Etwa 850 Kinder besuchen regelmäßig die 33 Klassen der ukrainischen Samstagsschule, die im Akademischen Gymnasium in Wien untergekommen ist. Abseits vom Schulbetrieb kam kürzlich Besuch: Kaiserenkel Karl Habsburg stand im Festsaal zunächst den Kindern und dann dem STANDARD Rede und Antwort.

STANDARD: Warum sind Sie hier?

Habsburg: Weil ich eingeladen wurde. Es gibt historische Bezüge meiner Familie zur Ukraine, aber auch später hat sich da ja einiges entwickelt. Jedenfalls bin ich dieser Einladung sehr gerne nachgekommen.

STANDARD: Entwickelt hat sich zuletzt insbesondere Ihre Tätigkeit als Medienunternehmer in der Ukraine. In Österreich ist das gar nicht so bekannt.

Habsburg: Ich habe im Ausland stets vor allem kommerzielle Radiosender betrieben, das ist ja nicht so interessant. Auch in der Ukraine hat das anfangs relativ gut funktioniert. Aber die politische Situation dort hat sich inzwischen so grundlegend geändert, dass ich mich anpassen musste. Mein ursprünglicher Schwur, dass ich mein Business immer von meinen politischen Interessen trennen werde, hat nur so lange gehalten, bis es in der Ukraine wirklich zur Sache ging.

Karl Habsburg in einem grünen Sakko.
Zu Beginn des Krieges musste Karl Habsburg viel improvisieren.
Schubert

STANDARD: Von welchem Jahr sprechen wir da? Von 2014, als Russland die Krim annektierte und der Krieg im Donbass begann? Oder von 2022, dem Jahr der Invasion in die gesamte Ukraine?

Habsburg: Von 2014. Es gab damals die Nachfrage nach einem Sender, der dem patriotischen Geist und der Tatsache, dass im Land Krieg herrscht, Rechnung trägt. Den Bezug zu Europa hatten wir schon vorher hergestellt, etwa mit Programmen über Länder der EU. Dann haben wir den Sender neu ausgerichtet, mit viel ukrainischer Musik, und ihn in Kraina FM umbenannt (Kraina bedeutet Land, Anm.), um das Patriotische hervorzuheben. Gleichzeitig war es mir wichtig, nicht nur auf Ukrainisch zu senden, sondern etwa auch Krimtatarisch. Dafür bekam ich Ausnahmegenehmigungen.

STANDARD: Radiowellen machen an Fronten und Grenzen nicht halt. Haben Sie auch in den besetzten Donbass und auf die Krim gesendet?

Habsburg: Frequenzvergabe ist eine nationale Angelegenheit. Nach internationalem Recht konnte Russland legal keine Lizenzen auf der Krim haben. Die hat die Ukraine besessen, und ich habe sie bespielt: die Lizenzen für die Krim und auch die Lizenzen für den Donbass.

STANDARD: Wie hat die Invasion von 2022 dann Ihren Sendebetrieb geprägt?

Habsburg: Für mich war der Einmarsch keine Überraschung. Wer davon überrascht war, sollte auf keiner politischen Position sitzen. Wir hatten damals schon die gesamte Software auf einen Server in Holland übertragen, damit wir weiter Zugriff darauf haben. Aber wir mussten unser Studio in Kiew verlassen. Das war im elften Stock, ohne Strom und Wasser. Selbst wenn man ein Aggregat hat: Man kann niemandem zumuten, zum Pinkeln elf Stockwerke hinunter- und dann wieder hinaufzulaufen.

STANDARD: Was war die Lösung?

Habsburg: Anfangs sind wir mit zwei Laptops und einem Mikrofon irgendwo im Gebirge in einer Hütte mit Internetanschluss gesessen. Dort haben wir Steppdecken zusammengeknotet, um einen Schallraum zu schaffen, und so haben wir Programm gemacht. Damals dachte ich: Meine Mitarbeiter, die haben es wirklich drauf, das hat mich begeistert. Ich glaube, seit dem Einmarsch vom Februar vergangenen Jahres habe ich nur vier Stunden lang nicht gesendet. Mittlerweile hat sich die Situation stabilisiert.

STANDARD: Wie beeinflusst der Krieg die Inhalte Ihrer Sendungen?

Habsburg: Wir senden auch militärische Nachrichten, etwa darüber, wo man sich bewegen kann. In einem Frontabschnitt haben sich einmal alle Computer ein Virus eingefangen. Wir wurden gefragt, ob wir einen Aufruf senden können, dass dort Laptops benötigt werden. In kurzer Zeit kamen so viele Laptops, dass wir das stoppen mussten. Aber unsere Inhalte sind vielfältig. Wir senden auch Programme für Eltern und Kinder, etwa Ratschläge einer Kinderpsychologin oder Märchen. Kinder brauchen eine Ablenkung vom Kriegsalltag.

STANDARD: Inwiefern ist Ihre Arbeit eingeschränkt? Die Ukraine ist ja mit Russland auch in einem Informationskrieg. Fühlen Sie sich zensuriert?

Habsburg: Klar, man merkt, dass es Einschränkungen gibt. Aber ich behaupte ja gar nicht, dass ich in dem Konflikt unabhängig bin. Ich bin ganz klar aufseiten der Ukraine. Selbstverständlich gibt es eine gewisse Form der Zensur, Anweisungen, was man senden kann und was nicht. Das ist für mich aber eine logische Reaktion. Und sie schränkt mich auch nicht sonderlich ein. Das ist der große Vorteil eines Unterhaltungsformats: Man kann relativ viel hineinpacken, ohne damit Probleme zu bekommen. (Gerald Schubert, 15.6.2023)