Mehrere Flugzeuge und Helikopter stehen in Le Bourget am Ausstellungsgelände. Viele Besucher und Besucherinnen sind zu sehen. Das Branchenevent zieht viele Interessierte und naturgemäß das Who's Who der Luftfahrt an.
Die weltgrößte Luftfahrtmesse ist gestartet.
EPA/Christophe Petit Tesson

Die weltgrößte Luftfahrtmesse in Le Bourget bei Paris findet diese Woche Covid-bedingt zum ersten Mal seit 2019 statt. Jetzt ist die schwere Branchenkrise mit ausrangierten und halbleeren Maschinen vorbei: Auch im Langstreckenbereich ist das Passagiervolumen von der Zeit vor der Pandemie wieder erreicht.

Und die Aussichten sind rosiger denn je. Die beiden Marktriesen Airbus und Boeing warteten vor Le Bourget mit sehr ähnlichen Prognosen für die kommenden zwei Jahrzehnte auf. Airbus geht von einem Bedarf von 46.560 Maschinen mit mehr als hundert Sitzplätzen oder für den Frachtverkehr aus. Vor der Covid-Krise hatte der Bestand 22.880 Flugzeuge betragen. Von den 46.560 voraussichtlich bestellten Exemplaren sind über 40.000 neue Modelle – darunter der Star von Le Bourget, der Airbus 321XLR.

Boeing geht in seiner am Sonntag publizierten Prognose sogar von 48.600 Maschinen aus, wobei er allerdings auch gewisse Regionaljets einrechnet. Der US-Hersteller rechnet mit einer engeren Bestuhlung. Ohne sie würde der Bedarf noch stärker steigen, schätzt Boeing.

Was gefragt ist

Gefragt sind vor allem Mittelstreckenjets mit einem einzigen Mittelgang wie der Airbus A320 neo oder Boeing 737 Max. Sie verkaufen sich wie warme Semmeln. Insider warteten am Montag auf dem Flugfeld von Le Bourget im Norden von Paris – wo Ukrainer präsent sind, aber keine Russen – auf neue Rekordbestellungen durch Low-Cost-Anbieter. Airbus kündigte am Montag eine Bestellung von 500 Maschinen der indischen Billigairline Indigo an – ein historischer Rekord für die Luftfahrtbranche. In den Korridoren des protzigen Airbus-Chalets war auch die Rede von einer Order über mehrere hundert Maschinen für Turkish Airlines. Mit Bestellungen von Viva Aerobus (Mexiko) und Qantas (Australien) hofft Airbus bei seinem Heimspiel in Le Bourget stärker noch als bisher in Boeing-Märkte einzudringen.

Airbus-Vorstandschef Guillaume Faury räumt seit langem ein, dass die Verdoppelung der Flugzeugbestellungen nicht ohne Probleme abgehe. Die Kosten für Rohstoffe wie Stahl oder Kompositstoffe steigen, ebenso der Kerosinpreis. Das drückt auf die Margen. Auf einzelne Bauteile warten die Monteure von Airbus und Boeing monatelang, was die Auslieferung der Maschinen verzögert. Zudem herrscht in der Branche eklatanter Fachkräftemangel, was ebenfalls zu Rückständen führt. Airbus bekundet deshalb Mühe, die Kadenzen des Erfolgsmodells A320 neo wie versprochen auf 65 Rollouts pro Monat im nächsten Jahr und auf 75 im Jahr 2026 zu erhöhen.

Kritik am Branchenboom

Noch mehr Sorgen macht den Flugzeugbauern die Kritik von Umweltschützern am neuen Branchenboom. Faury wird nicht müde, die technischen Anstrengungen der Branche für klimaneutrales Fliegen herauszustreichen. So effektiv und gut gemeint sie auch sind: Sämtliche Fortschritte wiegen letztlich weniger als die rasante Zunahme der Flugzeugzahl. Unter dem Strich werden die Emissionen steigen, da die technischen Neuerungen auf sich warten lassen oder wie etwa der nachhaltige Treibstoff SAF (Sustainable Aviation Fuels) nicht in genügender Menge vorhanden ist.

Faury hatte schon anfangs dieses Jahres versprochen, bis 2035 die serienmäßige Produktion eines wasserstoffbetriebenen Mittelstreckenflugzeugs zu lancieren. Auch das französische Institut für aeronautische Forschung (Onera) präsentiert in Le Bourget das Modell eines Flugzeugs, das mit Wasserstoff fliegt. Es heißt "Gullhyver" und fliegt mit zwei Propellern, die an speziell langen, elastischen Flügeln montiert sind. Die hintere Hälfte des Rumpfes ist für den Treibstoff reserviert; trotzdem soll es 200 Passagiere über immerhin 7.000 Kilometer transportieren können. Das Problem ist, dass auch absehbare Zeit nicht genug grüner Wasserstoff zur Verfügung steht. Der Klimaeffekt wird sich deshalb nicht so schnell einstellen. (Stefan Brändle aus Paris, 20.6.2023)