Politischer Ton
In der öffentlichen Debatte und den sozialen Medien ist ein Ton eingerissen, der zur Spaltung führt.
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Der ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker ortet bei Andreas Babler "den Weg von Südkorea nach Nordkorea".

Der ÖVP-Innenminister Gerhard Karner und die ÖVP-Medienministerin Susanne Raab veranstalten einen "Gipfel" über "Fake News", weil die ja so gefährlich sind, und dann gehen sie zusammen mit der ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner zu Interviews mit der rechten Website Exxpress, wo sie Fake News gleich im Original studieren können (Exxpress wird übrigens massiv mit Steuergeld gefördert).

Der FPÖ-Obmann Herbert Kickl gibt wieder einmal seine berühmte Pressekonferenzen-Tirade, in deren Verlauf er Babler als "linken Vogel aus Traiskirchen" bezeichnet.

Babler kann es auch ganz gut, in seiner Parteitagsrede kamen die "Superreichen" ordentlich dran, und die ÖVP könne sozusagen eh nichts anderes, als die "Dreckszäune entlang der Balkanroute" zu besichtigen.

Soziale Medien

Das ist aber gar nichts gegen die Beleidigungen, den Hass, die Rücksichtslosigkeit, die in den sogenannten sozialen Medien von linker, aber gefühlt viel mehr von rechter Seite üblich geworden sind (tritt auch in den STANDARD-Foren auf, aber dort wird moderiert und notfalls gelöscht). Es ist ein Ton eingerissen in der öffentlichen Debatte, der für die Demokratie nicht gut ist und zur Spaltung führt.

Das ist übrigens mehr als eine Verlotterung der öffentlichen Debatte – eine politische Strategie der rechten Antidemokraten. Die Bevölkerung bewusst zu spalten – etwa in Weiße und Minderheiten, wie Donald Trump – und sich damit für verunsicherte Bürger als der starke Mann zu präsentieren, der die Unruhe schon wieder bändigen wird: Das ist die Methode der Orbáns, der Erdoğans und der Trumps. Dazu gehört auch das Inkaufnehmen von politischer Gewalt bei den eigenen Anhängern. Trump hat das bewusst so angelegt bei dem von ihm aufgeputschten Sturm aufs Kapitol, er versucht es gerade wieder anlässlich seines Gerichtstermins. Kickl kündigte soeben eine Großdemo vor dem Asylquartier in Leoben an.

Die schrille Tonalität in den sozialen Medien hat etwas mit der Sucht nach Aufmerksamkeit zu tun und der Verfügbarkeit des öffentlichen Mediums für praktisch alle. Auch mit der Abwesenheit von Gatekeepern, die dafür sorgen, dass nicht jeder polemische Unsinn durchgeht. Selbstverständlich trägt auch mancher Journalismus, hauptsächlich aber der unkontrollierte, von der Politik hofierte und alimentierte Krawalljournalismus, etwas dazu bei. Aber hauptverantwortlich ist der Kurs der Spaltung und Polarisierungen, der von einer gewissen Politik betrieben wird.

Ist es sinnvoll, an die Politik, oder auch nur an einzelne Parteien, zu appellieren? Vielleicht wirkt Eigeninteresse? Alle Versuche, konservativer oder teilweise auch sozialdemokratischer Parteien in Europa, sich in Stil und Inhalt an die Rechtspopulisten anzupassen, seien gescheitert, sagte der anerkannte niederländische Politologe Cas Mudde jetzt bei einem Vortrag an der Central European University in Wien (CEU).

Man solle die Energien besser darauf verwenden, die liberale Demokratie zu stärken. Und dazu gehört auch eine Mindestqualität im Ton. (Hans Rauscher, 13.6.2023)