Karl Doemens aus Washington 

Immer, wenn es ernst wird, drückt Donald Trump das Feststellsymbol seiner Handytastatur. Am Donnerstagabend kurz nach 19 Uhr war es wieder so weit. Zuvor hatten die Behörden seine Anwälte über die Anklage in der Geheimdokumentenaffäre informiert. "Ich bin ein unschuldiger Mann", wetterte der Ex-Präsident in Großbuchstaben auf seiner Propagandaplattform Truth Social: "Die Biden-Regierung ist total korrupt!"

Die Botschaft verfehlte ihre Wirkung nicht: Innerhalb weniger Stunden sprangen zahlreiche prominente Republikaner ihrem inoffiziellen Parteichef bei. Von einem "dunklen Tag" unkte Kevin McCarthy, der Sprecher des Repräsentantenhauses: "Ich und jeder Amerikaner, der an Rechtsstaatlichkeit glaubt, stehen an der Seite von Präsident Trump gegen diese schwere Ungerechtigkeit."

Auch Ron DeSantis, der wichtigste Rivale im innerparteilichen Rennen um die US-Präsidentschaftskandidatur, wetterte: "Der Einsatz bundesstaatlicher Strafverfolgungsbehörden als Waffe ist eine tödliche Bedrohung für eine freie Gesellschaft."

USA, Trump, Anklage
Trump holt sich Unterstützung prominenter Parteikollegen und holt zum gezielten Gegenschlag gegen die Biden-Regierung aus.
APA/AFP/MANDEL NGAN

Minutiös hatte Trump offenbar die Reaktion auf die seit Tagen erwartete Anklage vorbereitet: Kurz nach Veröffentlichung stellte er ein vorproduziertes Video online. Seine Anwälte schwärmten vor die Kameras aus, noch bevor sich das Gericht oder die Staatsanwaltschaft geäußert hatten. Am Freitagmorgen verschickte seine Kampagne unter der Überschrift "Republikaner scharen sich um Präsident Trump" eine Pressemitteilung mit unterstützenden Statements von Senatoren, Abgeordneten und Meinungsmachern.

Die konzertierte Reaktion vermittelt einen Vorgeschmack auf die zu erwartenden erbitterten politischen Kämpfe rund um das bevorstehende Strafverfahren. Zwar muss sich Trump bereits vor dem Distriktgericht in New York wegen seiner Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels verantworten. Doch die jetzige Anklage in Miami wegen des unsachgemäßen Umgangs mit vertraulichen Regierungsunterlagen wiegt deutlich schwerer: Sie ist die erste auf Bundesebene, und bei einer Verurteilung droht dem Milliardär eine mehrjährige Haftstrafe.

37 Anklagepunkte

Trump wird in 37 Punkten angeklagt. In 31 Punkten geht es dabei um die vorsätzliche Aufbewahrung von Informationen zur nationalen Verteidigung, wie aus der am Freitag veröffentlichten Anklageschrift hervorgeht. Demnach bewahrte Trump in seinem Privatanwesen Mar-a-Lago nach Ende seiner Amtszeit im Weißen Haus unter anderem Dokumente zu US-Atomwaffen und zu militärischen Aktivitäten anderer Staaten auf. Dieser Punkt fällt unter das US-Spionagegesetz und kann bis zu zehn Jahre Gefängnis nach sich ziehen. Außerdem sollen dem Ex-Präsidenten die Behinderung der Justiz, Falschaussage und Verschwörung zur Last gelegt werden.

Nach seiner Abwahl hatte Trump offenbar in großem Umfang geheime Regierungsunterlagen statt zum Nationalarchiv auf sein Privatanwesen in Florida schaffen lassen. Erst nach längerem Gerangel rückten seine Anwälte mehrere Kartons heraus. Bei einer Razzia im August fand das FBI noch etwa 100 Dokumente. Nach eigenen Angaben muss sich Trump nun am kommenden Dienstag um 15 Uhr Ortszeit bei dem Gericht in Miami einfinden. Der 76-Jährige will auf "nicht schuldig" plädieren. (Karl Doemens, 9.6.2023)