Wegen wachsenden Konkurrenzdrucks am wichtigsten Markt China stehen bei Volkswagen (VW) tiefgreifende Veränderungen an. Die Kosten sollen runter, der Konzern soll neu geordnet werden. "Wir müssen handeln, da wir sonst den Anschluss an die Konkurrenz verlieren", sagte ein Topmanager dem Handelsblatt. Demnach steht Europas größten Autokonzern der "größte Umbau seit Jahrzehnten" bevor. Druck kommt auch von Aktionären, denn Volkswagen hat trotz Milliardengewinnen an der Börse seit April 2021 die Hälfte des Werts verloren.

Ein Arbeiter reinigt ein VW-Logo.
Erst erfolgte bei Volkswagen der Schwenk zur Elektromobilität, nun soll der Konzern seine Effizienz deutlich steigern.
APA/AFP/JOHN MACDOUGALL

Nach einem halben Jahr im Amt will Konzernchef Oliver Blume nun das Steuer herumreißen – und sieht die größten Baustellen bei Audi und bei VW selbst, wo das Massengeschäft abgedeckt wird. Das als "Markengruppe Volumen" bezeichnete Geschäftsfeld, zu dem neben VW auch Škoda und Seat zählen, soll am meisten zur geplanten Ergebnissteigerung beitragen, nämlich drei Milliarden Euro pro Jahr. Konzernweit will Volkswagen fünf Milliarden Euro einsparen.

Damit soll ein finanzielles Polster geschaffen werden, um die technische Entwicklung zu forcieren und die Position in China und Nordamerika abzusichern. "Das wird Milliarden kosten, ist aber zwingend nötig", betonte ein Topmanager. Im Reich der Mitte verdrängte etwa der chinesische Elektroautohersteller BYD im ersten Quartal mit einem Marktanteil von elf Prozent am Gesamtmarkt, also inklusive Verbrenner, die seit Jahrzehnten führende Marke VW vom ersten Platz.

Weniger Modelle

Wo sollen die Milliarden herkommen? Konzernchef Blume will vor allem Doppelgleisigkeiten zwischen den Marken abbauen und die Werke besser auslasten. Zu vieles läuft im VW-Konzern mit insgesamt zwölf Marken und rund 600.000 Mitarbeitern parallel, was enorm viel Geld kostet. Mittelfristig soll im Massengeschäft auch bei Modellen und Ausstattungsvarianten der Rotstift angesetzt werden. Man werde künftig nicht mehr in jeder Nische kehren, sagte dazu Markenchef Thomas Schäfer.

In der Produktion will Schäfer künftig die Werke markenübergreifen auslasten, also Modelle von VW und Škoda von einem Band laufen – wobei der Elektrokleinwagen ID.2, der für alle Marken von Seat in Spanien gefertigt wird, als Vorbild dient. Abgespeckt sollen auch die Kapazitäten werden, im Stammwerk Wolfsburg soll der Ausstoß auf 600.000 Fahrzeuge sinken – wobei im Vorjahr wegen knapper Vorprodukte ohnedies nur 450.000 Autos vom Band rollten.

Das Mittelklassesegment wird von Audi abgedeckt. Dort werde man jedoch dem eigenen Werbespruch "Vorsprung durch Technik" nicht mehr gerecht, heißt es aus Konzernkreisen. Zudem sollen auch hier Doppelgleisigkeiten abgebaut werden. Angebote, die ins Massengeschäft oder in die Oberklasse abstrahlen, müssen künftig mit dem jeweiligen Geschäftsfeld abgesprochen werden. Das Topsegment liegt beim Luxuserzeuger Porsche, wo man die künftig geforderte Ertragskraft von 20 Prozent operativen Gewinn des Umsatzes schon annähernd erreicht hat. Anders im Massengeschäft: Um dort von fünf auf acht Prozent Umsatzrendite zu kommen, ist laut Markenchef Schäfer ein "Riesenklimmzug" nötig.

Neuer Elektrosportwagen

Dennoch will der Stuttgarter Sportwagenerzeuger bei der Elektromobilität Plätze gutmachen. Im Mai stellte Porsche das Konzept eines neuen Elektrosportwagens vor. Bisher hat der Autobauer mit dem Taycan nur ein reines E-Modell im Angebot, will aber 2030 mehr als 80 Prozent der Fahrzeuge vollelektrisch ausliefern.

Einschnitte beim Personal sind wohl nicht vorgesehen, weshalb auch der Betriebsrat die Maßnahmen mitträgt. Offenbar soll der Abbau von Mitarbeitenden allein vom demografischen Wandel geregelt werden. "Wir verlieren Leute im Stakkato", zitiert das Handelsblatt einen Manager. Dem Konzernumbau soll der VW-Aufsichtsrat noch am Dienstag zustimmen. Offiziell präsentiert werden die anstehenden Änderungen dann am 21. Juni vor Investierenden beim Capital Markets Day am Hockenheimring. (Alexander Hahn, 13.6.2023)