Mithilfe eines Baggers reißt ein Bauarbeiter die letzten drei Holzpfeiler aus der Erde. Die Pflöcke im niederösterreichischen Trumau sind gut zehn Meter hoch, und bis vor kurzem war auf einem Schild schriftlich festgehalten, was zwischen Korn- und Gemüsefeldern gebaut wurde: Nun sprechen die acht Windräder für sich – immerhin ragen sie über 100 Meter in den Himmel. Umgeben von denselben Feldern absorbieren 17.888 Photovoltaikmodule (PV) Sonnenenergie. Sie nehmen eine Fläche von 13 Fußballfeldern ein. Gemeinsam bilden Windräder und PV-Anlage ein sogenanntes Hybridkraftwerk.

Die Wien Energie hat dafür 46 Millionen Euro investiert. Anfang des Jahres sind die Anlagen ans Netz gegangen und können laut Betreiberin Spitzenwerte von rund 28 Megawatt aus Windenergie und knapp zehn Megawatt aus der PV-Anlage produzieren. Damit versorgen sie rund 17.400 Haushalte mit erneuerbarem Strom. Es sei derzeit das größte Hybridkraftwerk, das in Österreich erneuerbare Energie erzeuge, erzählt Andreas Dornhofer von Wien Energie, während er zu einem der Windräder spaziert.

Die Rotorblätter der Windräder drehen sich an diesem Tag allerdings nicht. Nicht etwa, weil kein Wind weht – die Anlage schaltet ab einer Windgeschwindigkeit von zehn km/h ein –, sondern weil eine Wartung ansteht. An diesem Tag überprüfen Technikerinnen und Techniker vor Ort, ob der Transformator im Umspannwerk funktioniert. Das ist der zentrale Punkt, an dem die gesamte Energie des Hybridkraftwerks eingespeist wird.

Im Hybridpark Trumau wird die Energiegewinnung aus Wind und Sonne kombiniert. Insgesamt können über 17.000 Haushalte versorgt werden.
Im Hybridpark Trumau wird die Energiegewinnung aus Wind und Sonne kombiniert. Insgesamt können über 17.000 Haushalte versorgt werden.
Andreas Tischler / Vienna Press

Normalerweise überwacht die Wien Energie in Wien digital, ob die Windräder und die PV-Anlage in Trumau korrekt laufen. Sinnvoll sei die Kombination aus Wind- und Sonnenenergie, weil Strom konstanter in das Netz eingespeist werden kann, so Dornhofer. Die beiden Energiequellen würden sich nämlich gut ergänzen – weht der Wind, scheint selten die Sonne, scheint jedoch die Sonne, weht kaum Wind.

Regler hält das Netz stabil

An den wenigen Tagen im Jahr, an denen Sonnen- und Windenergie gleichzeitig voll eingespeist werden, sorgt ein eigens konzipierter Hybridregler dafür, dass das Netz nicht überlastet. Er drosselt die Energiezufuhr ins Netz. Entwickelt wurde der Regler vom Energieforschungsprojekt Aspern Smart City Research (ASCR), Siemens Smart Infrastructure und Wien Energie.

Verbaut in einem Container zwischen den Äckern ist er rund zehn Zentimeter hoch und drei Zentimeter breit. Er reagiere auf sich verändernde Wetterbedingungen und steuere die Aktivität der Windräder und PV-Paneele, sagt Dornhofer.

Die Entwickler erhoffen sich, dass der Regler künftig in weiteren Hybridkraftwerken zum Einsatz kommt und damit der Umstieg auf erneuerbare Energie vorangetrieben wird. Laut Dornhofer baue Wien Energie derzeit ein weiteres Hybridkraftwerk in der Steiermark, und auch andere Anbieter seien auf das Modell aufmerksam geworden und bauten derartige Parks.

Auf den Feldern in Trumau stehen acht Windräder und 17.888 Photovoltaikmodule.
Auf den Feldern in Trumau stehen acht Windräder und 17.888 Photovoltaikmodule.
Andreas Tischler / Vienna Press

Man arbeite seit Jahren daran, die Gemeinde mit erneuerbarer Energie autark versorgen zu können, sagt der Trumauer Bürgermeister Andreas Kollross in einer Aussendung. Das scheint nun gelungen. Laut Wien Energie werde mit dem Hybridkraftwerk zehnmal mehr Strom erzeugt, als die knapp 4000 Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde benötigen. Der überschüssige Strom fließe ins Energienetz für umliegende Gemeinden. Zudem spare diese Art der Stromerzeugung jährlich über 36.000 Tonnen CO2.

Strom aus Erneuerbaren steigern

"Das Ziel wäre ja eigentlich, dass Österreich bis zum Jahr 2030 zu hundert Prozent mit erneuerbarem Strom versorgt wird", erläutert Georg Pammer, Geschäftsführer der ASCR. Das werde sich zwar nicht ausgehen, trotzdem müsse man weiterhin in diese Richtung arbeiten. Daher soll die Energiegewinnung im Hybridpark Trumau in den kommenden zehn Jahren massiv gesteigert werden. Windräder und PV-Anlage sollen je 50 Megawatt erzielen können – zumindest theoretisch. In der Praxis können 100 Megawatt aufgrund des Wetters nur äußerst selten erreicht werden.

Sollte dies doch einmal der Fall sein, müsste aber ohnehin wieder der Hybridregler eingreifen. In das Netzsystem im Hybridpark können derzeit maximal 63 Megawatt eingespeist werden können – und das wird sich auch in den kommenden Jahren nicht ändern. Damit die Umstellung auf erneuerbare Energie funktioniere, müsse man das Netz nämlich gut managen, erklärt Pammer.

"Das aktuelle Netzsystem aufzubauen hat circa 120 Jahre gedauert. Man kann nicht so einfach in zehn Jahren mit der gleichen Infrastruktur die doppelte Leistung zur Verfügung stellen", sagt Roland Zoll. Er ist Leistungstechniker bei den Wiener Netzen.

Der Hybridregler links steuern die Energiezufuhr ins Netz.
Der Hybridregler links steuern die Energiezufuhr ins Netz.
Andreas Tischler / Vienna Press

Mit den angepeilten 100 Megawatt könnte das Hybridkraftwerk dreimal so viele Haushalte wie bisher versorgen. Dies gilt freilich nur, wenn sich der Strombedarf der Haushalte nicht ändert, und das könnte angesichts steigender Wärmepumpen und E-Autos durchaus der Fall sein. Allein ein E-Auto kann den Strombedarf eines Haushalts verdoppeln.

Weniger Kabelsalat

Das Hybridkraftwerk sei auch im Ausbau umweltfreundlicher, wie Dornhofer erklärt. Denn durch die Zusammenlegung von PV-Anlage und Windrädern habe man sich einiges an Kabel gespart. Von der PV-Anlage führt ein Kabelsystem zu einem Windrad. Insgesamt transportieren zwei Kabelsysteme den Strom durch die Felder zu den Haushalten.

Um künftig Strom in Trumau speichern zu können, wird derzeit geprüft, inwiefern eine Batterie sinnvoll wäre. Werden mehr als 63 Megawatt Energie erzeugt, könnte die Energie gespeichert werden.

Wie die Batterie aussehen könnte, ist allerdings eine andere Frage. Denn aufgrund der äußerst seltenen Energiespitzen mache eine große Batterie kaum Sinn. Roland Zoll zieht den Vergleich mit einem Kleiderschrank. Wenn man sich für jeden Anlass ein Kleid kaufe, werde der Schrank sehr bald sehr viel Platz einnehmen, mit einem Universalkleid hingegen sei man gut gekleidet und spart Platz im Kasten. Die passende Aufbewahrungsvariante gilt es nun auch im Hybridpark Trumau zu finden.

Im Hybridpark Trumau wird die Energiegewinnung aus Wind und Sonne kombiniert. Insgesamt können über 17.000 Haushalte versorgt werden. (Julia Beirer, 13.06.2023)