Jo Angerer aus Moskau

Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter ist inzwischen russischer Staatsbürger.
Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiterist inzwischen russischer Staatsbürger.
AP/Armando Franca

Um 10.55 Uhr Ortszeit hob die Aeroflot-Maschine in Hongkong ab Richtung Moskau. Mit an Bord war der amerikanische Whistleblower Edward Snowden. Das war am Freitag vor genau zehn Jahren. Eigentlich wollte er weiter nach Ecuador. Doch seine Flucht endete im Transitbereich des Moskauer Flughafens Schweremetjewo. 40 Tage verbrachte er im Flughafen, seinen Pass hatten die US-Behörden inzwischen annulliert.

Edward Snowden arbeitete als technischer Mitarbeiter für die US-Geheimdienste. Bereits im Jahr 2007, von der CIA nach Genf geschickt, habe er ungehinderten Zugang zu geheimen Überwachungsdaten gehabt. Damals seien ihm erstmals Zweifel an der Rechtmäßigkeit seiner Arbeit gekommen: "Ich erkannte, dass ich Teil von etwas geworden war, das viel mehr Schaden anrichtete als Nutzen brachte."

NSA-Abhörskandal

Später war Snowden für ein Beratungsunternehmen im Auftrag des US-Geheimdienstes NSA tätig, hatte Zugang zu streng geheimen Überwachungsprogrammen. Snowden gab diese Informationen an den Journalisten Glenn Greenwald weiter, der diese dann veröffentlichte. Der NSA-Abhörskandal erschütterte die Welt, Snowden entzog sich einer möglichen Auslieferung an die USA aus Hongkong durch seine Flucht.

Schließlich erhielt er in Russland Asyl. Unter einer Bedingung, so damals Kreml-Chef Wladimir Putin auf einer Pressekonferenz: "Er muss seine Arbeit einstellen, die darauf abzielt, unseren amerikanischen Partnern zu schaden, so seltsam das auch klingen mag, wenn es aus meinem Mund kommt." Seit September letzten Jahres ist Edward Snowden russischer Staatsbürger. Die Reaktion Washingtons fiel erwartbar aus. Ned Price, der Sprecher des US-Außenministeriums, sagte, Snowden habe bereits seit langem Moskau seine Treue signalisiert. Snowden lebt mit seiner Familie auf Distanz, an einem geheimen Ort, ist kaum in der russischen Öffentlichkeit zu sehen. Er selbst hat immer wieder erklärt, nicht mit Russlands Behörden zusammenzuarbeiten.

40. Geburtstag in Moskau

Die USA fordern nach wie vor Snowdens Auslieferung wegen Spionagevorwürfen. "Dies ist immer noch eine strafrechtliche Untersuchung", so der Sprecher des Weißen Hauses. Russland hingegen schlachtet den Fall seit damals aus, um den USA "Doppelmoral" vorzuwerfen, weil das Land zwar weltweit Freiheit und Demokratie predige, aber Snowden und andere politisch verfolge. Was er selbst tun würde, wenn er US-Präsident wäre, wurde dieser vor kurzem gefragt. Seine Antwort auf Twitter: "Ich würde die Zahl der Dinge, die wir als geheim einstufen, um mehr als 99 Prozent reduzieren."

Einem Prozess in den USA würde er sich unter Bedingungen stellen, sagte Snowden vor einigen Jahren im US-Fernsehsender CBS. Dazu gehöre, dass das Verfahren öffentlich wäre und eine Jury die Motive Snowdens gegen seine Schuld abwägen könnte. "Ich bitte nicht um Begnadigung", so Snowden. Es gehe ihm allein um ein faires Verfahren. Einen Prozess unter diesen Bedingungen wird es wohl nicht geben. Vergangenen Mittwoch feierte Edward Snowden seinen 40. Geburtstag. In Moskau. Wo er auch weiterhin bleiben wird. (Jo Angerer aus Moskau, 23.6.2023)