Pride Parade Wien
Den Anfang bei der diesjährigen Pride-Parade machten wie immer Motorradfahrer.
Foto: Christian Fischer

Peter und Erika, beide 60 Jahre alt und aus dem niederösterreichischen Ybbstal, stehen unter einem Alleebaum am Ring und freuen sich. "Rein zufällig" seien sie beide hier, aber was sie hier erlebten, fänden sie "echt gut", sagt er – nein, er brüllt es gegen die pumpenden Rhythmen aus dem Truck an, der gerade langsam vorbeifährt.

Aus Ungarn kommend und nach Krems fahrend hätten sie im Radio von der heutigen Pride-Parade in Wien gehört, "also simma hergekommen". Die Parade sei einen solchen kleinen Umweg wert.

"It's a free world"

Berührungsängste gegenüber den vielen leichtbekleideten, tanzenden, trinkenden, Pride Flags und Banner mit LGBTIQ-Slogans tragenden Menschen und den von Clubs, Firmen, Wiener Magistratsabteilungen und NGOs gesponserten Trucks sind an ihnen keine zu bemerken. Die Pride-Parade ist auch heuer wieder eine Riesenparty, Peter und Erika sind wie hunderttausend Andere als Zusehende ein Teil davon, während die Kundgebung mit Feierlaune und politischen Anliegen an ihnen vorbeizieht.

Das gilt auch für Hanh, Wien-Besucherin aus Vietnam, die mit ihrem Ehemann, ihrem Bruder und dessen Frau zum Zuschauen gekommen ist. In Vietnam kenne sie eine ganze Reihe Homosexuelle, sagt sie - doch die Zeit für eine Pride-Parade sei dort leider noch nicht gekommen. Die vertretenen Anliegen und die ausgelassene Stimmung findet sie gut: "It's a free world", sagt sie.

Pride Parade Wien
Die Farben und die Forderungen der Transgenderbewegung waren bei der heurigen Parade stark vertreten.
Foto: Christian Fischer

Transgender und Allies stark vertreten

Im Vergleich zu vergangenen Jahren hat sich der inhaltliche Schwerpunkt der alljährlich größten Demonstration Österreichs, die laut Veranstaltern heuer insgesamt 300.000 Menschen anzog, ein wenig verschoben. Die roten, orangenen, gelben, grünen, blauen und lila Streifen der zahlreich mitgeführten Regenbogenfahnen, die für Vielfalt, Stolz und Selbstbehauptung der homosexuellen Bewegung stehen, weisen vielfach ein zusätzliches Dreieck aus hellblauen, rosa und weißen Streifen auf: den Farben der Transgenderbewegung, die sich für das Ende der Diskriminierung von trans-, intersexuellen und nicht binären Menschen einsetzt.

Im Demonstrationszug sind Transpersonen und ihre Allies (Anm.: Unterstützerinnen und Unterstützer) heuer stark vertreten. Etwa durch den "Verein Nicht-Binär" (Venib). Entgegen der vielfach kommerziellen Clubbinganmutung der Pride führen sie handgeschriebene Transparente mit sich, die auf Einschränkungen geschlechtsanpassender Maßnahmen in Österreich und anderen Ländern hinweisen.

Handgemacht sind auch die Banner der russischen LGBTIQ-Community in Wien; einer recht personenstarken Gruppe. Die mitgeführte Slogans sprechen Klartext: "Putin Go Homo" heißt es da zum Beispiel.  Wo sie vorbeikommen, wird ihnen applaudiert.

Pride Parade Wien
Auch die Gruppe "Russians Against War Vienna" nahm an der Demo teil - hier mit einem Slogan gegen den russischen Präsidenten Putin.
Foto: Christian Fischer

Kacerovsky: "Gegen falsche Gesetze angehen"

Der politische Charakter der Wiener Pride-Parade und des zwei Wochen langen begleitenden Kultur- und Diskussionsprogramms dürfe nicht verloren gehen, sagt deren Organisatorin, die Geschäftsführerin der Stonewall GmbH, Katharina Kacerovsky-Strobl. Zwar sei der Werbeeffekt der Pride inzwischen beachtlich, Politiker und Prominente beteiligten sich stark: "Wir arbeiten mit drei Hauptangestellten und vielen Ehrenamtlichen das ganze Jahr". Doch im Kern gehe es wie seit der ersten Wiener Regenbogenparade im Jahr 1996 um die Gleichstellung von LGBTIQ. "Wir haben die Macht, um gegen falsche Gesetze anzugehen". 

Und die queere Community hat hier auch die Chance zu Satire. So etwa Florian und Dominik, die den derzeitigen sanften Linksrutsch politischer Diskurse in Österreich zum Anlass für ihr Pride-Outfit genommen haben. Um Florians Hals baumelt ein Stück Karton: "In meinem Bett bin ich Marxist" steht darauf. Und, zweideutiger: "Man muss nicht alles schlucken. Aber man kann". (Irene Brickner, mae, 17.6.2023)