Vulkanausbruch
Meist denken wir bei Vulkanen an das typische Bild des feuerspeienden Bergs. Ein Beispiel ist der hier zu sehende Vulkan Mayon auf den Philippinen, der derzeit erhöhte Aktivität zeigt, was bereits zu Evakuierungen führte. Im Gegensatz zu diesem Vulkantyp weisen Supervulkane keinen Kegel auf, sondern weisen immens große Einbruchkessel auf.
IMAGO/Lisa Marie David

Unter Europas Supervulkan, den Phlegräischen Feldern bei Neapel, rumort es bereits seit den 1960er-Jahren. Doch einer aktuellen Forschungsarbeit zufolge zeigen die "brennenden Felder", so die deutsche Übersetzung der Campi Flegrei, einen neuen Aktivitätsschub, der unter Forschenden für Unruhe sorgt. "Unsere Studie bestätigt, dass sich die Campi Flegrei einem Ausbruch nähern", erklärt Christopher Kilburn vom University College London. Er und sein Team behalten den italienischen Supervulkan im Auge und publizierten ihre Einblicke nun im Fachjournal "Communications Earth & Environment". Einige Zonen der Erdkruste über dem Vulkan haben sich beinahe bis zur Bruchgrenze gedehnt und die darüberliegende Kruste geschwächt.

Druckkochtopf im Untergrund

Obgleich der Deckel über den Phlegräischen Feldern Schwäche zeige, sei das noch kein Grund zur Panik, sagt Kilburn. Die Ergebnisse der neuen Forschungsarbeit bedeuteten nicht, "dass eine baldige Eruption garantiert ist". Eine genaue Überwachung, die in Europa bei Vulkanen generell gut gesichert ist, wird aber vonnöten sein: In der Region bei Neapel leben heute mehr als 1,5 Millionen Menschen im Bereich der Phlegräischen Felder oder in unmittelbarer Nähe. Der Supervulkan unter ihren Füßen brach in den vergangenen 60.000 Jahren mit zwei massiven und mehreren kleineren Eruptionen aus. Die Feuerberge der Superlative lassen sich zwischen Ausbrüchen also eher länger Zeit. Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, welche Gefahr von ihnen ausgeht.

Im Gegensatz zu "typischen" Vulkanen wie etwa dem Vesuv bilden Supervulkane keinen Kegel aus. Dafür sind sie schlichtweg zu groß. Stattdessen bilden sie im Fall eines Ausbruchs einen gewaltigen Einbruchkessel – fachsprachlich Caldera genannt. Im Untergrund bestehen Supervulkane aus einer gewaltigen Magmablase, die sich über Jahrtausende hinweg mit Gas anreichert. Dieser Vorgang lässt den Druck im Untergrund wie in einem Schnellkochtopf ansteigen, was das Gebiet über der Magmakammer anhebt und Risse im Deckgestein entstehen lässt. Steigt der Druck durch die Gasanreicherung zu stark, bricht Magma durch das geschwächte Deckgestein. Weltweit existieren rund 20 aktive Supervulkane. 

Supervulkane weltweit
Die weltweit aktiven Supervulkane: Eine Häufung zeigt sich entlang des Pazifischen Feuerrings, der den Vulkangürtel bezeichnet, welcher den Pazifik hufeisenförmig auf einer Länge von rund 40.000 Kilometern umgibt.
Der Standard

Das Jahr ohne Sommer

Die Eruption eines Supervulkans kann auf einen Schlag mehrere Tausend Kubikkilometer Lava und Gestein bis zu 50 Kilometer hoch und mit Überschallgeschwindigkeit in die Stratosphäre schleudern. Die Explosion von Supervulkanen reißt gewaltige Löcher in die Erdkruste. Dabei wird Energie frei, die jener eines Asteroideneinschlags entspricht. Die Wucht eines solchen Ausbruches wird mit dem Vulkanexplosivitätsindex-Wert 8 (VEI-8) und höher beschrieben, teils werden aber auch Eruptionen der Stärke VEI-7 einbezogen. Im Umkreis von mehreren Hundert Kilometern können Lava und Gestein niederregnen. Ausgestoßener Staub wird bei solchen Ausbrüchen um den gesamten Globus getragen. Damit ziehen Supervulkane nicht nur die Natur und Menschen in ihrer direkten Umgebung in Mitleidenschaft, sondern bringen weltweit verheerende Folgen mit sich.

Der letzte Ausbruch eines Vulkans mit VEI-8 ereignete sich in der Region des neuseeländischen Lake Taupō vor etwa 26.500 Jahren. Etwas rezenter ist die Eruption des indonesischen Tambora. Dieser brach im April 1815 in einer gewaltigen Explosion (VEI-7) aus. Siebenmal umkreiste die Druckwelle den Erdball, im 1.260 Kilometer entfernten Java regnete es Asche vom Himmel, das Klima kühlte global für zwei Jahre ab. Der Ausbruch bescherte weiten Teilen der westlichen Hemisphäre 1816 das "Jahr ohne Sommer", dafür mit Hagel, Missernten und der schlimmsten Hungersnot des 19. Jahrhunderts. Da Staub und Asche auch in Luftschichten geschleudert werden, in denen keine Wolkenbildung stattfindet, kann eingetragenes vulkanisches Material nicht durch Niederschlag aus der Atmosphäre entfernt werden. Teils kann es sich dort jahrelang halten und nachwirken.

Langsam tickende Zeitbomben

So verheerend die Folgen auch sind – der Ausbruch eines Supervulkans ist äußerst selten: Er tritt im Schnitt nur alle 100.000 Jahre auf. Bis sich die gigantische unterirdische Magmakammer nach einer Eruption wieder vollständig auffüllt, vergehen Studien zufolge einige hundert bis wenige tausend Jahre. Als bislang heftigster Vulkanausbruch des Quartärs – jenes Zeitabschnitts der Erdgeschichte, der vor etwa 2,6 Millionen Jahren begann und bis heute andauert – gilt die Eruption des indonesischen Toba. Der Vulkanausbruch auf der Insel Sumatra ereignete sich vor rund 74.000 Jahren und erreichte eine errechnete Magnitude von 8,8. Über eine Zeitspanne von etwa zehn Jahren bewirkte der Ausbruch eine globale Temperaturabsenkung.  

In der Wissenschaft ist der Begriff Supervulkan übrigens äußerst umstritten: Zwar wurde er 1948 erstmals von dem Geologen Howell Williams verwendet, doch verwehren sich viele Forschende heute gegen diese Beschreibung. Sie führe in die Irre, schüre Panik und werde zu inflationär verwendet. Treffender wäre die Bezeichnung "Caldera-System", argumentiert etwa das Yellowstone Volcano Observatory in einem Kommentar zum Thema.

See im Yellowstone-Nationalpark
Auch unterhalb des berühmten Yellowstone-Nationalparks schlummert ein Supervulkan. Schätzungen zufolge brach er zuletzt vor 640.000 Jahren aus.
AP/Diane Renkin/National Park Service

Welche Gefahr von den nun wieder aktiver werdenden Phlegräischen Felder ausgeht, ist Fachleuten zufolge nicht konkret abzuschätzen. Robert Supper von Geosphere Austria war selbst bereits mehrmals zu Forschungszwecken in der Region und zeigt sich noch nicht beunruhigt. "Hebungen und Absenkungen des Untergrunds hat es dort immer wieder gegeben", berichtet er im STANDARD-Gespräch. Dass solche Anzeichen einen bevorstehenden Ausbruch ankündigen, sei jedoch keineswegs garantiert. "Wichtig ist in der aktuellen Situation, wachsam zu bleiben und genau zu beobachten", sagt der Experte. 

Panik unbedingt vermeiden

Was im Fall eines tatsächlichen Ausbruchs geschehen würde, will er sich nicht vorstellen, denn: "Dann haben wir in Europa ein großes Problem." Abgesehen von der direkten, lokalen Zerstörung wären die Folgen des Ascheauswurfs in die Atmosphäre auch überregional immens und könnten wie vor rund 200 Jahren für eine kritische Klimaabkühlung sorgen.

Zurzeit sei aber die Idee einer möglichen Eruption das größere Problem, unterstreicht Supper. Wenn in der Region Panik ausbreche, sei mit hunderten Toten zu rechnen. Für den Experten lautet das Gebot der Stunde daher: "Gerüchte vermeiden." Zwar existieren auch Pläne, die Gegend zu evakuieren – teils auch mit Schiffen –, doch die Umsetzung sei fraglich und schwierig. Denn: "Wer verantwortet die Evakuierung einer so dicht besiedelten Region – vor allem, wenn dann nichts passiert?", fragt Supper.

Die Frage sei auch, ab wann Maßnahmen ergriffen werden und ob diese dann noch rechtzeitig in die Wege geleitet werden können. "Das ist eine Situation, die niemand beherrschen kann", sagt er. Die aktuelle Lage zeigt für ihn eine Notwendigkeit und eine Chance gleichermaßen auf: Vulkanausbrüche seien eine selten auftretende Naturgefahr, weshalb verhältnismäßig wenig Finanzmittel in Forschung und Monitoring fließen. "Vielleicht wird nun mehr Geld für die Überwachung zur Verfügung gestellt", hofft er. (Marlene Erhart, 16.6.2023)