Der Vorschlag ist schon einige Jahre alt, aber dass nun Andreas Babler, der neue SPÖ-Chef, auf die Einführung einer Vermögenssteuer pocht, verleiht der Diskussion neuerlich Auftrieb. Der SPÖ-Account auf Twitter warb zuletzt mit einem Bild Bablers mit dem Slogan: "Besteuern wir Vermögen ab 1 Million Euro und schaffen so mehr Gerechtigkeit für alle Menschen in Österreich". Die kritischen Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten, Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger etwa erwiderte in dem sozialen Netzwerk, dass "staatstragende" Parteien wie SPÖ und ÖVP vergessen hätten, dass es eigentlich die Mittelschicht sei, die den Staat trage. "Die Mitte, die sich zunehmend nichts mehr aufbauen kann, weil die Steuerlast erdrückend ist, der Finanzminister verlässlich jedes Jahr noch tiefer in die Tasche der Steuerzahler greift und die Preise immer wieder steigen."

Rund um diese neu entbrannte Debatte zu Vermögenssteuern ist es nützlich, ein paar Fakten zu kennen: Wer wird in Österreich hoch besteuert, ist es die Mittelschicht, die eine Millionärssteuer tragen müsste – auch darüber entbrannte in sozialen Netzwerken eine Debatte –, und was sind Vor- und Nachteile einer solchen Abgabe?

Österreich ist ein Hochsteuerland, belastet wird aber vor allem Arbeit

Tatsache ist, dass Österreich tatsächlich, wie die Neos sagen, ein Hochsteuerland ist. Der Staat nimmt an Steuern und Versicherungsbeiträgen den Menschen etwas mehr ab, als das im Schnitt der übrigen EU- und Euroländer der Fall ist. Aktuell liegt diese Abgabenquote bei 43,5 Prozent, in der Eurozone sind es 42,1 Prozent. Allerdings hat sich Österreich den Ruf als Hochsteuerland im Wesentlichen deswegen eingehandelt, weil die Belastung von Arbeit hoch ist, wie der Ökonom Rupert Sausgruber von der Wirtschaftsuni Wien sagt. So misst die Industriestaatenorganisation OECD jährlich nach, wie hoch der sogenannte Steuerkeil ist: Die Kennzahl gibt an, wie viel von dem, was Arbeitskraft ein Unternehmen insgesamt kostet, am Ende des Tages tatsächlich bei dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin landet.

Von allen Industrieländern ist der Steuerkeil in Österreich am vierthöchsten: 46,8 Prozent von den Bruttoarbeitskosten bekommt der Staat, neben Steuern sind hier auch Versicherungsbeiträge von Dienstgeber und Dienstnehmer eingerechnet. Nur in Frankreich, Belgien und Deutschland ist der Wert und damit die Belastung von Arbeit noch höher. Neben der Einkommenssteuer ist die Besteuerung von Konsum aller Art, die Palette reicht vom Tomaten- über den Kühlschrankeinkauf bis hin zur Tankfüllung, die zweite große Stütze der Finanzierung. Drei Viertel der Einnahmen erhielt Finanzminister Magnus Brunner 2022 von Konsum- und Einkommenssteuern der selbstständig und unselbstständig Beschäftigten. Sieht man sich nun Vermögenssteuern an, ist Österreich dagegen zurückhaltend.

Überblick zur Belastung von Einkommen.
Wo der Staat kräftig zulangt

Vermögen selbst wird so gut wie nicht besteuert, hier gibt es im Wesentlichen bloß die Grundsteuer, die aber vom Aufkommen her nur eine untergeordnete Rolle spielt. Sehr wohl besteuert auf unterschiedlichen Ebenen wird der Kapitalzuwachs: Einkünfte aus Zinsen, Dividenden und Mieten unterliegen einer Besteuerung, dann gibt es auch noch die Immobilienertragssteuer. Beim Verkauf einer Immobilie fällt auf den Veräußerungsgewinn eine Steuer von 30 Prozent auf den Verkaufserlös an, außer der Hauptwohnsitz wurde veräußert oder das Gebäude selbst hergestellt. Auch wer ein Grundstück kauft oder erbt, muss zahlen, und zwar die Grunderwerbssteuer. Allerdings: Die anderen Industrieländer nehmen über diverse vermögensbezogene Steuern und Vermögenssteuern deutlich mehr ein, auf rund 1,8 Prozent der Wirtschaftsleistung eines Landes beläuft sich der Schnitt. In Österreich liegen die Einnahmen aus Vermögens- und vermögensbezogenen Steuern bei gerade 0,6 Prozent der Wirtschaftsleistung, also einem Drittel des Durchschnittswerts. Ob Deutschland, Kanada, ja selbst das liberale Vereinigte Königreich: Hier greift der Staat bei Vermögen und Vermögenden stärker zu.

Vermögenssteuern im Vergleich.
Vermögenssteuern im Vergleich.
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Die Unterschiede kommen vor allem aus zwei Positionen heraus: So gibt es in einigen Ländern doch noch eine Erbschaftssteuer, etwa in Belgien, Deutschland, Frankreich oder Italien. Und in den meisten anderen Ländern ist die Grundsteuer höher, die in Österreich sehr niedrig bemessen ist. Eine echte Vermögenssteuer, die in Österreich bis 1994 existierte und der alles unterworfen wurde außer Hausrat und Pensionen, existiert dagegen nur in wenigen Ländern. Das ließe sich natürlich ändern, mit einfacher Mehrheit im Parlament, wie der Verfassungsjurist Peter Bußjäger betont.

Für Vermögenssteuern ins Treffen geführt wird, dass sich damit Staatsausgaben leichter finanzieren ließen, vom Bau neuer Schulen und Straßen bis hin zur Errichtung weiterer Windräder. Höhere Vermögenssteuern könnten sogar dazu beitragen, dass im Gegenzug der Faktor Arbeit entlastet werden kann. Netto könnte also die Steuerbelastung gleich bleiben. Arbeitnehmern würde aber mehr Netto vom Brutto bleiben, die Arbeitskosten für Unternehmen würden im Idealfall sinken. Laut Schätzung von Experten der Arbeiterkammer, die selbst für eine Vermögensbesteuerung plädiert, könnte eine solche Besteuerung mit den Eckpfeilern des Konzeptes der SPÖ bis zu fünf Milliarden Euro jährlich bringen. Ein weiteres Argument für die Abgabe: Die hohe Vermögenskonzentration sei in einer Demokratie gefährlich, weil sich ein kleiner Kreis damit Einfluss sichern könne. 

Fünf Milliarden Euro jährlich?

Doch es gibt auch viele Gegenargumente: Laut ökonomischen Theorien sollte Vermögen tendenziell nicht besteuert werden, sagt etwa der WU-Ökonom Sausgruber. Das Argument ist, dass die Besteuerung von Kapital hohe Kosten hat, und zwar unter anderem deshalb, weil es den Aufbau des Kapitals beeinträchtigen kann. So könnten höhere Vermögenssteuern Menschen davon abhalten, mehr zu arbeiten und besser bezahlte Jobs zu suchen. Die Folge wäre ein weniger ökonomisch sinnvoller Einsatz der Ressourcen. Sausgruber verweist auf ein viel beachtetes Paper der Ökonomen Joseph Stiglitz und Anthony Atkinson aus 1976. Dabei argumentieren die beiden gegen den Einsatz vermögensbezogener Steuern, im konkreten Fall Steuern auf den Ertrag von Kapital, weil das unterm Strich einer Gesellschaft keine zusätzliche Wohlfahrt bringe. Eine Kapitalertragsteuer erfasse bloß den künftigen Konsum (eine Einkommenssteuer den gegenwärtigen), führe aber zu Ausweichverhalten, also dazu, dass Menschen versuchen, die Abgabe zu vermeiden.

Dieses Argument wird öfter vorgebracht: Kapital ist mobil – und leicht ins Ausland zu transferieren. Bei einer Vermögenssteuer, wie die SPÖ sie vorschlägt, würden Immobilienvermögen, Geldvermögen und Unternehmensbeteiligungen zusammengerechnet und davon Schulden abgezogen werden.

Geld sowieso, aber auch Beteiligungen lassen sich leicht ins Ausland transferieren. Durch zwischenstaatliche Abkommen und die internationalen Prinzipien im Steuerrecht sind Österreichs steuerlichem Zugriff auf ausländische Vermögen aber enge Grenzen gesetzt. Angesichts dieser Tatsachen sieht Ökonom Sausgruber die einzige realistische Möglichkeit, nennenswerte Einnahmen aus einer Vermögenssteuer zu generieren, darin, die Grundsteuern in Österreich kräftig anzuheben.

Demos für Vermögenssteuern hatten schon einmal mehr Konjunktur: Protestaktion 2021 in Berlin.
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Doch gegen die Kritik, wonach hohen Kosten nur zweifelhafte Einnahmen bei Vermögenssteuern gegenüberstehen, lassen sich auch Einwände finden: Dominik Bernhofer, Steuerexperte der Arbeiterkammer, verweist etwa auf Studien, wonach es vor allem Schlupflöcher sind, die Staaten ihren Vermögenden lassen, die dafür sorgen, dass Millionärssteuern leicht umgangen werden können. Ein Naturgesetz sei das nicht. Und es gibt Untersuchungen der OECD, die unterschiedliche Steuern danach gewichtet, wie schädlich sie fürs Wachstum sind: Unternehmenssteuern haben den größten negativen Effekt, dann kommen Einkommens- und dann Konsumsteuern. Vermögenssteuern, insbesondere auf unbewegliche Güter, also Immobilien, haben den geringsten negativen Effekt auf Wohlstand. Sprich: Steuern auf Arbeit durch Steuern auf Vermögen zu ersetzen könne für eine Wirtschaft zu Effizienzsteigerungen führen. "Gemäß dem Großteil der empirischen Untersuchungen sind die negativen Effekte von Vermögenssteuern auf das Sparverhalten, das Arbeitsangebot und das BIP äußerst gering, deutlich geringer als bei Steuern auf Arbeit."

Ein anderes Gegenargument bezüglich einer Vermögenssteuer geht so: Hohes Vermögen bedeutet natürlich nicht automatisch, das auch tatsächlich jemand über hohe Einnahmen verfügt. Eine Vermögenssteuer könnte so etwa Eigentümer strauchelnder Unternehmen schwer belasten. Das Argument ist nicht ganz von der Hand zu weisen, wobei ein Blick auf die Summen, um die es in der Debatte geht, zur Einordnung wichtig ist. Die SPÖ schlägt einen Steuersatz von 0,5 Prozent ab Vermögen von einer Million Euro vor. Wer zum Beispiel 3,5 Millionen Euro besitzt, müsste also 2,5 Millionen der Steuer unterwerfen und dafür 12.500 Euro an Vermögenssteuern im Jahr zahlen. Ab zehn Millionen Euro würde der Steuersatz auf ein Prozent steigen. Bei einem Vermögen von 20 Millionen Euro wären pro Jahr 145.000 zu berappen. Im Gegenzug soll die Grunderwerbssteuer unter eine Million Euro künftig entfallen.

Österreich besteuert also viel, aber vor allem Arbeit und nicht Vermögen. Wer hier eingreifen will, könnte bei Immobilienvermögen relativ einfach ansetzen und im Gegenzug Arbeit entlasten – so weit besteht weitgehende Einigkeit. Darüber hinaus wird über Sinn und Unsinn des Konzepts diskutiert.

Auch wer ein Eigenheim besitzt, ist selten Millionär

Wen würde eine Vermögenssteuer treffen – hätte die Mittelschicht die Hauptlast zu tragen, wie zuletzt debattiert wurde? Hier ist die Antwort recht klar: Nein. Eine systematische Analyse dazu, wer Vermögen in Österreich besitzt, findet sich bei der Oesterreichischen Nationalbank. Die Zahlen dazu beruhen auf gut 80.000 Befragungen und stammen aus dem Jahr 2017. Eine Aktualisierung der Daten steht unmittelbar bevor, aber am großen Bild dürfte sich wenig verändert haben. Da zeigt sich nämlich: Es gibt einfach wenig Netto-Millionärshaushalte in Österreich. Gut die Hälfte der Haushalte besitzt gar kein nennenswertes Nettovermögen. 40 Prozent besitzen immerhin Auto und Eigenheim.

Die Vermögenshöhen sind aber insgesamt überschaubar beim größten Teil der Bevölkerung: Zerlegt man die Vermögenden in fünf Gruppen von arm bis reich, zeigt sich, dass im ärmsten Fünftel das Median-Vermögen bei um die 2.000 Euro liegt. Selbst im dritten Fünftel liegt das Netto-Vermögen bei lediglich 88.000 Euro. Erst im obersten Fünftel steigt es deutlich an, aber selbst hier ist der Median bei nur 524.000 Euro.

Wo der Luxus wohnt: Traumkulisse am Wasser, das Schlosshotel Velden.
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Aus den Daten lässt sich herauslesen, dass es in Österreich 2017 gerade 155.000 Millionärshaushalte gab, das sind rund vier Prozent aller Haushalte. Nun sind die Immobilienpreise seit der Erhebung 2017 stark gestiegen – die Gruppe dürfte also gewachsen sein. Aber Millionär wird man nicht schnell. Im Median lag der Wert der eigenen Immobilie bei der Erhebung 2017 bei um die 250.000 Euro. Neuere Daten gibt es von Immobilienmakler Remax: Demnach war ein Einfamilienhaus im Jahr 2022 im Mittel laut Grundbuchdaten 352.000 Euro wert in Österreich. Um von der Millionärssteuer betroffen zu sein, ist das also noch für die meisten ein weiter Weg.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger stellte zu ihrem Tweet klar, dass sie keineswegs der Ansicht sei, dass eine Millionärssteuer die Mittelschicht treffe. Was sie aber zum Ausdruck bringen wollte, war, dass sich die SPÖ lieber darum kümmern sollte, dass der Aufbau von Vermögen für die Mittelschicht wieder funktioniert, statt sich über neue, populistische Steuern Gedanken zu machen. (András Szigetvari, 14.6.2023)