Das Schloss Neuschwanstein.
Das Schloss Neuschwanstein.
EPA/ANNA SZILAGYI

Schwangau – Nach dem tödlichen Angriff nahe Schloss Neuschwanstein in Bayern auf zwei Touristinnen hoffen die Ermittler auf zahlreiche Fotos und Videos aus der Umgebung des Tatorts. Diese können auf einem speziellen Portal hochgeladen werden. Auch wenn der mutmaßliche Täter oder die beiden angegriffenen Frauen nur zufällig auf dem Material zu sehen seien, könne dies bei den Ermittlungen helfen. "Wir hoffen, dadurch die Situation vor und nach der Tat weiter aufhellen zu können", sagte ein Polizeisprecher.

DER STANDARD

Die Polizei geht davon aus, dass es viel Material gibt, dass es aber etwas dauert, die Menschen zu erreichen, die am Tattag an Ort und Stelle gewesen sind. Bis Freitagmorgen waren laut einem Sprecher nur etwa ein Dutzend Fotos und Videos eingereicht worden. Diese werte man nun aus.

Die US-amerikanische Nachrichtenagentur Associated Press berichtete über einen US-amerikanischen Augenzeugen, der nach der Festnahme den Mann am Tatort filmte. Das Video zeigt Polizisten mit dem mutmaßlichen Täter. Dieser trägt Jeans, ein blaues T-Shirt, Kappe, Sonnenbrille und Handschellen. AP zitiert den Zeugen, welcher berichtet, der Täter sei ruhig gewesen. "Er hat kein einziges Wort gesagt. Er öffnete seinen Mund nicht, er hat nicht gemurmelt".

Darüber hinaus werteten die Ermittler Spuren vom Tatort aus, sagte der Polizeisprecher. Am Tatort selbst, bei der bei Touristen beliebten Marienbrücke in Schwangau, seien vorerst aber keine weiteren Ermittlungen geplant. Die Brücke und ihre Umgebung wurden demnach schon am Mittwoch kurz nach dem Vorfall wieder für Besucher freigegeben.

Fluchtversuch scheiterte

Nach dem Angriff war ein 30-jähriger Tourist aus den USA festgenommen worden. Seit Donnerstag sitzt er laut Polizei unter anderem wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft. Er wird verdächtigt, die beiden Frauen, 21 und 22 Jahre alt, in die Pöllatschlucht nahe dem Schloss gestoßen zu haben, nachdem er die jüngere der beiden, ebenfalls eine US-Amerikanerin, angegriffen haben soll. Die Ermittler vermuten, dass ein versuchtes Sexualdelikt das Motiv für den Angriff gewesen sein könnte.

Laut Informationen des ZDF waren die beiden Frauen nahe der Marienbrücke unterwegs gewesen, von der aus man einen guten Blick auf das Schloss hat. Dabei sollen sie auf den mutmaßlichen Täter getroffen und mit ihm gemeinsam weitergegangen sein, und zwar in Richtung eines etwas abseits gelegenen Pfades. Dort soll der Täter die 21-Jährige dann angegriffen haben. Ihre Freundin habe ihr zu Hilfe kommen wollen und sei daraufhin von dem Mann als erste in die Schlucht gestoßen worden - ebenso wie kurz darauf die 21-Jährige, die nach Polizeiangaben in der Nacht auf Donnerstag im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen erlag.

Ihre Begleiterin wurde laut einem Polizeisprecher leicht verletzt. Sie habe bei dem Sturz Prellungen und eine Kopfplatzwunde erlitten, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Kempten, Thomas Hörmann, dem Bayerischen Rundfunk (BR24). Sie befinde sich noch im Krankenhaus. "Wann sie entlassen wird, können wir nicht sagen." Beide Frauen sind amerikanische Staatsbürgerinnen.

Haftbefehl erlassen

Der Verdächtige habe sich bei der Vorführung beim Haftrichter zwar geäußert, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Über den Inhalt der Aussage machte er aber zunächst keine Angaben. Der Mann hatte zunächst flüchten können, die Polizei leitete daraufhin eine umfangreiche Fahndung rund um das Schloss ein. Beamte aus mehreren Orten fuhren zum Einsatzort, ein Spürhund und ein Polizeihubschrauber unterstützten die Suche. Der Mann konnte kurze Zeit später in der Nähe festgenommen werden. Er blieb einen Tag in Gewahrsam, ehe am Donnerstag Haftbefehl erlassen wurde.

Das US-Außenministerium erklärte, Kenntnis über den Fall zu haben. Das US-Konsulat in München beobachte die Situation genau und stehe in Kontakt mit den zuständigen Behörden, sagte Sprecher Matthew Miller in Washington. Aus Datenschutzgründen könne er aber keine weiteren Angaben machen. Eine Auslieferung komme derzeit nicht in Betracht, nachdem die deutschen Behörden das Ermittlungsverfahren führten, sagte Hörmann. Im Fall einer Verurteilung sei später eine Überstellung zur Strafvollstreckung denkbar.

Schloss Neuschwanstein zählt zu den berühmtesten und meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Deutschlands. In der Vergangenheit kamen fast eineinhalb Millionen Besucher pro Jahr zu der Sehenswürdigkeit. Im Sommer würden sich im Durchschnitt täglich mehr als 6.000 Besucher durch Räume des Schlosses drängen, berichtete die Bayerische Schlösserverwaltung. (APA, red, 16.6.2023)