Milojko Spajić wurde mit seiner Partei
Milojko Spajić wurde mit seiner Partei "Europa jetzt" Wahlsieger in Montenegro. Die Koalitionsbildung jedoch wird nicht leicht.
Reuters / Stevo Vasiljevic

Die neue Zentrumspartei "Europa jetzt" unter Parteichef und Ex-Finanzminister Milojko Spajić hat am Sonntag die Parlamentswahl in Montenegro mit über 25 Prozent der Stimmen gewonnen. "Wir wurden zur größten Partei des Landes. Wir werden mit denen verhandeln, die unsere Werte teilen, aber es wird keine Verhandlungen mit der DPS geben", schloss Spajić gleich eine Koalition mit der ehemals führenden Partei aus.

Die DPS kam mit knapp 24 Prozent auf den zweiten Platz. Sie wurde jahrelang von Ex-Präsident Milo Ðukanović geleitet, der über 30 Jahre die Geschicke des Landes gestaltete und Montenegro 2006 in die Unabhängigkeit sowie 2017 in die Nato führte. Spajić schloss aber auch eine Koalition mit der Wahlplattform "Tapferkeit zählt" unter der Führung des scheidenden Premierministers Dritan Abazović und des ehemaligen Parlamentspräsidenten Aleksa Bečić aus, die über zwölf Prozent bekam. Abazović hatte zuletzt ein technisches Kabinett geführt, nachdem die Regierung im Vorjahr gestürzt worden war.

Eine Koalitionsbildung dürfte sich deshalb als langwierig und schwierig erweisen. Spajić ließ aber offen, ob "Europa jetzt" mit der proserbischen Partei "Für die Zukunft Montenegros" koalieren wird, die knapp 15 Prozent bekam. Dies erscheint nun wahrscheinlich. Der zunehmende Einfluss des Nachbarstaats Serbien und der serbischen Orthodoxie stößt bei manchen Montenegrinern jedoch auf Widerstand. Die proserbischen Kräfte sind zudem teilweise auf den Kreml ausgerichtet und fordern sogar, dass sich Montenegro wieder mit Serbien zu einem Staat vereinigt.

Der Chef von "Für die Zukunft Montenegros", Milan Knežević, sagte nach der Wahl, dass es ohne seine Partei keine "stabile, demokratische Regierung" gebe, und meldete Ansprüche an: Niemand habe das Monopol auf die Regierungsbildung "ohne ernsthafte Kompromisse". Aber auch Abazović brachte sich ins Spiel und meinte, dass seine Partei "Tapferkeit zählt" das "wichtigste Rückgrat der Regierung" sein werde, obwohl Spajić zuvor eine Regierung mit ihm ausgeschlossen hatte.

Streit über angebliche Parteienfinanzierung

Zwischen Spajić und Abazović gibt es spätestens seit vergangener Woche zunehmende Spannungen, als bekannt wurde, dass "Europa jetzt" von Do Kwon, dem südkoreanischen Gründer der zusammengebrochenen Kryptowährung Terra, illegale finanzielle Unterstützung für den Wahlkampf bekommen haben soll. Medien hatten berichtet, dass Kwon einen Brief an Abazović, den scheidenden Justizminister Marko Kovač und die Sonderstaatsanwaltschaft geschickt habe, in dem er behauptete, er habe "Europa jetzt" finanziert. "Europa jetzt" wies die Behauptungen zurück.

Doch Abazović bestätigte das Schreiben und forderte Aufklärung von Spajić. Auffällig ist auch: Als Finanzminister hatte Spajić die Entwicklung der Blockchain-Industrie in Montenegro gefördert. Der Parteikollege von Abazović, Innenminister Filip Adžić, behauptete sogar, dass sich Spajić mit Kwon in Belgrad getroffen habe, nachdem dieser bereits von Interpol gesucht worden sei. "Wenn wir Informationen darüber haben, dass jemand aus der Kryptowelt, der über Milliarden verfügt, sich in den Wahlprozess in Montenegro einmischt, müssen wir reagieren", fügte Adžić hinzu.

Das montenegrinische Nationale Sicherheitskomitee forderte die Sonderstaatsanwaltschaft auf, die Beziehungen zwischen ausländischen Kryptowährungshändlern und politischen Parteien in Montenegro zu untersuchen. Geheimdienste warnen auch davor, dass Kryptowährungen zunehmend zur Geldwäsche und zur Finanzierung organisierter krimineller Gruppen genutzt würden.

Diesen März wurde Kwon am Flughafen Podgorica festgenommen, als er versuchte, mit einem gefälschten costaricanischen Pass nach Dubai zu reisen. Außerdem wurde festgestellt, dass er gefälschte belgische Reisedokumente bei sich trug. Kwon wurde von einem US-Gericht wegen Wertpapierbetrug, Warenbetrug und Überweisungsbetrug angeklagt.

Milliardenverluste am Kryptomarkt

Die Währungen Terra und Luna waren im Mai 2022 zusammengebrochen und verursachten auf dem Kryptomarkt Verluste in Höhe von hunderten Milliarden. Im Dezember 2022 teilten südkoreanische Behörden mit, dass Kwon sich in Serbien verstecke, da dieses Land kein Auslieferungsabkommen mit Südkorea habe. Nach der Verhaftung Kwons haben sowohl Südkorea als auch die USA seine Auslieferung beantragt.

Auch der Gründer der Kryptowährung Ethereum, Vitalik Buterin, befindet sich in Montenegro. Er traf sich erst im Mai sowohl mit Spajić als auch mit Abazović. Buterin bekam in der Zwischenzeit auf Initiative von Spajić die montenegrinische Staatsbürgerschaft.

"Europa jetzt" wurde erst im Vorjahr gegründet. Zu der Partei gehört auch der neue montenegrinische Präsident Jakov Milatović. Die Partei hatte bereits bei den Kommunalwahlen im Vorjahr die Hauptstadt erobert. Doch an der Spitze gibt es Meinungsverschiedenheiten. So ist Präsident Milatović dafür, dass Montenegro der Initiative "Offener Balkan" beitritt, die vom serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić und dem albanischen Premier Edi Rama ins Leben gerufen wurde und von den USA unterstützt wird. Spajić ist dagegen.

Auffällig ist, dass die Wahlbeteiligung auf ein Rekordtief von 56,4 Prozent gesunken ist. Viele Montenegrinerinnen und Montenegriner wollen offenbar einen Wandel – allerdings sind die neuen, jungen Führungsfiguren wie der 35-jährige Spajić wohl nicht ganz überzeugend. (Adelheid Wölfl, 12.6.2023)