Grenzübergang Jarinje
In den vergangenen Tagen wurde am Grenzübergang Jarinje noch strenger kontrolliert.
REUTERS/OGNEN TEOFILOVSKI

Prishtina/Belgrad - Die Behörden im Kosovo haben eine vor drei Tagen verfügte Grenzsperre für Fahrzeuge und Waren aus Serbien aufgehoben. Dies berichtete das staatliche serbische Fernsehen RTS am Freitagabend. Lastwagen und Pkw aus Serbien würden von den kosovarischen Grenzbeamten zwar verstärkt kontrolliert, aber durchgelassen, hieß es in dem Bericht.

Die Regierung in Prishtina hatte die Grenzsperre für serbische Waren und Fahrzeuge am vergangenen Mittwoch verfügt, weil Serbien zuvor drei kosovarische Polizisten festgenommen hatte. Nach kosovarischer Darstellung waren sie aus dem Kosovo entführt worden. Belgrad behauptete, sie seien nach Serbien eingedrungen.

Die Nato-geführte Schutztruppe KFOR teilte am Freitagabend in Prishtina mit, dass sie nach einer Untersuchung des Vorfalls nicht in der Lage sei festzustellen, ob die Gefangennahme der drei Polizisten auf kosovarischem oder serbischem Staatsgebiet erfolgte. Sie erinnerte beide Seiten daran, dass sie Aktionen ihrer Sicherheitskräfte im grenznahen Bereich mit der KFOR zu koordinieren haben. Dies sei in diesem Fall nicht geschehen.

USA fordert Freilassung

Die KFOR, an der aktuell mehr als 270 österreichische Soldaten beteiligt sind, ist seit 1999 generell für die Sicherheit im Kosovo zuständig. Zwischen Serbien und dem Kosovo schaukeln sich die Spannungen seit Monaten hoch. Beinahe täglich kommt es im fast ausschließlich von Serbinnen und Serben bewohnten Nord-Kosovo zu Zusammenstößen oder zu Gewaltakten gegen Amtspersonen und Journalisten. Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 2008 für unabhängig erklärt. Serbien erkennt dies nicht an und verlangt die Rückgabe seiner ehemaligen Provinz.

Ein Vertreter der US-Regierung hat Serbien aufgefordert, die drei inhaftierten Polizisten aus dem Kosovo freizulassen. Die Beamten hätten die Grenze nicht absichtlich überquert und es sei wahrscheinlich, dass sie aus dem Kosovo entführt worden seien oder "versehentlich die Grenze überquert" hätten, sagte der stellvertretende US-Außenminister Gabriel Escobar.

Ein serbisches Gericht ordnete am Freitag jedoch die weitere Inhaftierung und Untersuchung der drei Polizisten an. Die Staatsanwaltschaft in der südwestlichen serbischen Stadt Kraljevo erklärte, sie habe die drei Polizisten der unerlaubten Herstellung, des Besitzes, des Tragens und des Handels mit Waffen und Sprengstoffen angeklagt. Der Strafrahmen belaufe sich auf eine Haftstrafe zwischen zwei und zwölf Jahren, berichtete der Sender Free Europe. In einer ersten Reaktion hatte Petar Petkovic, Leiter des Regierungsbüros für den Kosovo, am Mittwoch von möglichem Terrorismus gesprochen.

Gegenseitige Anschuldigungen

Nach wie vor streiten Belgrad und Prishtina darüber, wo genau die Polizisten festgenommen wurden. Nach Angaben serbischer Behörden erfolgte die Festnahme auf serbischem Gebiet, 1,8 Kilometer von der Grenze des Kosovo entfernt. Laut dem kosovarischen Premier Albin Kurti wurden sie auf dem Gebiet der nordkosovarischen Gemeinde Leposavic, 1,3 Kilometer von der Grenze entfernt "gekidnappt". Kurti begrüßte die Forderung Escobars. "Serbien hat sie entführt, auf einer Straße im Kosovo, die serbische Schmuggler nutzen", sagte er am Freitag auf einem Dialogforum im nordmazedonischen Seebad Struga am Ohridsee.

Der serbische Präsident Aleksandar Vučić wiederum wies die Vorwürfe zurück und beschuldigte Kurti, den Konflikt anzuheizen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat für nächste Woche Krisengespräche mit Kurti und Vučić einberufen. Kurti wollte sich am Freitag zunächst nicht zu der Einladung äußern.

Escobar warf Kurti "unnötige Eskalation" in einer angespannten Lage vor. Bereits Ende Mai hatten die USA die kosovarischen Streitkräfte von einem gemeinsamen NATO-Manöver ausgeschlossen. Kurti bemühte sich, dies herunterzuspielen. "Wir haben geringfügige Differenzen mit unseren Verbündeten, aber das hat keine großen Folgen", sagte er am Rande des Forums in Struga zur Deutschen Presse-Agentur.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) bedauerte die "unhaltbare Situation" im Norden des Kosovo, wie er am Freitag auf Twitter mitteilte. "Kosovo und Serbien müssen unverzüglich konkrete deeskalierende Maßnahmen ergreifen und den von der EU geförderten Dialog wieder aufnehmen, um die Normalisierung voranzutreiben", betonte Schallenberg.

Weitere Proteste serbischer Minderheit

Inmitten der angespannten Lage demonstrierten am Freitag erneut hunderte Angehörige der serbischen Minderheit gegen die Festnahme eines mutmaßlichen serbischen Milizenchefs demonstriert. Zudem wurden nach Polizeiangaben Blendgranaten auf Polizeiwachen in Mitrovica und Zvecan geschleudert. In der Nacht zuvor waren in der Region bereits zwei Polizeiautos mit Steinen angegriffen worden.

Die Proteste entzündeten sich an der Festnahme des mutmaßlichen serbischen Milizenchefs Milun Milenkovic am Dienstag. Bereits unmittelbar danach hatte es in Mitrovica gewaltsame Zusammenstöße zwischen serbischen Demonstranten und der kosovarischen Polizei gegeben. Die Krisenstadt im Norden des Landes ist geteilt in serbische Viertel nördlich des Ibar-Flusses und einen albanischen Teil im Süden. (APA, red, 17.6.2023)