Noch im Jahr 2005 haben die USA dem heutigen indischen Premierminister Narendra Modi die Einreise verweigert. Am Donnerstag wird nun derselbe Mann zum offiziellen Staatsdinner im Weißen Haus empfangen. Seit Joe Bidens Amtsübernahme als US-Präsident wurde diese Ehre nur zwei Ländern zuteil, nämlich Frankreich und Südkorea.

"Diese besondere Einladung spiegelt die Kraft und Vitalität der Partnerschaft zwischen unseren Demokratien wider", ließ Modi im Vorfeld wissen. Im Weißen Haus sprach man von einer der "bestimmenden Partnerschaften unserer Zeit".

Vergessen sind also die Tage, in denen Modi in den USA Persona non grata war. Modi gehört der indischen BJP-Partei an, die aus den Reihen des hindunationalistischen RSS entstanden ist. Immer wieder wird der Partei und Modis Führerschaft vorgeworfen, die Minderheit der Muslime im Land systematisch zu unterdrücken, die Demokratie auszuhöhlen und gegen die Opposition vorzugehen. 2002 war Modi Chief Minister von Gujarat, als dort über mehrere Tage aufgebrachte Hindu-Mobs Muslime abschlachteten. Das führte 2005 auch zur Visumverweigerung der USA: Als Regierungschef des Bundesstaats Gujarat war er "für die Leistung der staatlichen Institutionen in dieser Zeit verantwortlich", heißt es in der damaligen Erklärung des Außenministeriums.

Schlüsselstaat in Asien

Heute sieht die Situation gänzlich anders aus. Modi ist mittlerweile Premierminister Indiens und genießt starken Rückhalt in der Bevölkerung. Die USA setzen nicht erst seit dem Ukrainekrieg immer mehr auf das bevölkerungsreiche Land in Asien und drücken bei Fragen von zivilen Freiheiten das eine oder andere Auge zu. In einem Brief forderten daher Abgeordnete des US-Kongresses Biden auf, Modi auch auf Menschenrechtsfragen anzusprechen.

Doch Indien ist für die USA ein Schlüsselstaat im Indopazifik, wo man mit allen Kräften versucht, Chinas wachsenden Einfluss einzudämmen. Und auch Indien hat seine eigenen Probleme mit China an der langen umstrittenen Grenze im Himalaja. Im Sommer 2020 kam es in Ladakh beinahe zum Kriegsausbruch. Bis heute stehen sich dort die stetig wachsenden Armeen beider asiatischer Länder gegenüber.

Während sich Modi und Biden im Vorfeld des Treffens also mit Aussagen über Wertepartnerschaft und Demokratie zitieren lassen, sind es am Ende doch handfeste Sachinteressen, die die zwei Länder zusammenbringen, vor allem in sicherheitspolitischen Fragen.

Solch enge Zusammenarbeit war noch vor wenigen Jahren undenkbar. Die USA hatten über Jahre Indiens Erzfeind Pakistan militärisch unterstützt, Neu-Delhi setzte bei der Rüstung daher traditionell auf den US-amerikanischen Gegenspieler Russland. Diese Gemengelage hat sich spätestens seit dem Ukrainekrieg gravierend geändert. Wenn Indien zwar beharrlich ablehnt, den russischen Angriff offen zu verurteilen, hat sich das Land in den vergangenen Monaten immer weiter von Moskau entfernt. Auch das hat teils ganz praktische Gründe: Russland hat schlicht weniger Ressourcen als vor dem Krieg, um Länder wie Indien mit Waffen zu beliefern.

Wenn Modi am Donnerstag also mit Präsident Biden zusammentrifft, dann wird es vor allem um Rüstungsfragen und Kooperationen im Hightech-Bereich gehen. Vor zwei Wochen war US-Sicherheitsberater Jake Sullivan in Delhi, um dort derartige Deals auf Schiene zu bringen. Noch ist nicht bekannt, wie diese konkret aussehen werden. Indien soll aber über 30 hochfliegende Drohnen von den USA kaufen, die USA würden zudem Motoren für indische Kampfjets herstellen.

Am Mittwoch hat Modi außerdem bereits Elon Musk in New York getroffen. Tesla plane, "so bald wie möglich" in Indien zu investieren, wo es ein großes Potenzial für Solarenergie und Elektrofahrzeuge gebe, sagte Musk im Anschluss. (Anna Sawerthal, 22.6.2023)