Blumen wurden in Annecy niedergelegt
Blumen wurden für die Opfer in Annecy niedergelegt.
APA/AFP/OLIVIER CHASSIGNOLE

Annecy – Nach der Messerattacke in Frankreich mit vier verletzten Kindern und zwei erwachsenen Opfern ist der mutmaßliche Täter wegen versuchten Mordes in Untersuchungshaft gekommen. Zu seinem Motiv habe der 31 Jahre alte Mann im Polizeigewahrsam und vor dem Untersuchungsrichter geschwiegen, sagte Staatsanwältin Line Bonnet-Mathis am Samstag in der Alpenstadt Annecy, wo es am Donnerstagmorgen zur Bluttat kam. Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund gebe es weiterhin nicht. Der Mann sei psychiatrisch untersucht worden, es habe keine Hinweise auf Wahnvorstellungen gegeben.

Der Tatverdächtige verhielt sich im Gewahrsam unruhig und wälzte sich auf dem Boden. Offenbar weigerte der Mann sich am Samstagmorgen, den Weg zum Ermittlungsrichter anzutreten. Wie auf Fernsehbildern zu sehen war, mussten Beamte den Mann mit einem Krankenstuhl zum Polizeiauto tragen. Die Psychiater sahen ihn aber in der Lage, sich einer Befragung zu unterziehen und die Untersuchungshaft anzutreten. Hinweise auf Alkohol oder Drogen wurden bei einer medizinischen Untersuchung nicht gefunden.

Erst wenige Monate in Frankreich

Wie die Staatsanwältin sagte, habe der Mann nach Zeugenaussagen während der Tat von seiner Frau und seiner Tochter gesprochen sowie von Jesus Christus. Der Syrer habe ein Kreuz getragen, bei ihm seien zudem zwei christliche Bilder, Bargeld sowie ein Führerschein gefunden worden. Zuvor hatte es bereits geheißen, der Tatverdächtige sei ein christlicher Syrer. Ebenfalls gefunden wurde bei ihm ein Klappmesser, die einzige Tatwaffe. Der Mann war nach der Tat auf einem Spielplatz im Park von Annecy von Umstehenden verfolgt und dann von der Polizei überwältigt worden.

Während der Tatverdächtige schweigt, konzentrieren sich die Fahnder in ihren Ermittlungen jetzt auf seinen Lebensweg und seine Lebensumstände. Bekannt ist, dass der Mann sich erst seit wenigen Monaten in Frankreich aufgehalten hat. Wie die Staatsanwältin sagte, floh der Mann 2013 von Syrien nach Schweden, wo er Asyl erhielt und später heiratete. Er hat eine dreijährige Tochter, im vergangenen Jahr trennte er sich von seiner Frau. Im Mai 2022 sei er nach Italien und in die Schweiz gereist und im Herbst nach Frankreich gekommen, wo er Asyl beantragte. Dieses wurde abgelehnt, weil Schweden ihn schon anerkannt hatte. Den abweisenden Bescheid erhielt er vier Tage vor der Tat. In Annecy habe er als Obdachloser in Hauseingängen gelebt, der Polizei lag den Ermittlungen zufolge nichts gegen ihn vor.

Die Polizei hatte den Mann einmal kontrolliert, weil er sich im See von Annecy gewaschen hatte, teilte Innenminister Gérald Darmanin mit, wie die Zeitung "Le Parisien" berichtete. Es gab aber keinen Anlass, ihn festzuhalten. Premierministerin Élisabeth Borne zufolge war der festgenommene Syrer für die europäischen Sicherheitsbehörden ein Unbekannter gewesen. Auch Hinweise auf psychiatrische Behandlungen in der Vergangenheit habe man nicht.

Annecy, Blumen
Am Tatort in Annecy wird den Opfern gedacht.
EPA/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Am Samstag waren die Opfer der Messerattacke alle außer Lebensgefahr, sagte Staatsanwältin Bonnet-Mathis. Die angegriffenen vier Kinder zwischen 22 Monaten und drei Jahren seien noch im Spital. In Annecy legten die Menschen angesichts der schockierenden Tat Blumen am Tatort nieder. (APA, Reuters, red, 10.6.2023)