New York City, 1979. Als Danny, ein sehr nervöser junger Mann, nach der U-Bahn-Fahrt mit seiner Begleiterin ans Tageslicht kommt, steht er vor der Radio City Music Hall in Midtown Manhattan. Die Straßen sind von Müll gesäumt, eine Tafel verheißt Auftritte von Muddy Waters, Ella Fitzgerald und Abba. Zusammen nehmen Danny und die Frau die Verfolgung eines Mannes auf. Als sich Danny umdreht, spiegelt er sich mehrfach im Konzertposter von Frank Sinatra. Ums Eck an der Rockefeller Plaza zieht er einen Revolver aus einem Papiersack. Weil er zögert, wie in Trance wirkt, nimmt ihm die junge Frau, die ihn ständig zur Tat anstachelt, die Waffe aus der Hand, feuert drauflos und verschwindet. Danny hebt den fallen gelassenen Revolver wieder auf.

Lange Rätselsuche

Ob sich das alles tatsächlich so zugetragen hat, ob hier vielleicht ein Serienmörder am Werk oder vielleicht alles ganz anders war, um diese Fragen dreht sich die Thriller-Serie The Crowded Room zehn Folgen lang. In der Rolle des verdächtigen Danny ist Tom Holland, Star des jüngsten Spider Man-Reboots, zu sehen. Amanda Seyfried spielt Rya, eine junge Frau, die in Gesprächen den Hintergründen für die Tat auf die Spur kommen soll.

Tauchen im Gespräch in die Vergangenheit ein: Amanda Seyfried und Tom Holland in "The Crowded Room".
Apple TV+

Der Weg, den die Serie, zu sehen derzeit auf Apple TV+, dafür einschlägt, hält einiges an Attraktionen wie Frustrationen bereit. Die Liebe zum Detail ist unübersehbar, die Production Values sind hoch. Das "dirty old New York" der späten 1970er-Jahre wurde mit größtmöglicher Akribie in Szene gesetzt.

Die eigentliche Erzählung taucht zunächst in Dannys Kindheit ein, wartet immer wieder mit neuen Versionen auf, stellt das Bisherige infrage. Den Rahmen dafür bilden die Gespräche von Danny und Rya, die getreu einem Film-noir-Prinzip die Rückblenden initiieren. Es dauert allerdings lange, nämlich bis zur sechsten Folge, bis ausgesprochen wird, warum hier ausgerechnet Rya als Gesprächspartnerin zum Einsatz kommt und die Erinnerungen nicht sehr verlässlich sind. Bevor sich Rya zur Verteidigerin aufschwingt und die Serie in die Gänge kommt, wurden die Verdachtsmomente schon vielfach umkreist.

Spoiler-Embargo

Die Macher der Serie haben um ein ungewöhnlich weitreichendes Spoiler-Embargo gebeten, das es, beim Wort genommen, fast unmöglich macht, den Inhalt zu beschreiben. Das mag vom Misstrauen in die Konstruktion der Serie zeugen. Umso mehr als Apple einen entscheidenden Hinweis zum vermeintlichen "Geheimnis" schon im Vorfeld mehrfach selbst serviert hat: The Crowded Room ist von einem Sachbuch, The Minds of Billy Milligan von Daniel Keyes, inspiriert.

Kreiert wurde die Serie von Akiva Goldsman, der nicht nur Star Trek -Ableger mitentwickelte, sondern auch für sein Drehbuch für A Beautiful Mind einen Oscar kassierte. Mehrere Folgen von The Crowded Room wurden vom in Österreich durch seine Theaterarbeiten bekannten ungarischen Regisseur Kornél Mundruczó inszeniert. Die Intensität, wie sie etwa Mundruczós Ehedrama Pieces of a Woman auszeichnet, wird man hier indessen vergeblich suchen. Auf der glatten Serienoberfläche verschwimmt jegliche Handschrift.

The Crowded Room — Official Trailer | Apple TV+
Apple TV

The Crowded Room wird nicht stringenter, wenn man möglichst wenig über die Serie weiß. Unter der Geheimnistuerei werden im Gegenteil auch Beobachtungen zum US-Gesundheits- und -Sozialsystem begraben, die es durchaus verdienten, beachtet zu werden. Vor allem leidet The Crowded Room daran, dass eine Geschichte, die in einem Spielfilm gut aufgehoben wäre, angereichert um alle erdenklichen Klischees zur Geduldsprobe ausgewalzt wird. Holland und Seyfried verfangen sich in einem Strudel aus Thriller, Coming-of-Age-Story, Gerichts- und Melodrama. Eines bringt die mit hohem Geld- und Talenteinsatz auf maximale Attraktivität polierte Produktion auf den Punkt: wie nahe Glanz und Elend in der Streamingwelt beieinanderliegen. (Karl Gedlicka, 15.6.2023)