Fußballerin Elena Kössler
Elena Kössler erzielte als erste Europäerin ein Tor in Brasilien.
Ettore Chiereguini

Brasilien und der Fußball haben eine besondere Beziehung. Die Fußballstars Neymar Jr., Ronaldinho und Ronaldo werden weltweit verehrt. Elena Kössler lebt seit drei Jahren in Brasilien und bekommt den Wahnsinn Fußball hautnah mit: "Wenn die Nationalmannschaft der Männer spielt, dann ist in Brasilien ein Feiertag. Die Geschäfte schließen eine Stunde vor Spielbeginn und machen erst eine Stunde nach Abpfiff wieder auf", sagt Kössler, die mit einem Brasilianer liiert ist.

Mit Österreich sei der brasilianische Fußball aber nicht vergleichbar. "Die Brasilianer sind viel emotionaler. Hier wird Fußball so richtig gefeiert. Man lebt den Sport hier viel intensiver. Die Fans sind einfach verrückter", sagt die 24-Jährige. Auch das Niveau sei anders. Der brasilianische Fußball sei technischer und feiner. In Europa werde mehr Wert auf Ausdauer und Kraft gelegt.

Seit drei Jahren kickt die Stürmerin in Brasilien. Ihre Anfänge machte sie bei Coritiba in der dritten Liga. Ihr Talent blieb nicht unentdeckt: Vereine und Agenturen wurden aufmerksam. Mittlerweile ist sie beim Erstligisten SC Ceará unter Vertrag. In 15 Einsätzen erzielte sie einen Treffer, damit gelang ihr in der Liga als erster Europäerin ein Tor.

Holprige Anfänge

Den Ball hatte sie das erste Mal mit fünf Jahren am Fuß. Beim Tiroler Landesligisten SV Haiming mischte sie als einziges Mädchen bei den Burschen mit. Eigene Mädchenteams gab es nicht, manche Eltern waren außerdem überzeugt, Mädchen hätten auf dem Fußballfeld nichts verloren. Elena Kössler war gut und vor allem schnell mit dem Ball. Den Weg in die Frauenakademie von SKN St. Pölten lehnte sie ab. Es fehlte an Perspektiven. "Der Frauenfußball spielte damals noch keine große Rolle. Weibliche Vorbilder gab es nicht. Das hat sich erst vor vier bis fünf Jahren entwickelt", sagt die gebürtige Tirolerin.

Eine professionelle Karriere strebte sie auch aufgrund finanzieller Möglichkeiten nie an. Vom Fußball können in Österreich nur die wenigsten Frauen leben. In Brasilien sei das anders. Die Spielerinnen der Top-Ten-Vereine verdienen gut. Das merke man schon bei den Autos der Kickerinnen. Es gebe aber auch Negativbeispiele, wo Spielerinnen ihr Gehalt unregelmäßig erhalten würden. Kössler selbst sei davon nicht betroffen, sie verdiene ganz okay, arbeite aber in der Firma ihres Freundes mit.

Der Frauenfußball genießt in Südamerika mittlerweile einen hohen Stellenwert: Zu den Spielen kommen viele Zuschauer und Zuschauerinnen, Live-Übertragungen mit Kommentar haben einen fixen Platz. Kössler habe auch schon andere Seiten erlebt: "Manchen Mädls fehlt weiterhin die Unterstützung von der Familie, manche haben ein Fußballverbot bekommen."

Vorreiterin Marta

Im brasilianischen Frauenfußball geht es aber dennoch voran. Gearbeitet wird mit Video- und Taktikanalysen, der Betreuerstab vergrößert sich. Kössler profitierte bereits davon. Die akribische Arbeit deckt ihre Schwächen auf und bringt Fortschritte mit sich. "Ich habe mich schon um einiges weiterentwickelt hier. Ich mache hier vieles anders", sagt Kössler. Durch die intensive Arbeit gewinnt der brasilianische Frauenfußball an Stellenwert.

Für Qualität sorgen die zahlreichen Brasilianerinnen, die weiterhin in der heimischen Liga spielen. Mehr als die Hälfte des Nationalteams kickt im Heimatland. Duelle mit der Kapitänin der Nationalmannschaft Tamires (Corinthians) oder Cristiane vom FC Santos hinterlassen Eindruck: "Man sieht sie zuvor auf Instagram oder im Fernsehen. Auf einmal stehen sie vor dir, und du spielst gegen sie. Das ist manchmal schon surreal." Auch wenn die brasilianische Liga stärker wird, zieht es viele Sportlerinnen ins Ausland.

Europa ist dabei aber nicht immer die erste Wahl. Vor allem die US-amerikanische Liga sei mit guten Angeboten und ausgezeichneten Bedingungen ein attraktives Ziel. Schon die sechsmalige Weltfußballerin Marta machte es vor: Nach insgesamt drei Stopps in Europa kehrte sie wieder zurück in die USA. Seit 2017 ist die bei Orlando Pride unter Vertrag. Marta sei für viele damit ein Vorbild, auch für Kössler: "Das Niveau ist dort sehr hoch. Dass Marta dort spielt, ist für viele Spielerinnen sicher reizvoll." Einem Angebot aus den USA wäre auch die Österreicherin nicht abgeneigt. Mit SC Ceará steigt sie in die zweite Liga ab, der Verbleib in der höchsten Spielklasse sei aber weiterhin das große Ziel.

In wenigen Wochen beginnt in Neuseeland und Australien die WM der Frauen. Mit der Euphorie vor der Männer-WM sei die Situation noch nicht zu vergleichen. Anspannung und Freude sind am Ansteigen. Das große Ziel der Brasilianerinnen ist der Titel. Die Seleção ist gemeinsam mit Frankreich, Jamaika und Panama in Gruppe F. Kösslers WM-Favorit? Wenig überraschend: Brasilien. (Laura Rieger, 4.7.2023)