"Let Women Speak" heißt die Veranstaltung – und gesprochen wurde vor allem gegen die Rechte von Transmenschen: Am Samstag demonstrierten rund 40 Menschen im Votivpark gegen Transrechte. Zu Wort kam dort unter anderem eine bekannte Antitransaktivistin. Gesprochen hat dort auch die grüne Nationalratsabgeordnete Faika El-Nagashi. "Ich werde eure Beiträge und Bedenken in meine Partei tragen", sagte sie.

Innerhalb der Partei sorgt dies nun für Aufregung: Die grüne Wiener Gemeinderätin und Landtagsabgeordnete Viktoria Spielmann verwies als Reaktion auf Twitter auf das Grundsatzprogramm der Grünen. Dieses verankert die Rechte von Transmenschen und ihre Selbstbestimmung ausdrücklich. Aus grünen Kreisen ist zu hören, dass bereits innerparteiliche Konsequenzen gefordert würden.

Rufe nach Parteiausschluss

El-Nagashi hat sich seit dem vergangenen Jahr schon mehrfach transfeindlich geäußert, was für Irritationen innerhalb der Partei sorgte. Bisher lautete der Tenor, dass sie als Sprecherin für Integration und Diversität weder mit LGBTQI+-Themen noch mit Frauenthemen betraut ist. Sie könne zwar von einer grünen Position abrücken, sollte dies aber nicht zum Markenzeichen im öffentlichen Diskurs machen.

Mit dem aktuellsten Auftritt sei eine rote Linie überschritten worden, heißt es aus Parteikreisen. So hätten mehrere Grüne ihren Ausschluss aus der Partei gewünscht. Eine Debatte im Klub werde jedenfalls stattfinden. Ein Ausschluss wäre grundsätzlich möglich, wenn ein Parteimitglied sich kontinuierlich öffentlich parteischädigend verhält.

Frauen in Angst um "Reputation"

El-Nagashi verteidigte am Montag ihre Teilnahme bei der Antitransdemo ebenfalls auf Twitter, indem sie den Inhalt ihrer Rede wiedergab. In dieser beklagte sie, dass sie als "Menschenfeindin" diffamiert worden sei. Auf die Vorwürfe, dass die britische Antitransaktivistin Kellie-Jay Keen alias Posie Parker, die an der Veranstaltung teilnahm, massiv transfeindliche Positionen vertrete, ging El-Nagashi nur indirekt ein, sie teile aber viele der "Ansichten und Zugänge von Parker nicht".

Sie behauptete, zahlreiche Frauen hätten Angst gehabt, zu der Veranstaltung zu kommen, sie hätten Furcht um ihre "Reputation" und um "berufliche Perspektiven". Es gehe nicht um Posie Parker, sondern um "die Komplexität einer Debatte". Für eine Stellungnahme war sie bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen.

Die Rede der Antitransaktivistin Kellie-Jay Keen alias Posie Parker rief auch bei einem Auftritt in Genf Kritiker auf den Plan.
Foto: AFP / Fabrice Coffrini

Männer als Frauen im Parlament?

Die Organisatorin der Veranstaltung, Donna Krasniqi, hatte die SPÖ bei der Kundgebung scharf angegriffen. Diese würde Transmenschen – Krasniqi bezeichnet sie als Männer, die behaupten würden, Frauen zu sein – erlauben, mit dem Geschlecht, mit dem sie sich identifizieren, "über die Frauenquote in das Parlament einzuziehen".

Auf Twitter griff sie mehrfach Transpersonen an und adressierte sie mit ihrem Deadname, also dem Namen, den sie vor ihrer Transition (Geschlechtsangleichung, Anm.) hatten. Krasniqi ist SPÖ-Mitglied und arbeitet als Medienmitarbeiterin in einem Stadtratbüro in Wien.

Sie habe Kelly-Jay Keen alias Posie Parker auf eigene Faust kontaktiert und nach Wien eingeladen, sagt Krasniqi dem STANDARD. Teile der Kosten seien von Keens internationaler Gruppe "Let Women Speak" rückwirkend bezahlt worden.

Wiener SPÖ-Frauen: Sind "inklusiv"

Die SPÖ habe mit Parkers Auftritt und dem Drumherum also nichts zu tun gehabt. Die im Votivpark vertretenen Inhalte jedoch sollten die Partei durchaus interessieren: "Die SPÖ kann eine genderkritische Gruppe vertragen – so wie die Grünen übrigens auch", sagt Krasniqi. Die Infragestellung ihrer Positionen lehnt sie ab: "Wir müssen uns als Gesellschaft überlegen, warum es nicht möglich sein soll, die Transition von Kindern zu kritisieren."

In der Wiener SPÖ sieht das Frauensekretärin Sara Costa anders: "Die SPÖ-Frauen sind eine inklusive Organisation. Transfrauen sind ein Teil von uns, und zwar schon seit vielen Jahren", sagt sie. Krasniqis Aktivitäten seien deren Privatsache.

Dreh- und Angelpunkt der Veranstaltung im Votivpark war Posie Parker. Die Aktivistin tourt regelmäßig durch Städte weltweit, um Antitranskundgebungen zu veranstalten. Bei diesen sogenannten Let-Women-Speak-Events dürfen Frauen frei zu Wort kommen – vorausgesetzt, ihre Geschlechtsidentität stimmt mit ihrem bei der Geburt eingetragenen Geschlecht überein.

"Keine Frau hat einen Penis"

Auch bei der Kundgebung in Wien äußerte sich Parker mehrfach transfeindlich, etwa rief sie – gemeinsam mit Krasniqi – auf Deutsch: "Keine Frau hat einen Penis!"

Eine differenzierte Debatte, wie sie El-Nagashi fordert, liefert Parker nicht: Ihre Positionen bewegen sich zwischen klar homofeindlich hier und angeblicher Unterstützung für homosexuelle Menschen dort; zwischen plumpen "For Women"-Slogans und antifeministischen Positionen.

Im Widerspruch zu ihrem Image als Frauenrechtlerin steht, dass sie leistbare Kinderbetreuung ablehnt – denn die meisten Frauen würden bei ihren Babys und kleinen Kindern bleiben wollen. Auch innerhalb des transfeindlichen Aktivismus gilt sie als umstritten, da sie sich von Rechtsradikalen nicht distanziert: So zeigte sie sich auch mit dem kanadischen White Supremacist und Alt-Right-Kommentator Jean-François Gariépy in einem gemeinsamen Gespräch. (Muzayen Al-Youssef, Irene Brickner, Beate Hausbichler, 13.6.2023 

Der Artikel wurde am 14.6.2023 um 10 Uhr um die Information ergänzt, dass Donna Krasniqi als Medienmitarbeiterin in einem Stadtratbüro in Wien arbeitet.