Sicherungskasten, kein Strom, Stromausfall
Kein Strom, hieß es die vergangenen Tage mehrfach in Wien. Die Gründe sind erstaunlich trivial.
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Diese Woche hatte es in Wien in sich. Neben der ersten kleineren Hitzewelle mit Temperaturen über 30 Grad hatte die Stadt von Dienstag weg mit diversen Stromausfällen in mehreren Bezirken zu kämpfen. Schnell tauchten Gerüchte auf, wonach die Hitze für schmelzende Kabel und eine Überlastung des Netzes gesorgt hätte. Wieder andere vermuteten den U-Bahn-Ausbau als Ursache. DER STANDARD hat bei den Wiener Netzen nachgefragt und liefert die Antworten auf die brennenden Fragen.

Frage: Wo und warum startete der Stromausfall-Reigen?

Antwort: Der größte Stromausfall der Woche begann in Döbling in der Spittelauer Gegend am Dienstag um 13.17 Uhr und setzte einen Kaskadeneffekt in Gang, der auch andere Bezirke wie Alsergrund, Währing, Hernals und Penzing erfasste und bis zum Exelberg nahe der Wiener Stadtgrenze reichte. 5.700 Haushalte waren betroffen, während bei manchen der Strom nur eine halbe Stunde wegblieb, mussten die letzten über fünf Stunden auf die Rückkehr warten. Der Grund für das Problem: Bei einer Baustelle in Döbling wurde bei Grabungsarbeiten ein Kabel durchtrennt.

Frage: War dies das einzige Problem am Dienstag?

Antwort: Nein. Praktisch zeitgleich kam es am Dienstagnachmittag unabhängig vom Döblinger Problem im 21. Wiener Gemeindebezirk zu einer Störung beim Leistungsschalter im Umspannwerk Nord. Die Ursache dafür lag ebenfalls nicht bei den Wiener Netzen – eine defekte große Maschine in einem Gewerbebetrieb ließ quasi die Großsicherung im Umspannwerk fallen. Der Vorfall war in einer Stunde behoben. Am späteren Abend um 22 Uhr kam es in Wien im 7. Bezirk schließlich erneut zu einem Stromausfall, dessen Behebung drei Stunden dauerte. Auch dabei dürfte es an einem Kabel gelegen haben, die Ursachenforschung läuft aber noch. 

Frage: Am Mittwoch ging es gefühlt so weiter. Was war denn da los?

Antwort: Der Tag startete schlecht im 4. Bezirk, mit einem Bagger, der um 7.45 Uhr ein Erdkabel durchtrennte – 600 Haushalte mussten zwei lange Stunden auf den morgendlichen Kaffee verzichten. Nach dem Mittagessen war Wien-Speising im 13. Bezirk dran, Grund dafür soll ein durch Grabungsarbeiten beschädigtes Kabel sein, der Vorfall dürfte aber bereits länger zurückliegen. Direkt anschließend gegen 14 Uhr waren mit Simmering (Kaiserebersdorf) und Schwechat gleich 2.100 Haushalte betroffen – der Fehler dafür wird noch gesucht. Den krönenden Abschluss lieferte der 1. Bezirk inklusive des Theaters Ronachers um 19.17 Uhr. Die Ursachensuche des Schadens, der in unter zwei Stunden behoben wurde, läuft noch. 

Frage: Um welche Baustellen handelte es sich denn?

Antwort: Derartige Informationen kommuniziere man nicht, teilten die Wiener Netze mit. Kosten für die Wiederherstellung und Instandsetzung würden selbstverständlich weitergegeben.

Bagger, Bauen, Stromkabel
Baggern und andere Bauarbeiten sind für viele Erdkabel-Probleme verantwortlich.
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Frage: Müssen wir uns um die Netzstabilität Gedanken machen, oder war das eine zufällige unglückliche Häufung?

Antwort: Laut Christian Call, Sprecher der Wiener Netze, ist eine derartige Häufung an zwei darauffolgenden Tagen absolut unüblich. "Es gibt oft wochenlang überhaupt keinen einzigen Ausfall, auch keinen kleineren", sagte er dem STANDARD. Vor allem die Störung am Dienstag, als sich die Netzprobleme über mehrere Bezirke ausbreiteten, sei ein absoluter Ausnahmefall gewesen. Normalerweise gelinge es schnell, die Stromlast auf Zweitleitungen zu verteilen und so die Versorgung selbst in betroffenen Gebieten rasch sicherzustellen.

Frage: Gibt es belastbare Zahlen, die diese Aussage stützen?

Antwort: Die Zeitspanne an ungeplanten Stromausfällen ist mit 23 Minuten pro Stromanschluss pro Jahr laut aktuellsten Daten der E-Control aus 2021 österreichweit weiterhin gesunken. International gilt laut Call ein Durchschnittswert unter zwei Stunden als gut. Wien schneide mit 18 Minuten Stromausfall pro Nutzer pro Jahr dabei noch besser ab als der Rest Österreichs. Die durchschnittliche Behebung einer Störung dauere 90 Minuten. Durch Umleitungen würden viele Haushalte aber schon viel früher wieder mit Strom versorgt, da jeder Haushalt im Netz normalerweise von mindestens zwei Seiten angeschlossen ist.

Frage: Was sind die häufigsten Ursachen für Stromausfälle?

Antwort: 70 Prozent der Stromstörungen sind laut Wiener Netze fremdbedingt – intern werden die drei größten Übeltäter als 3B bezeichnet: Bagger, Baum, Blitz. Vor allem Erdleitungen würden immer wieder bei Grabungsarbeiten beschädigt. Manchmal falle etwa die Beeinträchtigung einer Isolierung oder eines Verbindungsstücks nicht sofort auf, da der Strom auch weiterfließe. Komme es Tage oder Wochen später bei der Schwachstelle dann zu einem "Erdschluss" – also der Ableitung von Strom in den Boden –, sei die Fehlersuche gar nicht so einfach. Bäume bzw. abgebrochene Äste sind für Freileitungen ein Problem, Blitze wiederum betreffen eher Trafohäuschen.

Frage: Wie ist die Verteilung zwischen Erd- und Freileitungen in Wien?

Antwort: Bedingt durch das verdichtete Baugebiet verlaufen 85 Prozent des 20.700 Kilometer umfassenden Wiener Stromnetzes als Erdkabel in einer Tiefe zwischen 80 Zentimeter und 1,5 Meter. Das Netz ist nicht nur eng-, sondern auch mehrmaschig. Bei defekten Leitungen kann die Last im Normalfall umgeleitet und neu verteilt werden. Programme im Hintergrund berechnen, wie das am besten funktioniert, ohne dass es an anderer Stelle zu einer Überlastung kommt. Bei dem größeren Ausfall am Dienstag dürfte dies nicht reibungslos funktioniert haben.

Dürre, ausgetrockneter Boden
Ausgetrocknete Böden leiten Wärme schlechter ab und stellen besondere Anforderungen an Leitungen.
IMAGO/imagebroker/Sonja Jordan

Frage: Kann die Hitze zu schmelzenden Kabeln führen?

Antwort: Da die meisten Kabel unterirdisch verlaufen, spielt es kaum eine Rolle, ob es draußen minus zehn oder plus 40 Grad hat. Kommt es – etwa bei einer beschädigten Isolierung oder durch Materialermüdung – zum bereits erwähnten Erdschluss, kann der damit einhergehende Funke und die freigesetzte Hitze von mehreren Hundert Grad tatsächlich zum Schmelzen eines Kabels führen.

Frage: Das heißt, mit einer Hitzewelle haben solche Defekte nichts zu tun?

Antwort: Jein. Jüngste Untersuchungen zeigen, dass nicht hohe Außentemperaturen, aber die immer häufiger auftretenden ausgetrockneten Böden die Wahrscheinlichkeit für Kabel- bzw. Isolierungsdefekte erhöhen. "Wenn Strom durch die Leitung geschickt wird, entsteht durch den physikalischen Widerstand Wärme, der über die Isolierung an den Boden weitergeleitet wird. Ist der Boden durch eine Dürre steinhart, leidet die Leitfähigkeit, sprich die Leitung und Isolierung muss mit größerer Wärmeentwicklung fertigwerden", erklärt Call. Schwachstellen machen sich folglich auch öfter und früher bemerkbar.

Frage: Sorgen Stromfresser wie Klimaanlagen und Ventilatoren an heißen Tagen für eine besondere Belastung?

Antwort: Zumindest in Österreich fallen Klimaanlagen derzeit noch nicht besonders ins Gewicht. Tatsächlich wird im Winter immer noch mehr Strom verbraucht als im Sommer, auch die Spitzen fallen deutlich höher in den dunklen, kalten Monaten aus. Denn neben dem erhöhten künstlichen Lichtbedarf benötige auch jede Gasheizung Strom. Außerdem halte man sich mehr im eigenen Haushalt auf und verbrauche dadurch auch mehr Strom.

Frage: Wie kommt es dann, dass in den Sommermonaten von Juni bis August laut österreichischer E-Control statistisch die meisten Stromausfälle auftreten?

Antwort: Da viele Probleme tatsächlich durch Grabungstätigkeiten ausgelöst werden und im Sommer überdurchschnittlich viel gebaut wird, nehmen die Ausfälle in dieser Zeit zu. Die Trockenheit des Bodens ist ein Faktor, der klimawandelbedingt zuletzt größer wurde und ebenso wie verstärkte Unwetter im Sommer für eine Häufung von Ereignissen führt. Denn Starkregen und Überschwemmungen können wie ein komplett ausgetrockneter Boden ebenfalls zu Problemen bei Isolierschwachstellen führen. Dazu kommen Stürme und Blitze, die in Kombination mit Bäumen Freileitungen beschädigen.

Baum entwurzelt
Bäume fallen eher im Sommer Unwettern zum Opfer und sorgen oft für beschädigte Leitungen.
IMAGO/Eibner

Frage: Sorgt die unterschiedliche und teilweise unstete Energieerzeugung über Photovoltaik und Wind für instabilere Netze?

Antwort: Die Situation ist komplexer geworden. "Früher waren Erzeugung, Leitung und Verbrauch eine Einbahnstraße. Heute gibt es durch kleinere Erzeugungsanlagen, die Strom einspeisen, immer wieder auch Gegenverkehr", sagt Call. Die Steuerung, wann wo Strom in größeren Mengen abgeführt oder zugeführt werden müsse, passiere allerdings auf Kraftwerksebene und übergeordnet durch die Bedarfsmeldungen aller Netzbetreiber. Wirkliche Probleme gebe es dabei im Normalfall aber keine.

Frage: Welche Rolle spielen Solarpaneele wie etwa auf Balkonen, die mit bis zu 800 Watt ins Netz einspeisen dürfen? Kann man diese bei Stromausfällen nutzen, wenn sie an der eigenen Steckdose hängen?

Antwort: Die erzeugte Stromleistung ist zu gering, als dass dies eine Herausforderung für das Stromnetz ist. Im Falle eines Stromausfalls sollte die integrierte Abschaltautomatik derartiger Anlagen dafür sorgen, dass kein Strom mehr fließt. Passiert das doch, könnte der FI-Schalter fliegen.

Frage: Was ist der wichtigste Tipp bei einem längeren Stromausfall?

Antwort: Sicherstellen, dass zuletzt eingeschaltete Geräte wie ein Bügeleisen oder ein Herd ausgesteckt sind – vor allem, wenn man die Wohnung verlässt. Denn kehrt der Strom zurück und diese Geräte schalten sich unbeaufsichtigt wieder ein, kann es schnell im wahrsten Sinne des Wortes brenzlig werden. (Martin Stepanek, 23.6.2023)