"Ich denke immer noch ernsthaft darüber nach, nach Russland zu ziehen", diktierte Österreichs Ex-Außenministerin Karin Kneissl dem Reporter der Tass in die Feder. Ihre Umzugspläne waren der staatlichen russischen Nachrichtenagentur dann doch eine Meldung wert. Schließlich erinnert man sich im Kreml wohl gerne an den Hofknicks und das Tänzchen mit Wladimir Putin auf Kneissls Hochzeitsfeier im August 2018.

Ansonsten waren Kneissls Auftritte auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg wenig erwähnenswert. Laut Programm diskutierte sie etwa mit dem deutschen AfD-Abgeordneten Matthias Moosdorf über die Frage, wie man im Ausland die Position Russlands unterstützen kann.

Wladimir Putin gab sich optimistisch: Staat und Business hätten einen guten Weg eingeschlagen.
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"Souveräne Entwicklung ist die Grundlage einer gerechten Welt", lautete das Hauptthema des diesjährigen Wirtschaftsforums, das am Samstag zu Ende geht. Westliche Industrievertreter waren wenige zu sehen, hochrangige Politiker kamen aus dem postsowjetischen Raum und aus dem von Russland umworbenen Globalen Süden. Journalisten aus den sogenannten "unfreundlichen" Ländern erhielten in diesem Jahr erstmals keine Akkreditierung. Man war unter sich – und wollte zum "Wohl künftiger Generationen" die Kräfte bündeln. Bereits in seiner Begrüßungsrede lobte Russlands Präsident Wladimir Putin die russische Geschäftswelt, die es ermöglicht habe, die schwerwiegenden Folgen der westlichen Sanktionen zu überwinden.

"Zähe Geschäftsleute"

Russische Geschäftsleute seien zäh und überlebensfähig, urteilt auch die renommierte Moskauer Wirtschaftswissenschafterin Natalja Subarewitsch. Zumindest im Alltag sind Engpässe bei der Versorgung jedenfalls nicht zu spüren. Doch um den russischen Staatshaushalt ist es schlecht bestellt. Das Minus in der Kasse ist deutlich größer als ursprünglich veranschlagt. Die Einnahmen aus Öl und Gas, die im vergangenen Jahr noch sprudelten, sind angesichts von EU-Embargo und -Preisdeckel merklich zurückgegangen.

Für das laufende Jahr wird das Geld wohl noch reichen, um die einzelnen Regionen zu finanzieren. Doch vielen nationalen Projekten, mit denen beispielsweise Bildungsangebote und Bauvorhaben finanziert würden, drohe längerfristig das Aus, so Subarewitsch.

Dagegen sprach Putin am Freitag in seiner Rede erneut von einer starken russischen Wirtschaft. "Die Strategie, die Staat und Business gewählt haben, hat funktioniert", sagte er, räumte aber höhere Rüstungsausgaben ein.

Mit Spannung erwartet man am Samstag den Besuch mehrerer hochrangiger afrikanischer Politiker, darunter Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa. Auf ihrer Friedensmission hatte sich die Delegation zuvor in die Ukraine aufgemacht, in Sankt Petersburg ist ein Gespräch mit Putin geplant. Dieser "war und ist für alle Kontakte offen, um mögliche Szenarien zur Lösung des Ukraine-Problems zu besprechen", zitiert die Nachrichtenagentur Interfax Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Umringt waren auch in diesem Jahr die Ausstellungsstände verschiedener Regionen und Branchen auf dem Messegelände. Erstmals stellten sich auch die annektierten Regionen der Ukraine vor. Donezk, Luhansk und Cherson präsentierten sich dabei gemeinsam. Laut dem Internetportal RBC gehe es etwa in Cherson, gerade geplagt von der Staudamm-Überschwemmung, einer Umweltkatastrophe größten Ausmaßes, um das "touristische Potenzial". Am Stand von Saporischschja gab es Süßkirschen aus Melitopol – "Made in Russia", stand auf der Verpackung.

Keine Sehnsucht nach Österreich

Stargast der Ausstellung allerdings war der Eisroboter Monty. Das Gerät kann angeblich Kaffee, Milchshakes, Erfrischungsgetränke und Süßigkeiten zubereiten. Auf dem Wirtschaftsforum servierte Monty allerdings nur Speiseeis. Ob sich auch Karin Kneissl ein Eis gegönnt hat, ist nicht bekannt. Österreich, so zitiert sie die Tass, vermisse sie nicht. Sie lebt im Libanon, fühle sich ein wenig als Französin und ein bisschen als Araberin. Nun also vielleicht Russland. (Jo Angerer, 16.6.2023)