Vier Verstöße gegen das Verbotsgesetz wirft der Staatsanwalt einem 28-jährigen Wiener vor. Der Angeklagte gibt sich reuig.
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Wien – Verteidiger Johannes Wolf führt das familiäre Umfeld des Angeklagten H. als milderndes Argument im Wiederbetätigungsprozess gegen seinen 28-jährigen Mandanten an. "Er ist in Wien-Floridsdorf multikulturell aufgewachsen. Sein Stiefvater ist gebürtiger Türke, die Kinder seiner Lebensgefährtin sind zur Hälfte Somalier", schildert der Rechtsvertreter dem Geschworenengericht unter Vorsitz von Stefan Apostol. Dass der unbescholtene Österreicher am 24. Dezember 2021 und im Frühjahr 2022 in Whatsapp-Gruppen insgesamt viermal inkriminierte Bilder gepostet hat, gestehe sein Mandant nun ein, kündigt Wolf in seinem Eröffnungsplädoyer an. H. habe "viel zu wenig nachgedacht", mittlerweile habe er aber eine Führung im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen absolviert, die "tiefen Eindruck" hinterlassen habe.

Der Angeklagte, der nach eigenen Angaben aufgrund von Panikattacken seit zwölf Jahren beschäftigungslos ist, bekennt sich auf die entsprechende Frage Apostols daher schuldig. Mit Freunden und Bekannten sei er in zwei Gruppen, eine davon mit dem Namen "Kebab-Connection", verbunden gewesen, sagt er. Primärer Zweck seien eigentlich private Verabredungen gewesen, beteuert er, die Ermittler fanden aber auch andere Botschaften darin. Beispielsweise ein Bild mit dem Titel "Mercedes SS-Klasse" und einem Hakenkreuz auf dem Schalthebel. "Haben Sie das lustig gefunden?", will der Vorsitzende von H. wissen. "Ja, leider schon." 

"Anne Frank, die Ofenfrische"

Es gibt in den Gruppen aber auch ganz andere Abbildungen: ein Bild des Diktators Adolf Hitler samt der Aufschrift "Neger, die nehm ich als Brennholz" oder eines der jungen Niederländerin Anne Frank, die von den Nationalsozialisten 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen ermordet wurde, betitelt mit "Anne Frank, die Ofenfrische". Ob H. das auch "lustig" gefunden habe? "Ich hab das als dummen Humor gesehen", entschuldigt der Angeklagte sich.

Diese Motive wurden aber von anderen Teilnehmern, die abgesondert verfolgt werden, in der Gruppe gepostet. Dem 28-Jährigen wirft der Staatsanwalt zwei Bilder vor: Am Heiligen Abend verbreitete er ein Foto, auf dem er neben seiner Mutter und seinem Bruder stehend den Hitlergruß zeigt. Historisch nicht ganz korrekt, da er den linken Arm ausstreckt. "Ich habe das auf jeden Fall gemeint", redet der Angeklagte sich aber nicht heraus. Wenige Monate später verwendete er gleich dreimal dieselbe Fotomontage, auf der Adolf Hitler mit Leuchtstäben in der Hand Marionetten dirigiert. 

Der Vorsitzende will von H. wissen, was er über die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft im Allgemeinen und die damals erfolgte Massenvernichtung im Speziellen wisse. Nach seinem Besuch in der Gedenkstätte sei ihm nun bewusst, dass Juden, Roma, Sinti und Homosexuelle ermordet worden seien, antwortet der Angeklagte. "Und in der Schule haben Sie das nicht gelernt?" – "Ich habe das schon gewusst, aber mir war das Ausmaß nicht bewusst", behauptet er. 

Richterliche Lateinnachhilfe

Bezüglich des Weihnachtsfotos weist er darauf hin, damals ziemlich betrunken gewesen zu sein. "Sagt ihnen 'In vino veritas' was?", fragt Apostol, schließt aber sicherheitshalber gleich eine sinngemäße Übersetzung an: "Das heißt, wenn man besoffen ist, zeigt man sein Innerstes." H. bestreitet, ein Nationalsozialist zu sein, erst recht, seit er in der Gedenkstätte Mauthausen gewesen sei. "Ich war wirklich schockiert, als ich dort war. Ich habe mir danach dann gleich einen Dokumentarfilm über die Zeit angeschaut", gibt H. sich geläutert.

Verteidiger Wolf appelliert daher am Ende an das Gericht, von der Möglichkeit der außerordentlichen Strafmilderung Gebrauch zu machen, um unter die Mindeststrafe von einem Jahr Haft zu kommen. Sein Mandant sei unbescholten, geständig, bereue die Postings und habe kein leichtes Leben gehabt, argumentiert er. Erfolg hat er damit nicht: Die Laienrichterinnen und -richter sprechen H. in allen vier Anklagepunkten schuldig, die Strafe dafür beträgt ein Jahr bedingt. Es habe kein "erhebliches Überwiegen der Milderungsgründe" bestanden, begründet der Vorsitzende die Strafhöhe. Den Angeklagten und die als Zuhörerinnen anwesenden Schülerinnen und Schüler verabschiedet Apostol mit den Worten: "Ich hoffe, dass Sie etwas dazugelernt haben, genauso wie die Zuschauer, und ich Sie hier nicht mehr wiedersehe." (Michael Möseneder, 12.6.2023)