In den letzten Jahren haben sich Tablets immer mehr vom reinen Medienkonsumgerät zum Werkzeug für Produktivität und Kreativität gemausert. Dieser Trend – wesentlich angestoßen von Apple – ist auch an kleineren Herstellern nicht vorübergegangen.

Einer von ihnen ist Blackview. Der Hersteller aus Shenzhen ist vorwiegend bekannt für Outdoor-Smartphones, vertreibt seit einiger Zeit aber auch Tablets. Sein neuestes Modell nennt sich Tab 16 und soll dank inkludiertem Stift und Verwendungsmöglichkeit im "PC-Modus" ebenfalls mehrere Nutzungsszenarien abdecken. Mit einem recht großen Display, LTE-Unterstützung sowie beigelegtem Stift lockt es zudem als potenzielles Schnäppchen im Preisbereich von etwa 180 Euro. Ob es das auch wirklich ist, hat DER STANDARD im Test herausgefunden.

Basics

Wenig überraschend wird die Front des gut verarbeiteten Geräts vorwiegend vom Bildschirm eingenommen, der es auf eine Diagonale von 11 Zoll bringt. Es handelt sich um ein IPS-Panel, das eine Auflösung von 2.000 x 1.200 Pixel mitbringt. Die Farbdarstellung ist gut, wenn auch natürlich nicht auf Niveau von AMOLED-Panels. Die maximale Helligkeit dürfte gerne höher sein, denn für den Outdoor-Gebrauch ist das Tablet nur begrenzt geeignet. Für den Preis ist das Gebotene aber mehr als vertretbar.

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Die Maße liegen bei 260,1 x 164,7 x 8 Millimetern. Mit 533 Gramm Gewicht ist das Tab 16 für seine Größe sogar eher leicht. Auf der linken Seite (im Landscape-Modus) befinden sich drei Buttons für Lautstärke sowie Ein- und Ausschalten. Etwas darunter findet man den USB-C-Port für Datenübertragung und das Aufladen des Akkus. Oben und unten sitzen zudem jeweils zwei Ausgabeöffnungen für das Stereo-Lautsprechersystem.

In puncto Akustik muss sich dieses nicht verstecken. Einen guten Lautsprecher kann das Tablet nicht ersetzen, die Beschallung klingt aber absolut passabel für diese Geräteklasse. Auf die höchste Stufe sollte man den Sound aber nicht drehen, andernfalls erntet man deutliches "Scheppern" bei höheren Tonfrequenzen und merklich undeutlicheren Klang.

Die Ränder des Tablets sind einigermaßen "kantig", das Tablet könnte besser in der Hand liegen. Im Lieferumfang ist allerdings eine Hülle, die dieses Problem löst. Sie bietet eine Bildschirmabdeckung, die sich zu einem Standfuß falten lässt. Ebenfalls mit dabei ist ein eigenwilliger Zeichen-/Eingabestift mit verbreiteter Auflage für die Spitze. Mit etwas Eingewöhnung lässt er sich zwar gut nützen, ist aber im Endeffekt auch nur eine feinere Alternative zur Verwendung des Fingers. Unterstützung für "aktive" Stifte bzw. ein Panel mit Druckstufen bringt das Tab 16 nicht mit. Wer Videostreaming-Plattformen nutzt, darf sich über Widevine-L1-Support freuen, der Inhalte von Netflix und Co in hoher Auflösung "freischaltet".

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Geworben wird dafür mit guter Kommunikationsausstattung. Ins Netz kommt man wahlweise per WLAN, allerdings maximal über den Wifi-5-Standard (802.11ac), oder per LTE, sofern man eine passende SIM-Karte einsteckt. Blackview weist darauf hin, dass die unterstützten Frequenzen vor allem Europa und Asien abdecken, 4G aber außerhalb davon nur begrenzt nutzbar ist.

Drahtloses Equipment – dazu zählt auch eine optional erstehbare Bluetooth-Tastatur des Herstellers mit integriertem Touchpad – wird mit Bluetooth 5.0 angebunden. GPS ist vorhanden, NFC-Support jedoch nicht. Eingespart wurde zudem der 3,5-mm-Klinkenanschluss für Kopfhörer und Lautsprecher.

Der verbaute Akku ist mit 7.680 mAh recht üppig. Angetrieben wird das Gerät vom Unisoc-Tiger-T616-Prozessor, der ursprünglich Ende 2019 vorgestellt wurde. Ihm wurden 8 GB RAM zur Seite gestellt, der Onboardspeicher beläuft sich – je nach Variante – auf 128 oder 256 GB.

Performance

Nach heutigen Standards ist die elektronische Großkatze als Einsteigerhardware einzustufen, und das zeigen auch Benchmarks mit Geekbench und 3DMark. Letzterer ruckelt sich mit durchschnittlich 2,8 Frames pro Sekunde durch den mittelmäßig anspruchsvollen "Wild Life"-Durchlauf. In der Praxis ist das Tablet auch nicht für 3D-Grafik-lastige Games geeignet. Übliche "Causal"-Titel mit einfacherer Darstellung laufen in der Regel flüssig.

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Das Leistungsdefizit schlägt sich allerdings nicht nur bei anspruchsvolleren Apps nieder. Auch das vorinstallierte "Doke OS" auf Basis des nicht mehr taufrischen Android 12 reagiert immer wieder einmal schwerfällig, und das Starten von Programmen dauert insbesondere bei stärkerem Multitasking gerne ein paar Sekunden.

Das ist nicht allein dem schwachbrüstigen Prozessor geschuldet, sondern auch dem Umstand, dass sich Blackview für den vergleichsweise langsamen und nicht zu gleichzeitigem Lese- und Schreibzugriff befähigten eMMC-5.1-Speicher anstelle des moderneren Universal Flash Storage (UFS) entschieden hat. Damit wird auch die an sich üppige RAM-Ausstattung etwas entwertet. Dass das System bis zu 6 GB des Onboardspeichers als Erweiterung des Arbeitsspeichers heranziehen kann, wird bei dieser Hardwarekonstellation zu einem sinnlosen Feature.

Software

Nicht sinnlos, aber etwas schlampig umgesetzt ist der "PC-Modus". Dieser bietet recht gutes Fenstermanagement, reduziert aber die Navigationstasten auf eine winzige Leiste. Das ist ein Problem, da in dieser Oberfläche die Gestennavigation nicht funktioniert. Die Darstellung von Benachrichtigungen ist seitlich etwas abgeschnitten. Unverständlich ist, warum der Wechsel zum PC-Modus oder zurück in die Tabletansicht mit dem Schließen sämtlicher laufender Apps verbunden ist. Andere Hersteller schaffen es ja auch, offene Programme in die andere Oberfläche zu "überführen".

Ansonsten ist "Doke OS" eine in Sachen Oberfläche recht "saubere" Android-Variante. Allerdings sind ein paar Apps des Typs Bloatware vorinstalliert, darunter zweifelhafte Free2Play-Games wie "Toy Crush Fever" und ein News-Aggregator namens "POQ", der Fehlermeldungen auf Mandarin ausspuckt. Immerhin: Die unerwünschte Beifracht lässt sich ohne Probleme deinstallieren.

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Gemäß vollständigen Systemscans mit zwei bekannteren Antivirus-Apps scheint zumindest keine Malware mitgeliefert zu werden. Ein Paradebeispiel für Sicherheit ist das Tab 16 dennoch nicht. Denn trotz mehrerer Anfragen über drei Wochen beantwortete Blackview die üblichen Fragen zur Update-Politik nicht – nämlich ob und wie viele Android-Updates es geben soll und wie lange man Sicherheitsupdates bereitstellen will.

Die Antwort ist  leicht zu erraten, denn das Testgerät lief ab Werk mit einem Sicherheitspatch-Level von September 2022 und erhielt über den circa einmonatigen Nutzungszeitraum auch keinerlei Aktualisierung. Bisherige Erfahrung mit Blackview-Geräten lehrt, dass Android-Versionsupdates extrem selten angeboten werden und manche Geräte ein bis zwei Patches zur Behebung gröberer Fehler bekommen, bei denen auch gleich Sicherheitsupdates nachgereicht werden. Viele Smartphones und Tablets erhalten allerdings keinerlei Softwarepflege.

WLAN-Troubles

Jetzt könnte das Tab 16 immer noch eine "solide" Option für Medienkonsum sein, wenn man keine sensiblen Daten hinterlegt. Denn das Display ist passabel und Widevine L1 vorhanden. Wäre da nicht die unzuverlässige WLAN-Verbindung. Die erreichte bei drei verschiedenen Routerkonfigurationen nicht ansatzweise die Übertragungsgeschwindigkeit, die zu erwarten wäre. Die Bandbreiten sind zwar mehr als genug für Full-HD-Videostreams, allerdings bricht die Verbindung unregelmäßig kurz ab, selbst wenn man besten Signalempfang hat. Die Übertragung via LTE ist stabiler, knabbert aber stattdessen stark an der Akkulaufzeit.

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Die Kameraausstattung des Tab 16 ist unspektakulär. Auf der Rückseite befindet sich ein 16-MP-Sensor mit zweifelhaftem "KI"-Branding. Die Aufnahmequalität ist für ein 180-Euro-Tablet akzeptabel. Die Frontkamera liefert 8 Megapixel, und ihre Lieblingsspeise sind feine Details. Bärte und Kopfhaar werden zu einer mäßig strukturierten Fläche. Es gibt aber schlechtere Lösungen für Videochats. Auch hier kann man angesichts des Preispunkts ein Auge zudrücken.

Eine klare Stärke des Blackview Tab 16 – sofern man nicht auf die 4G-Verbindung angewiesen ist – ist seine Akkulaufzeit. Die wird natürlich von der wenig leistungsstarken Hardware begünstigt. Die vom Hersteller angegebenen "bis zu 18 Stunden" Nutzungszeit sind in der Realität zwar nicht ganz erreichbar, zwölf bis 15 Stunden sind mit Lesen, Musikhören und gelegentlichen Videos aber in Schlagdistanz.

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Fazit

Es ist irgendwie schade. An sich punktet das Blackview Tab 16 bei jenen drei Eckpfeilern, die für ein Tablet besonders wichtig sind. Es hat ein gutes Display nebst Widevine-L1-Support, eine passable Akustik und bringt einen großen Akku mit langer Laufzeit mit. Das unterdurchschnittliche Kameraequipment ist zumindest kein Beinbruch bei diesem Preispunkt, der Stift eine nette Beigabe und der PC-Modus trotz Schwächen eine sinnvolle Ergänzung.

Das hilft aber wenig, wenn die Hardware darunter nicht ansatzweise mithält. Die Kombination aus Low-End-Chip und langsamem Speicher macht Multitasking und anspruchsvollere Tätigkeiten zu einer Ruckelpartie, und selbst das Android-System selbst reagiert oft mit Verzögerungen. Kombiniert mit WLAN-Problemen, der alternden Android-Version und dem praktisch nicht vorhandenen Softwaresupport muss von der Anschaffung des Tab 16 klar abgeraten werden. (Georg Pichler, 17.6.2023)

Testfotos

Tageslicht
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Abend
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Frontkamera (gemischte Lichtsituation)
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