Begräbnis, Sarg
Wer auf dem Weg zur letzten Ruhe ist, sollte mit absoluter Sicherheit auch wirklich tot sein.
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Für Menschen mit Taphephobie – der Angst, lebendig begraben zu werden – ist es keine gute Nachricht. Die Angehörigen der 76-jährigen Bella Montoya hingegen feierten den Vorfall, der sich am Freitag in der ecuadorianischen Küstenstadt Babahoyo zugetragen hat: Die Frau ist bei ihrer eigenen Totenwache in ihrem Sarg aufgewacht. Sie wird nun im selben Krankenhaus behandelt, das sie zuvor für tot erklärt hat. Ein auf Twitter veröffentlichtes Video zeigt Montoya schwer atmend in ihrem offenen Sarg, während zwei Männer ihr helfen. Ecuadorianische Medien sprachen von einer "Auferstehung" der Frau.

Montoyas Sohn Gilbert Balberán berichtete, seine Mutter habe bei der Totenwache nach fast fünf Stunden im Sarg mit der linken Hand "gegen die Kiste geschlagen". Im Krankenhaus werde seine Mutter nun mit Sauerstoff versorgt, hieß es am Sonntag. "Ihr Herz ist stabil", sagte Balberán der Zeitung "El Universo". "Der Arzt hat ihr in die Hand gekniffen, und sie hat reagiert." Montoya war nach Angaben des Gesundheitsministeriums mit Verdacht auf einen Schlaganfall ins Martín-Icaza-Krankenhaus in Babahoyo eingeliefert worden, erlitt dort einen Herz-Kreislauf-Stillstand und reagierte nicht auf Wiederbelebungsmaßnahmen, sodass der diensthabende Arzt sie für tot erklärte. Danach musste ihr Sohn nach eigenen Angaben eine Sargspende für die verarmte Familie veranlassen.

Glöckchen im Sarg

Fälle wie dieser sind heute nur mehr äußerst selten. Sie speisen eine Angst, die im 18. und 19. Jahrhundert geradezu hysterische Ausmaße annahm. Ein Taphephobie-Betroffener war Edgar Allan Poe, auf den sich auch Roger Cormans einschlägiges B-Movie "Lebendig begraben" aus dem Jahr 1962 bezieht. Aufgeheizt wurden die Ängste durch Berichte, die Beweise für Untote liefern wollten. Bei Exhumierungen wurden Kratzspuren an der Innenseite von Sargdeckeln entdeckt und Leichen in merkwürdigen Positionen vorgefunden. Um nicht in der dunklen Enge eines Sarges aufzuwachen und dort elendiglich zu ersticken, wurden daher Glöckchen und Luftzufuhrsysteme in Särge installiert und Schaufeln beigelegt. Oft gab es aber andere Ursachen für diese Vorfälle: Fäulnisgase etwa können für Bewegungen des verstorbenen Körpers sorgen.

In Österreich ist der letzte Fall eines zu Unrecht für tot erklärten Menschen 1989 aufgetreten, schildert Nikolaus Klupp vom Zentrum für Gerichtsmedizin der Medizinischen Universität Wien. "Ein Mann wurde von der Bestattung Wien zur Gerichtsmedizin gebracht. Beim Umlagern in der Aufbahrungshalle wurde eine Bewegung des Adamsapfels beobachtet", erzählt Klupp. "Er wurde dann ins AKH gebracht, ist aber nicht mehr aufgewacht. Nach ein paar Tagen ist er dann verstorben." 

Einen ähnlichen Fall erlebte der langjährige Gerichtsmediziner Christian Reiter als junger Prosekturgehilfe, wie er im Podcast "Klenk und Reiter" berichtet. Ein Mann, der bereits im Kühlhaus lag, setzte sich auf einmal auf, um mit den Worten "Seids deppert?" auf sich aufmerksam zu machen. Auch er verstarb kurz darauf.

Vorsichtsmaßnahme Herzstich

Um derartige Situationen zu vermeiden, gab es noch bis in die 1990er-Jahre die Praxis eines Herzstichs. "Ich habe selbst noch einen durchgeführt bei einer Person, die per Testament festgelegt hatte, dass nach dem Ableben ein langes Messer durch ihr Herz gestochen wird. So konnte man sichergehen, dass man wirklich mausetot ist", sagt Nikolaus Klupp. Auch Arthur Schnitzler und Johann Nestroy sollen im Fall ihres Ablebens einen Herzstich verlangt haben.

Doch wie kann es überhaupt passieren, dass ein Mensch, der noch am Leben ist, für tot erklärt wird? "So etwas wie einen Scheintod, der früher auch mit Vampirismus in Zusammenhang gebracht wurde, gibt es nicht", sagt Klupp. "Es gibt nur schlechte Ärzte." Früher fehlten oft Zeit und medizinisches Wissen für die Feststellung des Todes, und auch heute könne es vorkommen, dass die Totenbeschau nicht korrekt durchgeführt wird oder die Umstände es nicht zulassen.

Früher war die Angst, lebendig begraben zu werden, weitverbreitet, wie dieser Sarg mit Luftzufuhr und Alarmsystem für den Begrabenen belegt.
Gemeinfrei

Sichere Todeszeichen

In Österreich ist die Leichenbestattung Ländersache, daher gibt es auch verschiedene Regeln, was die Feststellung des Todes betrifft. In Wien, erklärt Klupp, stellt zunächst ein Arzt fest, dass es keine Herzaktion mehr gibt, und erklärt die Person für tot oder leitet Reanimationsmaßnahmen ein. Nach zwei bis drei Stunden muss ein Totenbeschauarzt hinzugezogen werden, der nicht nur Hinweise für die Todesursache sucht, sondern auch nach "sicheren Todeszeichen".

Dazu gehören Klupp zufolge Leichenstarre, Totenflecken, "nicht mit dem Leben vereinbare Verletzungen, zum Beispiel wenn das Hirn ausgetreten ist", und beginnende Verwesung beziehungsweise Fäulnis. In manchen Bundesländern kann auch ein Arzt beide Schritte durchführen, was Klupp jedoch kritisch sieht. "Es sollten immer zwei verschiedene Ärzte den Tod feststellen." Es könne bei einem Herzinfarkt vorkommen, dass das Herz eine kurze Phase lang nicht schlägt. Wenn es aber eine Totenbeschau gibt, könne so ein Fall wie in Ecuador nicht passieren.

Wie es mit Bella Montoya weitergeht, ist noch unklar. Ihr Sohn sagt, er habe seine Mutter am Sonntag auf der Intensivstation des Krankenhauses besucht. "Nach und nach begreife ich, was passiert ist. Jetzt bete ich nur noch dafür, dass sich der Gesundheitszustand meiner Mutter verbessert. Ich möchte, dass sie lebt und an meiner Seite ist", sagte er. Dem Gesundheitsministerium zufolge soll der Vorfall nun durch einen Ausschuss untersucht werden. (Karin Krichmayr, 12.6.2023)