Inter qualifizierte sich hinter den Münchnern für die K.-o.-Runde, dem FC Barcelona blieb Platz drei und der Umstieg in die Europa League.

Die Auslosung meinte es gut mit den Nerazzurri, also den Schwarz-Blauen. Die ganz großen Kracher blieben ihnen auf dem Weg ins Endspiel erspart. Porto und Benfica wurden überwunden, beim Derby gegen den AC Milan im Halbfinale zeigte man vor allem im Hinspiel eine überzeugende Leistung. Es wäre falsch zu behaupten, Inter hätte sich ins Finale nach Istanbul geschummelt. Das geht in der Champions League nämlich nicht.

Und doch sind die Rollen im Atatürk-Olympiastadion klar verteilt. Das weiß man auch in Mailand: "Ich respektiere Manchester City, eine fantastische Mannschaft, doch wir gehen ohne Angst ins Finale", sagt etwa Steven Zhang. Der 31-jährige Chinese ist seit 2018 Präsident des Mailänder Traditionsvereins, der mittlerweile komplett in chinesischem Besitz ist. Da ist vor allem das Elektronik-Unternehmen Suning Commerce – Zhangs Vater Zhang Jindong ist Gründer und Geschäftsführer –, das sich im Juni 2016 um rund 270 Millionen Euro etwas über 68 Prozent an den Nerazzurri sicherte. Rund 32 Prozent blieben zunächst im Besitz des indonesischen Geschäftsmannes Erick Thohir. Im Jänner 2019 gab er seine restlichen Anteile an den Investment-Fonds LionRock Capital mit dem Sitz in Hongkong ab.

Eine neue Geschichte

Inter ist keinesfalls ein Armenhaus – und doch zählt man finanziell nicht zur Crème de la Crème in Europa. Auf dem Platz belegte man in der Serie A Platz drei hinter Lazio und dem überragenden Meister Napoli. Immerhin sicherte sich Inzaghis Truppe die Coppa Italia. Lautaro Martinez, genannt "El Toro", erzielte beide Tore beim 2:1-Erfolg im Finale gegen die Fiorentina. Der argentinische Weltmeister ist offensiver Hoffnungsträger, neben ihm bewähren sich Henrik Mkhitaryan, Hakan Calhanoglu, Edin Dzeko und Belgiens Stürmerstar Romelu Lukaku bereits über längere Zeit auf der großen Fußballbühne.

Der FC Internazionale mischte zwar immer wieder im Olymp mit, ganz nach oben schaffte man es aber zuletzt 2010 unter Trainer José Mourinho und quasi mit Marko Arnautovic (keine Einsatzminute), als man den Champions-League-Pokal nach Mailand mauerte. Daran erinnert man sich bei den Italienern freilich sehr gerne – und doch will man am Samstag nachlegen, eine neue Geschichte schreiben: "Wir sind der Underdog, aber das ist es, was den Fußball so spannend macht", sagte Trainer Inzaghi. "Wir spielen gegen eine der stärksten Mannschaften der Welt. Wir werden versuchen, auf alles vorbereitet zu sein." Oder wie man in China sagen würde: "Alle Krähen unter dem Himmel sind schwarz." (Andreas Hagenauer, 10.6.2023)

Technische Daten und mögliche Aufstellungen zum Fußball-Champions-League-Finale Manchester City - Inter Mailand:

Manchester City - Inter Mailand (Istanbul, Atatürk-Olympiastadion, Samstag, 21.00 Uhr/live ServusTV, Sky, ZDF, DAZN, SR Marciniak/POL)

City: Ederson - Walker, Ruben Dias, Akanji - Stones, Rodri - Bernardo Silva, De Bruyne, Gündogan, Grealish - Haaland

Es fehlt: Mendy (gesperrt)

Inter: Onana - Darmian, Acerbi, Bastoni - Dumfries, Mkhitaryan, Calhanoglu, Barella, Dimarco - La. Martinez, Dzeko

Es fehlt: Dalbert (Knieverletzung)

Fraglich: Correa (Wadenprobleme)

Weg ins Finale:

Manchester: Sieger Gruppe G, Achtelfinale RB Leipzig 8:1 (1:1, 7:0), Viertelfinale Bayern München 4:1 (3:0, 1:1), Halbfinale Real Madrid 5:1 (1:1, 4:0)

Inter: Zweiter Gruppe C, Achtelfinale FC Porto 1:0 (1:0, 0:0), Viertelfinale Benfica Lissabon 5:3 (2:0, 3:3), Halbfinale AC Milan 3:0 (2:0, 1:0)