Jo Angerer aus Moskau

Jüngst erst hatte Russlands Präsident Wladimir Putin seinen belarussischen Amtskollegen Alexander Lukaschenko ins sommerliche Sotschi am Schwarzen Meer zitiert. Der reich gedeckte Tisch, der brüderliche Umgang soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, wer das Sagen hat: Putin.

Denn Lukaschenko, der sich an seine Macht klammert, hat sich in vollständige Abhängigkeit von Russland begeben. Nun stationiert Russland Atomwaffen im Nachbarland. Belarus erhält nach der freiwilligen Abgabe seiner Atomwaffen nach dem Ende der Sowjetunion erstmals wieder nukleare Waffen. Stationiert werden Iskander-Raketen, die mit Atomsprengköpfen bestückt werden können. Die Vorrichtungen dafür stünden bereit, so Putin in Sotschi. "Alles läuft also nach Plan, alles ist stabil", erklärte Putin laut einer Mitteilung seines Präsidialamts. "Die Bomben sind dreimal so leistungsstark wie die Bomben in Hiroshima und Nagasaki", sagte wiederum Lukaschenko, der seit 1994 in Belarus herrscht. "Gott bewahre uns davor, diese Waffe einzusetzen.“

Alexander Lukaschenko hat nun russische Atomwaffen in seinem Land.
AP/Belarusian Presidential Press Office

Doch genau damit droht Lukaschenko, ganz im Sinne des russischen Präsidenten. Im Kriegsfall könne er dazu jederzeit Putin anrufen, erklärte Lukaschenko im russischen Staatsfernsehen. "Was soll das für ein Problem sein, so einen Schlag abzustimmen?“ Die Atomwaffen würden gebraucht, um Belarus vor einem Angriff zu schützen. Jetzt sei Belarus nicht mehr angreifbar. Doch die Nuklearraketen sind ausschließlich unter russischer Kontrolle. Laut Lukaschenko sei die Stationierung von Atomwaffen sein Wunsch gewesen. "Zuerst habe ich Putin gefragt. Dann habe ich eindringlich und freundschaftlich gefordert: Geben Sie mir vorerst diese taktischen Waffen zurück und nicht die strategischen Atomwaffen. Es reicht mir", erklärte er.

Vollkommene Abhängigkeit

Zu Anfang kommentierte Lukaschenko die Kämpfe in der Ukraine durchaus manchmal kritisch. Schließlich waren und sind viele Menschen in Belarus mit Russlands "Spezialoperation" im Nachbarland nicht einverstanden. Oppositionelle legten russische Militärzüge lahm, sie nannten sich "Schienenpartisanen", in Anlehnung an die Partisanen im Zweiten Weltkrieg, die gegen die Nazis kämpften. Vereinzelt gibt es im Land nach wie vor Widerstand. Auch wenn die Opposition zerschlagen ist, auch wenn auf "Terrorismus" die Todesstrafe steht. Im Sommer 2020 half Russland Alexander Lukaschenko die Proteste Hunderttausender zu zerschlagen. Der Preis dafür ist nun seine vollkommene Abhängigkeit von Kremlchef Putin.

Der Vorschlaghammer, mit dem Jewgeni Prigoschins Wagner-Kämpfer in der Ukraine Deserteure in den eigenen Reihen brutal bestrafen, ist zum Symbol geworden. Ein entsprechendes Video ging um die Welt. Nunmehr ist ein Vorschlaghammer, signiert von einem Wagner-Kämpfer, als Exponat in einem belarussischen Museum ausgestellt. Ein Symbol dafür, wie man in Minsk mit der Opposition umzugehen gedenkt. "Dabei empören sich nur jene Belarussen laut, die sich in der politischen Emigration befinden. Wer vor Ort ist, schweigt lieber", sagt belarussische Publizist Alexander Klaskowski. (Jo Angerer aus Moskau, 14.6.2023)