Ricarda Lang ist mit dem Ergebnis nicht einverstanden.
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Da kann man noch so weit reisen – die Sorgen von daheim hat man immer im Gepäck. Diese Erfahrung musste gerade erst die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) machen.

Eigentlich hatte sie in der vergangenen Woche in Kolumbien volles Programm. Doch dann einigten sich am Donnerstag in Luxemburg die EU-Innenminister auf ein schärferes Asylrecht mit Lagern und Erstüberprüfung an den EU-Außengrenzen. Bei vielen deutschen Grünen war das Entsetzen groß.

Baerbock mühte sich aus Kolumbien schriftlich und auch via Videoschaltung um Beruhigung der Bundestagsfraktion. In einem Brief rechtfertigt sie den Kompromiss und betont die aus ihrer Sicht positiven Seiten: dass es eine bessere Verteilung der Geflüchteten in der EU geben solle. Doch sie räumt auch ein: "Der Kompromiss ist ganz und gar kein einfacher. Zur Ehrlichkeit gehört: Wenn wir die Reform als Bundesregierung alleine hätten beschließen können, dann sähe sie anders aus." Eine Zustimmung sei ihr "persönlich sehr schwergefallen".

Zurück in Deutschland, betonte die Außenministerin beim Evangelischen Kirchentag in Nürnberg, sie habe sich gefragt: "Wie mache ich den Staus quo, die wirkliche Realität besser?" Es sei Ziel gewesen, "dass mehr Menschen human behandelt werden". Dazu gehöre aber auch, "die bittere Wahrheit mit in Kauf zu nehmen, dass es für einige auch schlechter ist".

Keine Ausnahme für Kinder

Ob Baerbock Gehör findet, ist derzeit unklar. Der Frust in der grünen Partei reicht bis ganz nach oben. Deutschland hätte "im Rat nicht zustimmen dürfen", findet Parteichefin Ricarda Lang. Sie kritisiert insbesondere, dass es "keine grundsätzliche Ausnahme von Kindern bei Grenzverfahren" geben solle.

Dafür hatte sich die deutsche Regierung starkgemacht, aber sich letztendlich nicht durchsetzen können. Der Co-Chef der deutschen Grünen, Omid Nouripour, hingegen verteidigte die Lösung.

Gespalten ist auch die Spitze der Bundestagsfraktion. Während Britta Haßelmann meint, die Reform sei "ein notwendiger Schritt", kritisiert Katharina Dröge, die Zweite in der Doppelspitze: "Kinder gehören nicht in solche Grenzverfahren." Grundsätzlich werde das Ergebnis "dem Anspruch auf Solidarität und Humanität in Europa nicht ausreichend gerecht".

Weiter kämpfen

Anton Hofreiter (Grüne), Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag will den Kampf noch nicht aufgeben. Er sagt im Berliner Tagesspiegel: "Aus humanitären und geostrategischen Gründen muss jetzt massiv daran gearbeitet werden, dass diese Asylrechtsverschärfung in dieser Form nicht kommt." Das soll im EU-Parlament geschehen. In der Fraktion der Grünen im Bundestag wird nicht mehr über den Kompromiss abgestimmt.

Bevor es in Luxemburg zum Kompromiss der EU-Staaten kam, hatten sich 730 Grüne per Brief an das grüne Spitzenpersonal gewandt und gefordert, die Pläne für ein schärferes Asylrecht zu verhindern. Ihr Begehr wurde nicht erhört. (Birgit Baumann aus Berlin, 11.6.2023)