Alles begann auf einer kleinen Insel in der Karibik: Bei einem Treffen von Regierungschefs, UN-Mitarbeitenden und Vertretern der Zivilgesellschaft präsentierte die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, ihre umfassenden Pläne für die Zukunft der internationalen Entwicklungsbanken. Die Reform soll es Staaten im Globalen Süden ermöglichen, mehr Geld sowohl in die Klimafinanzierung als auch in andere Bereiche wie Bildung und Gesundheit stecken zu können. Mottley suchte Verbündete für ihre "Bridgetown Agenda", benannt nach der Hauptstadt der Insel.

Die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, bei ihrer Ankunft im Palais Brogniart in Paris.
Reuters / Ludovic Marin

Einen Verbündeten fand sie im französischen Präsidenten Emmanuel Macron. In den vergangenen Monaten stießen die beiden so manche Debatte an: auf der Klimakonferenz in Ägypten sowie beim Weltwirtschaftsforum in Davos. So richtig ins Rollen kam die Agenda bisher nicht. Ein Treffen in Paris am Donnerstag und Freitag soll das ändern: Macron lud zum "Gipfel für einen neuen globalen Finanzpakt".

Und der soll, wie Macron zur Eröffnung sagte, nichts Geringeres als einen "Schock der öffentlichen Finanzen" auslösen – einen kräftigen Schub für Innovation und neue Finanzierung. Die Erderhitzung, die Folgen der Corona-Pandemie und die hohen Energiepreise, begleitet von einem weltweiten Zinsanstieg, würden deutlich machen, wie groß der Reformbedarf der Bretton-Woods-Institutionen Währungsfonds (IWF) und Weltbank sei, so Macron. "Das ganze System muss überdacht werden", sagte er vor gut fünfzig Staats- und Regierungschef, darunter Olaf Scholz aus Deutschland, Li Qiang aus China, Cyril Ramaphosa aus Südafrika und Luiz Inacio Lula da Silva aus Brasilien.

Suche nach neuen Instrumenten

"Staaten sollten niemals wählen müssen, ob sie die Armut bekämpfen oder den Planeten schützen wollen", erklärte Macron die Debatte. Mottley ergänzte in ihrer Ansprache wenig später: "Was wir jetzt brauchen, ist eine absolute Transformation, die über die Reform unserer Institutionen hinausgeht." Doch die Transformation koste Geld. Wie dieses aufgestellt werden soll, dazu hat Mottley einige Ideen parat.

Eine davon: Der IWF soll mindestens 100 Milliarden Dollar sogenannter Sonderbezugsrechte, "Special Drawing Rights", für Staaten bereitstellen, die neue Klimafinanzierung brauchen. Dafür müssten berechtigte Länder ihre Rechte abtreten und vom IWF umwidmen lassen. Auch könnten den ärmsten Staaten ihre Weltbank- oder IWF-Kredite erlassen werden, wenn sie mit Extremwetterfolgen zu kämpfen haben.

Der neue Chef der Weltbank, Ajay Banga (rechts), zeigt sich den Reformen gegenüber offen.
Ludovic Marin

Eine weitere Idee: Der maritime Frachtverkehr könnte neu besteuert werden. Dieser entrichtet bis heute keine klimabezogenen Abgaben, obschon er rund vier Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verursacht. In den Wandelgängen des Palais Brongniart brachten französische Diplomaten außerdem die alte Idee einer Tobin-Tax auf internationale Finanztransaktionen neu ins Spiel.

Konkrete Beschlüsse wurden von dem Pariser Treffen nicht erwartet. Eine Macron-Beraterin erklärte, Ziel sei nicht, das Scheckheft zu zücken, sondern "neue, effiziente Finanzierungsmethoden anzudenken".

Sicht der USA noch unklar

Sowohl der UN-Generalsekretär Antonio Guterres als auch der neue Weltbankpräsident Ajay Banga zeigten sich offen für Reformen des globalen Finanzsystems. Wie weit diese gehen werden, hängt nicht zuletzt von den USA ab, für die IWF und Weltbank wichtige Instrumente sind.

Die amerikanische Finanzministerin Janet Yellen plädierte für den Einzug des privaten Sektors zur Finanzierung staatlicher Klimaprogramme. Dafür sprachen sich auch Macron und Österreichs Wirtschaftsminister Martin Kocher aus.

Geopolitische Überlegungen

Etwas abseits vom Rednerpult erklärte die französische Außenministerin Catherine Colonna, ein wichtiges Ziel der Konferenz sei auch, zwischen Industrie- und Entwicklungsstaaten "Vertrauen herzustellen". Im Umgang mit aktuellen Krisen spreche man aneinander vorbei. Gerade Frankreich hat das direkt zu spüren bekommen, als seine Truppen in Mali durch russische Söldner ersetzt wurden. Und China läuft französischen Rohstoff- und Infrastrukturunternehmen längst den Rang ab.

Macrons "Finanzpakt" hat deshalb auch zum Zweck, die Bande zwischen dem Westen und dem Süden neu zu knüpfen – im Bemühen, dass die Staaten nicht näher an Moskau oder Peking rücken. Im Juli und August will der russische Präsident Wladimir Putin seinerseits bei zwei Gipfeltreffen – einmal mit afrikanischen, einmal mit Schwellenstaaten – auftrumpfen. Der Pariser Gipfel war damit wohl auch ein Versuch, die chinesische und die russische Vorwärtsstrategie zu kontern. (Stefan Brändle, Alicia Prager, 23.6.2023)