Würden Spiele wie "Diablo 4" künftig im Microsoft Gamepass erscheinen, wäre das sicher ein starkes Argument für den Aboservice.
Activision Blizzard

"Erdbeben in der Gaming-Branche: Microsoft kauft Activision Blizzard": So titelten mehrere Nachrichtenplattformen am 18. Jänner 2022. Microsoft kündigte damals offiziell an, einen der größten und wichtigsten Games-Publisher der Welt für 68,7 Milliarden Dollar akquirieren zu wollen. Die Bekanntgabe löste ein Raunen in der größten Entertainment-Branche der Welt aus, schließlich würden durch diese Übernahme weltweite Millionen-Franchises wie "Diablo", "World of Warcraft" oder "Call of Duty" zu Microsoft wandern.

Die Gefahr einer Monopolisierung des Games-Markts sehen seitdem auch internationale Behörden und Gerichte, weshalb der Deal bis heute nicht abgeschlossen wurde – und es vielleicht nie wird.

Frage: Wer ist Activision Blizzard?

Antwort: Activision Blizzard ist ein US-Unternehmen, das seit 1979 Computer- und Videospiele herstellt und vertreibt. Vier ehemalige Atari-Mitarbeiter gründeten damals Activision, das in der Firmengeschichte bereits mehrmals Umstrukturierungen erlebte. 2007 kam es zur Fusion mit der französischen Vivendi-Tochter Vivendi Games, die sich bereits 1994 Blizzard Entertainment einverleibt hatte. Um die Relevanz des Entwicklerstudios Blizzard zu betonen – schließlich veröffentliche der Entwickler mit "World of Warcraft" eines der kommerziell erfolgreichsten Computerspiele aller Zeiten –, wurde das gemeinsame Unternehmen nicht Activision Vivendi, sondern Activision Blizzard genannt.

Zu den größten Marken des Unternehmens zählen "Call of Duty", "World of Warcraft", "Diablo", "Candy Crush" und "Tony Hawk's Pro Skater".

Neben bekannten Marken für PC und Konsole verfügt Activision Blizzard auch über starke Mobile-Marken, etwa
Neben bekannten Marken für PC und Konsole verfügt Activision Blizzard auch über starke Mobile-Marken, etwa "Candy Crush".
Activision Blizzard

Frage: Welche Motivation hat Microsoft, den Publisher zu kaufen?

Antwort: Microsoft ist vor über 20 Jahren mit der hauseigenen Konsole Xbox groß in die Games-Branche eingestiegen und konkurriert seitdem vor allem mit dem großen Rivalen Sony, der mit der Playstation sogar noch etwas länger am Konsolenmarkt etabliert ist. Vor allem in Sachen Online-Gaming zeigte man sich mit der zweiten Konsole am Markt, der Xbox 360, konkurrenzfähig. Ein verlässlicher Service und regelmäßiger Games-Nachschub für Abo-Kunden sorgten für eine schnell wachsende Fanbasis.

Mit der Nachfolgekonsole Xbox One verlor man ab 2013 ein wenig den Fokus und versäumte es, einer guten Hardware auch exklusive und erfolgreiche Games-Marken zur Seite zu stellen, da man viele interne Studios aus unterschiedlichen Gründen zusperrte oder wichtige Entwickler durch selbstmotivierte Abschiede verlor. Um in der aktuellen Konsolengeneration, die immerhin vor bereits zweieinhalb Jahren begonnen hat, wieder vorne mitspielen zu können, kaufte man um viele Millionen zahlreiche Studios, um den nötigen exklusiven Spielenachschub zu sichern. Zusätzlich wollte man damit den mittlerweile für das Unternehmen wichtigen Games-Abo-Service Gamepass, der immerhin über 25 Millionen zahlende Kunden hat, mit zusätzlichen starken Namen schmücken.

Der größte Deal war bis 2022 der Kauf von Zenimax Media für 7,5 Milliarden Dollar, der unter anderem die berühmte Spieleschmiede Bethesda inkludierte, die seither exklusiv für Microsoft entwickelt. Der etwa zehnmal so große Deal mit Activision Blizzard würde Microsoft zusätzlich einen riesigen Spielekatalog bescheren, den man als gutes Verkaufsargument für künftige Kunden ins Rennen führen könnte.

Mit der Ankündigung des Deals sprang die Activision-Blizzard-Aktie deutlich nach oben. Eine Absage könnte den gegenteiligen Effekt haben.
Mit der Ankündigung des Deals sprang die Activision-Blizzard-Aktie deutlich nach oben. Eine Absage könnte den gegenteiligen Effekt haben.
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Frage: Welche Bedenken haben internationale Behörden bezüglich des Deals?

Antwort: Von mehreren Behörden, darunter der US-Handelsaufsicht FTC, wird in den Raum gestellt, dass die Akquisition von Activision Blizzard zu einer zu großen Marktmacht von Microsoft führen würde. Die Fusion würde Microsoft zum drittgrößten Unternehmen in der Games-Branche machen, hinter Tencent aus China und Sony aus Japan. Immer wieder kam es deshalb zu Einsprüchen, Prüfungen und Klagen, sowohl von der FTC als auch Behörden anderer Länder. Im Juni beantragte die FTC eine einstweilige Verfügung. Die Behörde argumentiert in einer Stellungnahme, sie befürchte, dass Microsoft die Übernahme dazu nutzen könnte, den Wettbewerb in "mehreren dynamischen und schnell wachsenden Spielemärkten zu schädigen". 

Frage: Welche Rolle spielt Sony dabei?

Antwort: Auch Sony hat sich mehrfach öffentlich zu dem bevorstehenden Deal geäußert und ebenfalls Bedenken bezüglich einer Monopolisierung des Marktes geäußert. Vor allem um die Marke "Call of Duty", die sich auf der Playstation seit Jahren am besten verkauft, macht sich der japanische Konzern öffentlich Sorgen. Den millionenfach verkauften Shooter an den direkten Konkurrenten zu verlieren, der die Franchise eventuell exklusiv weiterführen könnte, ließ die Verantwortlichen bei Sony nicht gut schlafen.

Auch Zusicherungen, dass man die Marke zumindest zehn Jahre lang auch für Mitbewerber anbieten würde, stießen bei Sony auf wenig Gegenliebe. Vor einigen Wochen kam allerdings doch Bewegung in gemeinsame Gespräche. So ließ ein Pressesprecher von Sony die "Financial Times" wissen: "Wir stehen in Kontakt mit Microsoft und haben keinen weiteren Kommentar zu unseren privaten Verhandlungen." Öffentliche Statements zu den Treffen gibt es bis jetzt nicht.

Der Verlust der
Der Verlust der "Call of Duty"-Franchise wäre für Sony ein herber Schlag.
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Frage: Wie reagiert Microsoft auf die Verzögerung?

Antwort: Das US-Unternehmen versucht, öffentlich das Gesicht zu wahren, und reagiert auf die diversen Blockaden bemüht gelassen. "Wir begrüßen die Möglichkeit, unseren Fall vor einem Bundesgericht vorzutragen", sagte etwa Brad Smith, stellvertretender Vorsitzender und Präsident von Microsoft, kürzlich in einer Mitteilung. "Wir glauben, dass die Beschleunigung des Prozesses in den USA letztlich zu mehr Auswahl und Wettbewerb auf dem Markt führen wird."

Neben Microsoft-CEO Satya Nadella sollen Ende Juni auch Führungskräfte der Xbox-Sparte vor Gericht in den Zeugenstand treten. Sollte tatsächlich eine einstweilige Verfügung erwirkt werden, so könnte der Deal platzen, wie der US-Konzern laut Gerichtsdokumenten bereits eingeräumt hat.

Frage: Was ist der Status quo, und warum dauert das so lange?

Antwort: Während etwa die chinesischen Behörden und die EU den Deal bereits durchgewinkt haben, gibt es neben der FTC beispielsweise auch die britische Wettbewerbsbehörde CMA, die weiterhin nicht zu den Fans der Akquisition gehört. Im April erklärte die CMA, es sei zu befürchten, dass der Zusammenschluss "zu weniger Innovation und weniger Auswahl für britische Spieler" im Bereich Cloud-Gaming führen würde.

Die Agentur Bloomberg berichtete kurz darauf, dass Microsoft deshalb tatsächlich überlege, Activision komplett vom britischen Markt zu nehmen, um die Entscheidung der Behörde zu umgehen. Zudem hieß es, dass Microsoft-Präsident Smith sich deshalb sogar mit dem britischen Finanzminister Jeremy Hunt treffen wolle, um "seine Enttäuschung über die Blockade des Deals durch die CMA" zu verdeutlichen.

Aktuell befindet sich Microsoft beim Endboss, wenn man in Gamer-Sprache bleiben will. Bis zum 29. Juni sind täglich Anhörungen vor einem Gericht in San Francisco. Danach hat Richterin Scott Corley versprochen, zügig eine Entscheidung treffen zu wollen.

Frage: Was passiert, wenn der Deal durchgeht?

Antwort: Sollte der Deal tatsächlich durchgehen, kommt es auf die Zugeständnisse an, die Microsoft für einen Abschluss machen muss. Bekommt Sony weiterhin neue "Call of Duty"-Games? Gibt es eventuell Regionen, wo der Deal nicht akzeptiert wird und Microsoft dort seine Spiele nicht mehr vertreiben darf? Unabhängig davon wäre die Marktmacht von Microsoft in jedem Fall um ein Vielfaches gestiegen. Spiele wie das kürzlich erschienene "Diablo 4" im Aboservice Gamepass oder auch mögliche "Candy Crush"-Ableger für die Xbox – siehe die unglaubliche Vermarktung der 2014 für 2,5 Milliarden Dollar erstandenen "Minecraft"-Lizenz – würden die Machtverhältnisse in der Branche neu ordnen.

Allzu viel Exklusivität braucht man aber nicht zu befürchten. Microsoft will mit den Lizenzen auch Geld verdienen, das heißt, Spiele könnten in den Gamepass wandern, was die Abonnenten glücklich machen würde, das Spiel würde aber wohl dennoch weiterhin auch für die Playstation verkauft werden. Microsoft geht es schon länger primär darum, ein Abo zu verkaufen und nicht Konsolen. Eventuell verhandelt man sogar irgendwann über eine Xbox-App für die Playstation, was auch vom Ausgang des Activision-Blizzard-Deals abhängen könnte.

Frage: Was passiert, wenn der Deal nicht durchgeht?

Antwort: Eigentlich nicht viel. Die Sony-Fans würden wohl das Netz mit hämischen Kommentaren fluten, und nach ein paar Wochen würde keiner mehr darüber sprechen. Es bleibt nur die Frage, ob das bei Microsoft dafür freigeschaufelte Budget auch für andere Spielehersteller hergenommen werden könnte. Das aktuell sehr erfolgreiche Capcom etwa oder diverse US-Studios würden Microsoft sicher auch als exklusive Partner gefallen, auch wenn sie nicht ganz die Reichweite von Activision Blizzard haben. Grundsätzlich hat Microsoft ausreichend Studios, die Spiele produzieren könnten. Nur scheinen die Entwicklungszyklen in der Branche zu wachsen und ein ständiger Fluss an Spielen auch mit mehr als 50 Studios schwierig zu sein.

Trotz nicht gehaltener Versprechen, diverse Blockbuster weiter zu featuren ("Halo") oder regelmäßig solche zu veröffentlichen, blieb der große Exodus an Kundinnen beim Gamepass bisher aus. Wie groß die Menge an Menschen ist, die sich das Abo aufgrund des möglichen Activision-Blizzard-Deals geholt haben, wird man wohl erst dann erfahren, wenn der Deal endgültig abgeblasen wird. 

Microsoft Chef Satya Nadella musste unter anderem am Donnerstag vor Gericht zu den Bedenken der Behörden Stellung nehmen.
Microsoft Chef Satya Nadella musste unter anderem am Donnerstag vor Gericht zu den Bedenken der Behörden Stellung nehmen.
stephen Caillet via www.imago-images.de

Die Chronologie

  • 18. Jänner 2022: Microsoft macht den Plan öffentlich, Activision Blizzard für 69 Milliarden Dollar zu schlucken.
  • 1. Februar: Einem Medienbericht zufolge will die US-Kartellbehörde FTC die Transaktion unter die Lupe nehmen.
  • 21. März: Activision zufolge fordert die FTC zusätzliche Informationen zur geplanten Übernahme an.
    28. April: Die Eigner von Activision segnen den Kauf durch Microsoft ab.
  • 6. Juli: Die britische Kartellaufsicht CMA prüft die Übernahmepläne.
  • 1. September: Die CMA warnt vor einer möglichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs bei Spiele-Konsolen und Cloud-Videospielen. Sie stellt eine tiefer gehende Untersuchung in Aussicht.
  • 7. September: Sony bezeichnet das Angebot des US-Konzerns, den Activision-Klassiker "Call of Duty" für begrenzte Zeit weiterhin für die Playstation anzubieten, als ungenügend. 
  • 15. September: Die CMA startet eine vertiefte Prüfung des Microsoft/Activision-Deals.
  • 30. September: Die EU-Kartellwächter setzen sich für die Untersuchung der Übernahme eine Frist bis zum 8. November 2022.
  • 12. Oktober: Microsoft wirft der CMA vor, sich bei der Entscheidung für eine vertiefte Prüfung auf Einwände von Sony gestützt zu haben.
  • 8. November: Nach der CMA nehmen auch die EU-Kartellwächter den Deal genauer unter die Lupe nehmen. Sie geben sich hierfür bis zum 11. April Zeit.
  • 8. Dezember: Die FTC reicht Klage gegen die Übernahme von Activision durch Microsoft ein.
  • 21. Dezember: Mehrere Online-Gamer wollen den Deal ebenfalls gerichtlich stoppen.
  • 22. Dezember: Microsoft betont, die Fusion wäre für Videospiele-Anbieter und -Nutzer vorteilhaft.
  • 16. Jänner 2023: Insidern zufolge bereitet die Übernahme von Activision durch Microsoft auch den EU-Kartellwächtern Kopfschmerzen.
  • 8. Februar: Die CMA präzisiert ihre Bedenken wegen einer möglichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs.
  • 21. Februar: Microsoft einigt sich mit NVidia auf einen Lizenzvertrag. Die Cloudgaming-Sparte des Grafikkartenchip-Anbieters darf "Call of Duty" und andere Activision-Spiele zehn Jahre lang nutzen.
  • 1. März: Die EU verlängert die Frist für die Prüfung des Microsoft/Activision-Deals bis zum 25. April.
  • 8. März: Microsoft bietet auch Sony einen zehnjährigen Lizenzdeal für "Call of Duty" an, teilt die CMA mit.
  • 17. März: Der EU zufolge bietet Microsoft als Gegenleistung für eine kartellrechtliche Genehmigung Zugeständnisse an.
  • 28. März: Japans Kartellwächter sehen keine Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch die Activision-Übernahme. Parallel dazu nimmt das Bundeskartellamt Ermittlungen auf.
  • 26. April: Die CMA verbietet den Kauf von Activision durch Microsoft.
  • 15. Mai: Die EU genehmigt den 69 Milliarden Dollar schweren Deal unter Auflagen.
  • 24. Mai: Microsoft legt Einspruch gegen das Veto der CMA ein.
  • 12. Juni: Die FTC beantragt eine einstweilige Verfügung gegen die Übernahme von Activision durch Microsoft.
  • 13. Juni: Ein US-Gericht legt den Deal vorläufig auf Eis, um die Entscheidung in der Hauptklage der FTC abzuwarten.
  • 22. Juni: Auftakt der Anhörung zu einer längerfristigen Blockade der Übernahme bis zur Klärung der FTC-Klage. Microsoft drängt zur Eile, weil die Übernahmevereinbarung am 18. Juli auslaufe. Sei bis dahin keine Entscheidung gefallen, werde eine Vertragsstrafe von drei Milliarden Dollar fällig.

(Alexander Amon, 24.6.2023)