Es ist ein Thema, das die Gemüter erregt: Nikotin und Alkohol während der Schwangerschaft und der Stillzeit. Rauchen und Alkohol können für die Entwicklung des Ungeborenen sowie des Kleinkindes Risikofaktoren darstellen und sie beeinträchtigen. Um einen Überblick über die Dimension dieses Themas zu erhalten, wurde in einer Studie in Wien erstmals der Konsum während der Schwangerschaft und der Stillzeit erhoben. Die Ergebnisse wurden am Freitagabend präsentiert. Demnach rauchten zwölf Prozent der befragten Frauen zumindest gelegentlich während der Schwangerschaft: Das ist rund jede achte befragte Frau. 7,4 Prozent der Schwangeren rauchten täglich oder fast täglich. Dazu kamen weitere 4,5 Prozent, die manchmal oder selten rauchten (manchmal bedeutete mindestens einmal im Monat Tabakkonsum, selten bedeutete weniger als einmal im Monat).

85 Prozent der befragten Frauen konsumierten in der Schwangerschaft weder Alkohol noch Zigaretten. An der Studie nahmen 888 Frauen, die in einem Spital des Wiener Gesundheitsverbunds (Wigev) entbunden haben, mittels Onlinebefragung teil. Dazu kamen 32 qualitative Interviews mit schwangeren Frauen im letzten Trimester. Die Wiener Studie wurde im Auftrag des städtischen Büros für Frauengesundheit und Gesundheitsziele durchgeführt, umgesetzt hat sie die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) des Bundes.

Von jenen Frauen, die angaben, dass sie in den zwölf Monaten vor der Schwangerschaft Zigaretten konsumierten, rauchten knapp mehr als ein Drittel auch in der Schwangerschaft sowie nach der Geburt weiter. "Obwohl fast allen Frauen, auch das zeigen die Zahlen der Studie, die Gefahren für die Gesundheit der Babys durchaus bekannt sind", sagte Ewald Lochner, Koordinator für Psychiatrie, Such- und Drogenfragen der Stadt Wien. "Dass trotzdem viele weiterhin rauchen, zeigt, welch hohes Suchtpotential Nikotin hat."

Alkoholkonsum ging bei Schwangeren deutlicher zurück

Laut der Studie rauchen vor allem junge Frauen unter 25 Jahren signifikant häufiger: So rauchte fast jede vierte Befragte unter 25 Jahren auch in der Schwangerschaft. Signifikant häufiger zündeten sich auch Frauen mit einem niedrigen formalen Bildungsabschluss sowie mit Migrationshintergrund weiterhin zumindest gelegentlich auch in der Schwangerschaft Zigaretten an.

Beim Thema Alkohol gaben etwas weniger als zwei Drittel der befragten Frauen an, vor der Schwangerschaft zumindest gelegentlich getrunken zu haben. In der Schwangerschaft reduzierte sich dieser Wert viel deutlicher als beim Rauchen: So gaben insgesamt nur noch sechs Prozent der Frauen an, dass sie in der Schwangerschaft zumindest gelegentlich Alkohol getrunken haben – davon nur 0,3 Prozent täglich oder fast täglich. Von jenen Frauen, die angaben, dass sie in den zwölf Monaten vor Beginn der Schwangerschaft getrunken haben, konsumierten in der Schwangerschaft noch acht Prozent zumindest gelegentlich. Nach der Geburt erhöhte sich dieser Wert auf 26 Prozent.

Rund 3.100 Schwangere in Wien rauchen gelegentlich pro Jahr

Für die Studienautorinnen und -autoren ergab sich die Schlussfolgerung, dass geschätzt rund 3.100 schwangere Frauen in Wien pro Jahr zumindest gelegentlich rauchen. Etwa 1.100 Schwangere konsumieren zumindest gelegentlich Alkohol. "Dies verdeutlicht, dass Rauchen und Alkohol in der Schwangerschaft gesundheitspolitisch relevante Themen sind", heißt es in der Studie. "Insbesondere beim Rauchen lassen die Ergebnisse vermuten, dass bei den meisten Frauen eine Suchterkrankung vorliegt und deshalb ein Rauchstopp nicht gelingt." Neue zielgruppenspezifische Angebote zur Unterstützung sollten "gegebenenfalls" für junge Frauen, jene mit geringem Bildungsabschluss sowie mit Migrationshintergrund angedacht werden.

Die Anamnese, also die Erfragung und Aufzeichnung des Alkohol- und Zigarettenkonsums, ist im Mutter-Kind-Pass verpflichtend vorgesehen. Damit sei "eine gute Grundlage geschaffen, das Thema als selbstverständliches Thema zu etablieren", heißt es in der Studie. Verbesserungspotenzial wird aber in der Kommunikation von Konsumempfehlungen geortet: etwa dahingehend, warum Alkoholverzicht empfohlen wird.

Junge Frau raucht eine Zigarette.
Laut Schätzungen der Studienautoren dürften rund 3.100 schwangere Frauen in Wien pro Jahr zumindest gelegentlich rauchen.
REUTERS

Gläschen Alkohol zum "Anstoßen" als Reizthema

Im Rahmen der Studie wurden auch Hebammen sowie Gynäkologinnen und Gynäkologen mittels qualitativer Interviews (elf Personen) sowie per Onlinebefragung (209 Teilnehmerinnen) befragt. Demnach gaben 94 Prozent der Gynäkologen an, den Zigarettenkonsum ausnahmslos bei jeder Schwangeren zu erfassen. Beim Thema Alkohol waren es 80 Prozent. "Das Bewusstsein bei den Ärztinnen und Ärzten ist hoch, aber unser Ziel ist, dass alle Schwangeren im Rahmen der Schwangerenvorsorge aufgeklärt werden", sagte Kristina Hametner, Leiterin des Wiener Büros für Frauengesundheit und Gesundheitsziele. "Wichtig ist auch, das gelegentliche Glas Wein, den Sekt zum 'Anstoßen' zu thematisieren mit der klaren Botschaft: Jeder Schluck Alkohol kann dem Kind schaden."

Alkohol, Glas, Frau
Bei der Frage nach dem Gläschen zum "Anstoßen" ist die Meinung von Kristina Hametner, der Leiterin des Wiener Büros für Frauengesundheit und Gesundheitsziele, eindeutig: "Jeder Schluck Alkohol kann dem Kind schaden."
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Eine geringere Rolle in der Schwangerenvorsorge spielt die Abfrage von Passivrauchen oder dem Konsum von alternativen Nikotinprodukten: Laut Studie gaben knapp 20 Prozent der Gynäkologinnen und Gynäkologen sowie 15 Prozent der Hebammen an, Passivrauchen bei allen Schwangeren zu erfassen. Die Abfrage des Konsums von E-Zigaretten und ähnlichen Produkten ist bei vier von zehn Ärztinnen und Ärzten Thema, bei den Hebammen erfasst nur eine von zehn die alternativen Nikotinprodukte. Lochner, Koordinator für Psychiatrie, Such- und Drogenfragen der Stadt Wien, wies darauf hin, dass gerade bei Jüngeren E-Zigaretten oder Nikotinbeutel immer beliebter werden. "All diese Produkte stellen eine Gefahr dar und dürfen auf keinen Fall verharmlost werden", sagte Lochner. E-Zigaretten dürften nicht zur Reduktion des Zigarettenkonsums als Entwöhnung angeboten werden.

Die Wiener Sucht- und Drogenkoordination streicht aber auch die positiven Aspekte heraus, die sich im Rahmen der Studie herauskristallisiert hätten: Demnach gaben 31,8 Prozent der Frauen an, dass sie in den zwölf Monaten vor einer Schwangerschaft weder Alkohol noch Zigaretten konsumiert haben. In der Schwangerschaft erhöhte sich dieser Wert auf 84,1 Prozent. Rund die Hälfte der Frauen, die täglich oder fast täglich rauchten, gaben ihren Konsum während der Schwangerschaft auf. "Bei Alkohol sind es sogar 90 Prozent, die ihren Konsum komplett beendeten", hieß es in einer Stellungnahme. (David Krutzler, 24.6.2023)