Wieder hängen graue Wolken über Wien, immer wieder tröpfelt es. Es wirkt, als müsste die Donauinsel erst aus einem Tiefschlaf erwachen – nach einer fulminanten Nacht. Am Freitag, dem ersten Tag des Donauinselfests, wurden Personen, die zur Hauptbühne unterwegs waren und RAF Camora sehen wollten, aufgefordert, nicht mehr zu kommen – so groß war der Andrang. Man geht davon aus, dass am Freitag ein neuer Besucherrekord aufgestellt wurde.

Und trotzdem: Schon am Samstagnachmittag queren wieder viele Menschengruppen die Donau über die U6-Brücke. Mehrere junge Männer ziehen einen kleinen pinken Bollerwagen voller Bierdosen aus der S-Bahnstation Handelskai. Die gute Laune sitzt. Viele Jugendliche sind bereits auf den Weg zum Inselfest, obwohl die meisten Bühnen erst am Abend richtig losstarten.

Besucher vor der Festbühne am Donauinselfest
Das Wetter dämpfte am zweiten Tag den Besucherandrang– vorerst.
APA/Florian Wieser

Nachdem die U6-Brücke überwunden ist und die Absperrgitter des Festgeländes auftauchen, gilt es, die erste Hürde zu bewältigen: vorbei an den Securities und zwar mit einer Wurstsemmel, einer Banane, mehreren Müsliriegeln und eine Flasche, nicht mehr als einen halben Liter fassend, die der Reporter zu Testzwecken mit einem Gemisch aus Wasser und Schnaps befüllt hat.

Was nun als "Snack" durchgeht und wie genau die Sicherheitskräfte die Flasche kontrollieren, wird sich zeigen – die Mitnahme von größeren Mahlzeiten und alkoholischen Getränken ist laut Hausordnung verboten.

"Gehen S' ruhig durch"

Dass die großen Menschenmengen erst etwas später zu erwarten sind, macht sich bezahlt. Ob der Rucksack kontrolliert wird? "Passt schon, gehen S' ruhig durch", sagt eine Sicherheitsperson. Die strengen Kontrollen, wie man sie vom Abend kennt, bleiben noch aus. Essen und Trinken landen also nicht in den Mülltonnen, die bereits neben den Absperrgittern bereit stehen, um geschmuggelte Getränke zu entsorgen.

Damit geht es an die eigentliche Mission: das Donauinselfest auszukosten – und das mit 40 Euro. Ein Euro für jedes bisherige Jahr Inselfest.

Vier Zehn-Euro-Scheine in einer Hand. 
Sind 40 Euro genug, um als Einzelperson beim Donauinselfest durchzukommen?
Stepan

Bürgermeister Michael Ludwig will der Bevölkerung mit dem Donauinselfest, das von der Wiener SPÖ veranstaltet wird, in Zeiten der Teuerung "etwas zurückgeben, für die vielen Herausforderungen, mit denen sie in ihrem täglichen Leben zu kämpfen haben", wie er jüngst verkündete. Ist das Donauinselfest aber auch abgesehen vom kostenlosen Eintritt ein Ort für Schnäppchenjäger?

Neben der Bühne, vor der sich hunderte Meter lang die Festwiese ausbreitet, geht es vorbei an vereinzelten Gatschlacken, zerbrochenen Sonnenbrillengläsern und den Überresten von Konfettiregen, die die Besuchermassen von Freitag noch erahnen lassen. Der erste Halt: einer der unzähligen Getränkestände. Dort gibt es ein Krügerl um insgesamt acht Euro – zwei davon sind Einsatz. Sind die Getränkestände nicht allzu bevölkert, lässt sich der Becher noch leicht zurückbringen.

Am späteren Abend, wenn sich die Massen um die Bühnen scharen, wird ein Getränk zu holen oder Pfand zurückzuverlangen fast eine Aufgabe der Unmöglichkeit. Spätestens dann dürften viele dazu tendieren, den Becher einfach am Festgelände zu hinterlassen – und dann kostet das Bier tatsächlich acht Euro.

Gratisstärkung vom Glücksrad

Um das Budget nicht gleich zum Start sehr auszureizen, geht es als nächstes zu einem Zelt, in dem sich mit Hilfe eines Glücksrads gratis Kleinigkeiten gewinnen lassen. Das Rad dreht sich – der Gewinn fällt auf ein Sackerl Gummibärli. Nicht die größtmögliche Ausbeute, aber immerhin.

Da kommen zwei Personen, die für einen Mobilfunkanbieter Goodies verteilen, gerade recht. Dem Reporter werden ein Strohhut und eine Sonnenbrille ausgehändigt. Beides scheint in Ermangelung von Sonne zwar nicht zwingend nötig. Aber auch die Sonne wird man auf der Insel sicher irgendwann wieder sehen.

Kraftprobe für Babler und Ludwig

Bald meldet sich allerdings der Hunger – und da kommt man ohne Geld am Donauinselfest nicht weit. Die Wahl fällt auf einen Hot Dog mit Käsekrainer um sieben Euro. Obwohl kein kulinarisches Highlight, schrumpft das verbleibende Budget damit auf 27 Euro. Als Nachspeise gibt es ein Eis um zwei Euro.

Die Besucher auf der Donauinselfest am Weg zu den verschiedenen Bühnen.
Die Inselbesucher hielten sich zu Beginn des zweiten Tages vor allem zwischen den Bühnen auf.
APA/Florian Wieser

Währenddessen sind es vor allem Familien mit ihren Kindern, die die ersten Auftritte auf der Festbühne feiern. Dass der Besucherandrang langsam größer wird, zeigt sich vor allem bei den kleineren Zelten. Dort stehen die Menschen Schlange vor einem Actionpark des Bundesheers, in dem fünf Soldaten versuchen, einen 20 Tonnen schweren Lastwagen mit einem Seil zu ziehen.

Auch zwei prominente Inselbesucher lassen es sich nicht entgehen, ihre Muskelkraft unter Beweis zu stellen: SPÖ-Chef Andreas Babler und Bürgermeister Ludwig probieren ebenfalls, den Laster in Bewegung zu setzen. Zu zweit klappt es aber nicht ganz: Einige Personen müssen mithelfen, um die Räder des Fahrzeugs ein paar Zentimeter vom Fleck zu bringen. Wer selbst Hand anlegen will, kann unweit der Soldaten bei der Berufsfeuerwehr Wien versuchen, ein Unfallauto mit einer mechanischen Bergeschere zu zerschneiden.

SPÖ-Chef Andreas Babler und Bürgermeister Michael Ludwig (beide SPÖ) versuchen einen Laster in Bewegung zu setzen.
SPÖ-Chef Andreas Babler und sein Parteikollege Bürgermeister Michael Ludwig versuchen einen Laster in Bewegung zu setzen.
APA/Florian Wieser

Kostspieliges Wasser

Zwischen den Aktivitäten, den unzähligen Zelten und den Polizeiautos, die versuchen, sich ihren Weg durch die Menschenmengen zu bahnen, machen zwei Zelte mit Sonnenschirm lautstark auf sich aufmerksam: Aus den Lautsprechern fetzen Ballermann-Hits. "Layla" sorgt für ein extra lautes Grölen der jungen Leute vor dem Stand. Auf dem Zelt selbst sind unzählige Zettel abgebildet und auf diesen wiederum Mitschgetränke: Cola mit Rum, Orangensaft mit Wodka. Garantiertes Schädel-Brummen am nächsten Tag. Es soll eine Beeren-Bowl um neun Euro werden. 

16 Euro, nicht mal die Hälfte des Budgets, sind noch übrig. Da dezimiert ein Becher Wasser um fünf Euro, um die Bowl hinunterzuspülen, das Budget abermals. Auch der Toilettengang, oder wie es die MA 48 auf ihren Containern schreibt, eine "Sitting Ovation", belastet das Börsel mit 50 Cent.

Schlüsselanhänger als Andenken

Das restliche Geld dürfte noch für den Designermarkt reichen, der seine Pforten heuer erstmals hinter der Festbühne aufgeschlagen hat. Keine leichte Aufgabe mit den restlichen rund zehn Euro. Dort tummeln sich bereits etliche Personen, die mit den Programm auf den Bühnen noch nicht so viel anfangen können.

T-Shirts, Schmuck, Seifen, Bademäntel, Turnbeutel – alles nicht mehr im Rahmen des Budgets. Die Wahl fällt auf einen kleinen hölzernen Schlüsselanhänger aus Olivenholz mit der Aufschrift "Donauinselfest", der mit fünf Euro zu Buche schlägt. 

Wer in der Nähe des Fests wohnt, wird wohl auch noch die restlichen rund fünf Euro anzubringen wissen – Shots gibt es etwa um 3,50 Euro. Muss man aber ins Wiener Umland, ist Geld für ein Zugticket nötig, um die Insel wieder zu verlassen. Zum Glück ist noch der geschmuggelte Proviant übrig. Um es mit Rainhard Fendrich zu sagen, der schon mehrmals auf dem Donauinselfest spielte: "I hab kane Lire. Sowas haut di net fire." (Max Stepan, 24.6.2023)