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Die großzügigen Steueraufschübe für Kika/Leiner dürften für den Staat eine Einbahnstraße geworden sein.
APA/EVA MANHART

Alles musste schnell gehen, als die Regierung im März 2020 den ersten landesweiten Lockdown über Österreich verhängte. Geschäfte, Sportanlagen und Parks wurden geschlossen. Um eine Wirtschaftskrise mit hunderttausenden Arbeitslosen zu verhindern, griff der Staat Unternehmen großzügig unter die Arme: nicht nur über direkte Förderungen, sondern auch indem er Steuern stundete – also den Unternehmen bei der Bezahlung einen vorübergehenden Aufschub gewährte.

Wie der Fall Kika/Leiner zeigt, könnten diese eilig vergebenen Steueraufschübe für den Staat nun besonders teuer werden. Die Republik hat sich die offenen Forderungen gegen das strauchelnde Unternehmen Kika/Leiner nämlich offenbar nicht sichern lassen, etwa mit Grundstücken oder Haftungen der Eigentümer, die – sollte das Unternehmen selbst nicht bezahlen können – einspringen. Damit bleibt der Republik aller Voraussicht nach im Insolvenzverfahren nur eine Quote von 20 Prozent – und zig Millionen Euro an aufgeschobenen Steuereinnahmen sind endgültig verloren.

Aufschübe sind üblich

Steuerstundungen sind an sich nichts Unübliches, sie sind allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, erklärt Steuerberaterin und Rechtsanwältin Caroline Toifl. Durch die Stundung darf unter normalen Bedingungen nicht die Gefahr entstehen, dass die Steuereinnahmen verloren gehen, was Steuerpflichtige bei ihrem Antrag berücksichtigen müssen.

Möglich sind in der "normalen" Praxis deshalb Sicherheitsleistungen, die garantieren sollen, dass der Staat tatsächlich zu seinem Geld kommt – vor allem bei hohen Steuerbeträgen. Denkbar ist etwa eine Absicherung der Republik über Grundstücke oder eine Haftung der Muttergesellschaft, also der Eigentümerin. "Dieses Besicherungsrecht ist für den Staat an sich sehr leicht durchsetzbar", sagt Toifl.

Besicherung nicht verpflichtend

Im Fall der Pandemiestundungen, die hauptsächlich ab 2020 in der Ära von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) vergeben wurden, war in der Praxis freilich vieles anders: Innerhalb kürzester Zeit langten bei den Finanzämtern tausende Stundungsanträge ein. Die genaue Prüfung jedes einzelnen davon war schon aus Zeitgründen nicht möglich. Auch Sicherheitsleistungen an den Staat waren in dieser Phase nicht üblich, sagt Franz Althuber, Rechtsanwalt für Steuerrecht.

Voraussetzung für die Stundungen war zwar, dass die betroffenen Unternehmen aufgrund der Corona-Krise Liquiditätsengpässe hatten. Von den Finanzämtern wurde das aber weit interpretiert: Eine Mitteilung des Ministeriums an die Unterbehörden stellte schon im März 2020 klar, dass die Stundungen gewährt werden sollen, wenn Unternehmen Engpässe haben. Dass die Gefahr besteht, dass die Steuereinnahmen verloren gehen, wurde aufgrund der Krisensituation vom Nationalrat zumindest bis Mitte 2021 in Kauf genommen. Und verpflichtend sind Besicherungen bei Steuerstundungen jedenfalls nicht, sagt Thomas Bieber, Professor für Steuerrecht an der JKU Linz.

Manch Beobachter fragt sich dennoch, warum bei Unternehmen wie Kika/Leiner, deren schlechte finanzielle Situation bekannt war, keine Sicherheitsleistungen verlangt wurden. Wie berichtet machte der Handelskonzern in vier Jahren rund 100 Millionen Euro Verlust. In der Privatwirtschaft wäre es bei hohen Kreditbeträgen freilich Standard, dass sich Kreditgeber wie Banken oder Geschäftspartner absichern.

Keine Auskunft zu Steuern

Insgesamt sind im Insolvenzverfahren mehr als 132 Millionen Euro an ungesicherten Forderungen gegen Kika/Leiner offen. Wie berichtet sollen davon rund 40 Millionen auf aufgeschobene Steuern entfallen. Bestätigen wollen das aber weder das Finanzministerium noch Wolfgang Peschorn, der als Leiter der Finanzprokuratur die Interessen der Republik vertritt.

Peschorn betonte am Montag in der "ZiB 2", dass nun die Steuerbehörden das Unternehmen prüfen. Er geht davon aus, dass "Sachverhalte festgestellt werden, die eher zu Nachforderungen als zu Rückzahlungen führen würden". Zudem werde sich die Finanzprokuratur genau ansehen, ob vom Unternehmen die Voraussetzungen für die Steuerstundungen eingehalten wurden. Das gelte speziell für den Zeitraum ab Mitte 2021, als die Voraussetzungen für die Stundungen strenger wurden und die finanzielle Lage des Unternehmens schlechter.

Auf Anfrage des STANDARD beim Finanzministerium heißt es, dass bei den Stundungen ermöglicht werden sollte, "Anträge schnell und unbürokratisch zu bearbeiten, um den von der Pandemie betroffenen Unternehmen die erforderliche Hilfestellung zu bieten. Unter diesen Umständen erschien das Abverlangen von zusätzlichen Sicherheitsleistung als nicht zweckmäßig und ist daher im COVID-19-Ratenzahlungsmodell nicht vorgesehen."

Auf die Frage, wann und unter welchen Bedingungen die Republik Kika/Leiner Steuerstundungen gewährt hat, gibt es auf Nachfrage des STANDARD keine Auskunft. Vonseiten des Ministeriums heißt es nur: "Konkretes unterliegt der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht gemäß § 48a Bundesabgabenordnung." (Jakob Pflügl, 14.6.2023)