Karl Doemens aus Washington

Für die meisten Amerikaner ist der Biotech-Unternehmer Vivek Ramaswamy ein unbeschriebenes Blatt. Mit radikalen Parolen bemüht sich der Sohn indischer Einwanderer derzeit als einer von elf Männern und Frauen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur. Seine Chancen sind bescheiden: In den Umfragen dümpelt er unter drei Prozent. Normalerweise würde jeder Bewerber in so einer Lage den Favoriten attackieren. Doch stattdessen macht der 37-Jährige ein kurioses Wahlkampfversprechen: Er will Donald Trump vor dem Gefängnis bewahren.

Ex-Präsident Donald Trump kann sich derzeit auf seine Basis verlassen.
AP / Andrew Harnik

"Ich verspreche, Trump sofort am 20. Januar 2025 (dem Tag der Amtseinführung des neuen Präsidenten, Anm.) zu begnadigen und die Herrschaft des Rechts wiederherzustellen", proklamierte Ramaswamy am Dienstag vor dem Gerichtsgebäude in Miami. Fernsehwirksam war er zur Eröffnung des Verfahrens gegen den Ex-Präsidenten eigens aus Ohio angereist. Seine Mitbewerber um die Präsidentschaftskandidatur forderte er zur Selbstverpflichtung auf, den heimlichen Parteiführer ebenfalls vor dem Knast zu bewahren. Ansonsten müssten sie "öffentlich erklären, warum sie das nicht tun".

Donald Trump ist wegen eines Verstoßes gegen das Spionagesetz und wegen Justizbehinderung angeklagt. Er hat hunderte teils hochgeheime Regierungsakten aus dem Weißen Haus in seinen Privatclub Mar-a-Lago geschafft und dort ungeschützt in Kisten gelagert, das FBI und das Nationalarchiv getäuscht und sich vor Zeugen mit sensibelsten Angriffsplänen des Pentagon auf den Iran gebrüstet. Bei einer Verurteilung droht ihm eine langjährige Haft.

Als "Law and Order"-Partei hätten die Republikaner noch vor wenigen Jahren in einem solchen Fall für härteste Bestrafung plädiert. Nun machen sie das Gegenteil. Zwar gehen nicht alle ihre Bewerber für das Weiße Haus so weit wie Ramaswamy, der betont, er sei "skeptisch" gegenüber der Anklage und habe "keinerlei Vertrauen" in die Justizbehörden. Doch die erdrückende Mehrheit weigert sich, Trump frontal zu kritisieren.

Nur wenige wagen sich vor

Nur zwei Außenseiter haben dem Ex-Präsidenten die Befähigung für eine Wiederwahl abgesprochen. "Das Verhalten ist unentschuldbar für jeden, der Präsident der Vereinigten Staaten sein will", erklärte Chris Christie, der ehemalige Gouverneur von New Jersey. Und Asa Hutchinson, der frühere Gouverneur von Arkansas, forderte Trump auf, seine Kampagne zu beenden.

Von solcher Klarheit ist der Rest der Bewerbertruppe weit entfernt. Einige – wie Ex-Vizepräsident Mike Pence oder die ehemalige UN-Botschafterin Nikki Haley – rümpfen inzwischen öffentlich zumindest ein bisschen die Nase. Die meisten Anwärter aber schweigen zu der Affäre und attackieren stattdessen die Biden-Regierung, der sie die politisch motivierte Verfolgung eines Opponenten unterstellen.

Das dröhnende Schweigen hat Gründe: Laut einer Umfrage des US-Senders CBS glauben 80 Prozent der Amerikaner, dass der Ex-Präsident die nationale Sicherheit gefährdet hat. Bei den Republikanern aber sind es nur 38 Prozent. Die Beliebtheit des gelernten Reality-TV-Stars im rechten Wählerlager hat durch die Affäre nicht gelitten. Im Gegenteil: In den Tagen seit der Anklage konnte er fast sieben Millionen Dollar an Spenden einsammeln. Drei Viertel der republikanischen Wähler sehen ihn als Opfer einer politischen Kampagne.

"Zwei-Klassen-Justiz"

Mit dieser Klientel will es sich keiner der halbwegs aussichtsreichen Kandidaten verderben. So bescheinigte Haley dem Ex-Präsidenten zwar, "verantwortungslos mit unserer nationalen Sicherheit" umgegangen zu sein, äußerte aber kurz darauf Sympathien für eine Begnadigung. Ex-Vizepräsident Pence immerhin wurde etwas deutlicher: "Ich kann das nicht verteidigen." Eine Begnadigung stellte er nicht in Aussicht: "Entweder vertrauen wir auf das Recht oder nicht."

Umso kräftiger prügelt der Rest der Bewerber auf die angebliche "Zwei-Klassen-Justiz" ein, die Demokraten schone und Republikaner verfolge. "Wenn ich Verschlusssachen mit in meine Wohnung genommen hätte, wäre ich vor ein Kriegsgericht gestellt worden", gab sich Floridas Gouverneur Ron DeSantis, der einst Marineoffizier gewesen war, kämpferisch. Die Attacke war nicht etwa gegen Trump gerichtet. DeSantis sprach über die demokratische Ex-Außenministerin Hillary Clinton. (Karl Doemens aus Washington, 15.6.2023)