"So viel Verkehr wie heute habe ich hier noch nie erlebt." Eine ältere Dame in sportlicher Karobluse beobachtet kopfschüttelnd, wie sich ein Auto nach dem anderen an ihr vorbei Richtung Kika schiebt. Es ist kurz nach neun Uhr morgens in Eisenstadt, und der Parkplatz vor dem Möbelhaus ist gerammelt voll.

Am Samstag soll es noch turbulenter zugegangen sein, berichteten ihr Freunde. "Zweieinhalb Stunden mussten die sich vor den Kassen anstellen. In tausend Jahren würde ich mir das nicht antun." Gekommen ist die Burgenländerin an einem Dienstag, um das eine oder andere günstige Einrichtungsteil zu erstehen.

Schlange stehen im Möbelhaus. Kunden lösen Gutscheine ein, hoffen auf Schnäppchen. Konsumentenschützer raten von Anzahlungen ab.
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Nicht, dass sie etwas bräuchte – "außer vielleicht ein Handtuch, das ich zu den anderen 45 lege. Aber wer schaut sich nicht gern nach kleinen Schnäppchen um. Ich will halt auch nichts verpassen." In ihrem Alter habe man für so etwas Zeit, fügt sie entschuldigend hinzu – und beeilt sich, den Eingang der Filiale zu erreichen.

Eine andere betagte Pensionistin war trotz zweier Krücken schneller. Sie habe noch ein Guthaben bei Kika, murmelt sie im Vorbeihasten. "Denen schenk ich sicher nichts."

"Zuckerln behalten"

Mit "denen" meint sie zum einen René Benko, zum anderen Hermann Wieser. Der alte wie der neue Eigentümer von Kika/Leiner sind vor den Toren der Handelskette schlecht angeschrieben. "Wenn ich ihn nur sehe, diesen Benko, stellt es mir schon alle Haare auf", macht ein rüstiger Herr seinem Ärger über den Investor Luft, ehe er auf das Möbelhaus zustrebt. Die Zuckerln habe sich "der Benko" behalten, meint er und erinnert an das Luxuskaufhaus Lamarr, das der Tiroler an einem früheren Leiner-Standort in Wien baut.

Den Scherm auf habe der Steuerzahler, mit dessen Geldern die Insolvenz abgewickelt werde. Von Millionen an Förderungen, die das Unternehmen während der Corona-Krise kassierte, wolle er gar nicht reden.

"Einen insolventen Betrieb verkaufen – kein kleiner Unternehmer kann sich das leisten. Aber die Großen richten’s sich, schauen, dass sie zu ihrem Geld kommen, und sitzen mit der Politik in einem Boot", poltert ein Eisenstädter, der sich nach ein paar günstigen Angeboten umsieht. Er sei selbst Unternehmer gewesen. Er wisse, wovon er rede.

"Hilfen zurückzahlen"

"Gehört uns diese ganze Einrichtungsburg hier jetzt?", fragt ein Wiener sarkastisch. Er ist zum Flanieren nach Eisenstadt gekommen und gibt sich als pensionierter Gewerkschafter zu erkennen. Alle Covid-Hilfen gehörten zurückgezahlt, fordert er. Dass nun die Finanzprokuratur die Pleite prüfe, sei wichtig. Dass dabei viel herauskommt, bezweifelt er.

Seine Frau betrachtet die Kika-Filiale mit Wehmut. Sie seien immer gerne zum Einkaufen raus aus Wien gefahren, sagt sie. "Weil die Mitarbeiter hier freundlicher und zuvorkommender sind. Da versteckt sich keiner, wenn man Beratung sucht."

Kika Eisenstadt ist einer von 23 Standorten, der zusperrt. Sechs Jahre ist es her, dass das Gebäude um 5,5 Millionen Euro renoviert wurde. Der Fußballer David Alaba wurde als Publikumsmagnet zur Eröffnungsfeier geladen. Wer kam, konnte Flüge mit dem Hubschrauber über Eisenstadt gewinnen. Finanziell tief in der Bredouille steckte der Handelskonzern freilich schon damals.

Weniger Vielfalt

Beim Rivalen XXXLutz seien immer ein bisserl mehr Kunden gewesen, glaubt ein junges Paar, das dem Kika in ihrer Stadt einen letzten Besuch abstatten will. Offenbar sei da operativ etwas verschlafen worden.

Ein Loch reißt die Schließung aus ihrer Sicht dennoch. Immer wieder hätten sie hier Kleinigkeiten gefunden, die es anderswo nicht gab. In Zukunft bleibe einem nur noch der Weg zu einem Lutz oder Ikea. "Können S’ sich noch an den Michelfeit erinnern? Das war eine Institution", wirft ein Herr mit schwarzem Sonnenkapperl ein. "Aber die Zeiten ändern sich. Da drüben war der Konsum", ergänzt er und zeigt quer über den Parkplatz. "Dann kam der Merkur, jetzt heißt alles nur noch Billa."

Frage der Perspektiven

Ihre ganze erste Wohnung habe sie mit dem Eisenstädter Kika eingerichtet, sinniert eine Stammkundin, nachdem sie Einkäufe in ihrem Kofferraum verstaut hat. Sie sei oft hier gewesen, auch wegen des guten Essens. Leidtun würden ihr aber vor allem die 1900 Beschäftigten, die ihre Jobs verlieren. Zwar sei vielen neue Arbeit versprochen worden: "Doch welche Perspektiven hat jemand wirklich, der über 50 ist?"

Im Möbelhaus selbst werden die Schlangen vor den Kassen langsam, aber stetig länger. Securitypersonal in gelben Westen flankiert den Eingang. Das Personal ist streng dazu angehalten, nicht mit Journalisten zu reden. Dass der Standort aufgelassen wird, erfuhr es aus den Medien.

"Was sollen wir kleinen Angestellten denn schon machen", sagt eine Verkäuferin lakonisch. "Die da oben kassieren, und wir müssen sehen, wie wir zurechtkommen." (Verena Kainrath, 14.6.2023)