Während im Dezember traditionell die Vergabe der Nobelpreise stattfindet, steuert das Wissenschaftsjahr in Österreich bereits im Juni seinem Höhepunkt zu: Alljährlich werden dann die höchsten Wissenschaftspreise des Landes vergeben. Die Bekanntgabe der diesjährigen Preisträger und Preisträgerinnen erfolgte am Donnerstagabend bei einer feierlichen Zeremonie in Wien.

Über den Wittgensteinpreis 2023 darf sich der Quantenphysiker Hans J. Briegel von der Universität Innsbruck freuen. Er wird für seine Pionierleistungen im Bereich der Quanteninformatik und Quantentechnologien mit dem Preis geehrt, der vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF vergeben wird und mit 1,5 Millionen Euro dotiert ist. "Seine Arbeiten erlauben Berechnungen, die klassische Computer nicht leisten können", heißt es in der Begründung der internationalen Jury. "Mit dem FWF-Wittgensteinpreis an Hans J. Briegel ehrt Österreich einen seiner aktivsten und kreativsten Forschenden in einem Bereich, in dem Österreich eine führende Rolle einnimmt", urteilten die Mitglieder der Jury, die aus elf internationalen Spitzenforschenden besteht, darunter auch die Nobelpreisträger Bruce Beutler und Stefan Hell.

Quantenphysiker Hans Briegel vor einer Tafel
Der Quantenphysiker Hans Briegel erhält den mit 1,5 Millionen Euro dotierten Wittgensteinpreis.
FWF/Dominik Pfeifer

Visionärer Pionier

Briegel, der 1962 im deutschen Ochsenhausen geboren wurde, begann bereits im Bereich der Quanteninformatik zu forschen, bevor dieser so richtig im Mainstream ankam und internationale Technologiekonzerne große Investitionen tätigten. So leistete er bereits zu Beginn der Nullerjahre wesentliche Beiträge in dem Feld: 2001 stellte er beispielsweise gemeinsam mit Robert Raußendorf das Modell des sogenannten Einweg-Quantencomputers vor – dieser Vorschlag für eine spezielle Methode der Quanteninformatik stieß in der Fachwelt auf großes Interesse. Weiters lieferte er mit der Erfindung des Quantenrepeaters einen wesentlichen Beitrag für die Entwicklung eines künftigen Quanteninternets. Auch wurde Briegel schon früh an der Schnittstelle von Quantentechnologien und künstlicher Intelligenz aktiv und war somit Pionier des aktuell rasch wachsenden Feldes der künstlichen Quantenintelligenz.

"Quantenphysik und künstliche Intelligenz sind beides Schlüsseltechnologien, die unser Leben im 21. Jahrhundert mitbestimmen werden", sagte Briegel zu seiner Auszeichnung in einer ersten Reaktion zum STANDARD. "Es ist daher hochinteressant, das Zusammenspiel zwischen Quantenphysik und KI zu erforschen." Eben dieses aufstrebende Feld könnte einer der Bereiche sein, für deren Erforschung Briegel das Wittgenstein-Preisgeld einsetzen will. Wichtig in seiner Forschung sei ihm, sich eine gewisse Offenheit zu bewahren. "Wenn die Forschung zu sehr durchgeplant ist, dann ist sie keine Grundlagenforschung aus meiner Sicht", sagte Briegel.

Stationen und Gratulationen

Aktuell ist Hans Briegel Professor und Leiter der Forschungsgruppe "Quantum Information and Computation" am Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck. Er studierte Physik und Philosophie in München und Edinburgh. Zu den weiteren Stationen seiner Karriere zählen unter anderem ein Postdoc-Fellowship an der Harvard University, eine Gastprofessur an der Universität Konstanz sowie die langjährige Leitung einer Forschungsgruppe als Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Innsbruck. 2022 wurde Hans J. Briegel ein ERC Advanced Grant zugesprochen.

"Der Preis ist ein weiterer Höhepunkt einer beeindruckenden wissenschaftlichen Karriere, die auch in Zukunft noch vielversprechende neue Erkenntnisse erwarten lässt", würdigte FWF-Präsident Christof Gattringer den diesjährigen Preisträger. "Hans J. Briegel hat die Innsbrucker Quantenphysik in den vergangenen Jahrzehnten ganz entscheidend mitgeprägt und dabei wegweisende Beiträge zur Entwicklung von neuen Quantentechnologien geleistet", gratulierte Veronika Sexl, Rektorin der Universität Innsbruck, dem diesjährigen Wittgensteinpreisträger.

Exzellente Nachwuchsforschende

Neben dem Wittgensteinpreis wurden am Donnerstag auch die begehrten Start-Preise des Wissenschaftsfonds FWF vergeben. Die mit je 1,2 Millionen Euro dotierten Preise richten sich an aufstrebende Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Die Start-Preise zählen zu den kompetitivsten Programmen des FWF, da die Preise jungen Forschenden ermöglichen, sich fix an einer Forschungsinstitution zu etablieren und exzellente Forschungsvorhaben durchzuführen. "Mit diesen hochdotierten Förderungen erhalten exzellente Forschende die Möglichkeit, ihre herausragenden Projekte und Arbeiten hier in Österreich weiter voranzubringen. Das trägt nicht nur zum Erkenntnisgewinn, sondern auch zur Stärkung des Forschungs-, Innovations- und Wirtschaftsstandortes Österreich bei", sagte Wissenschaftsminister Martin Polaschek.

Unter 126 Anträgen für die Start-Preise konnten sich acht Preisträgerinnen und Preisträger durchsetzen: Barbara Bayer (Mikrobiologin, Universität Wien), Stephanie J. Ellis (Zellbiologin, Universität Wien), Máté Gerencsér (Mathematiker, Technische Universität Wien), Richard Küng (Quantenphysiker, Universität Linz), Stephan Pühringer (Sozioökonom, Universität Linz), Clemens Sämann (Mathematiker, Universität Wien), Marcus Sperling (Quantenphysiker, Universität Wien) und J. Lukas Thürmer (Psychologe, Universität Salzburg). (Tanja Traxler, 22.6.2023)