Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock mit Amtskolleginnen und -kollegen.
Annalena Baerbock inmitten des EU-Außenministerrats. Sie verschob eigens eine Reise nach Südafrika, um das Engagement Deutschlands für die Ukraine zu unterstreichen.
Imago / Thomas Koehler

Jeden Eindruck vermeiden, wonach die Europäische Union sich in innerrussische Machtkämpfe einmischen wolle, und gleichzeitig vor aller Welt deutlich machen, dass das gemeinsame Engagement der Mitgliedsstaaten für die Ukraine stärker ist denn je: Das war die Generallinie, die die EU-Außenminister bei ihrem regulären Ratstreffen am Montag in Luxemburg einschlugen.

Naturgemäß stand der bewaffnete und nach wenigen Stunden wieder beendete Aufstand der irregulären Wagner-Truppen unter ihrem Anführer Jewgeni Prigoschin gegen die Führung in Moskau am Wochenende im Zentrum der Beratungen. Es gebe keine Informationen, wo sich der Chef der Söldnerarmee aufhalte, erklärte der österreichische Vertreter Alexander Schallenberg. Prigoschin soll auf Vermittlung des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko Exil in Belarus bekommen haben und so wie seine Kämpfer auf Anordnung des russischen Präsidenten Wladimir Putin straffrei bleiben.

Ob diese Version vom Wechsel nach Belarus überhaupt stimmt, ist unklar. Schallenberg meinte, es sei "nicht schlecht, wenn Prigoschin von der Bildfläche verschwindet". Man habe fast ungläubig zugeschaut, "wie ein größenwahnsinniger Söldnerführer seine Truppen in Bewegung setzt und es bis auf 200 Kilometer vor Moskau schafft".

Der österreichische Außenminister sieht "Risse im Machtgefüge" im Kreml, der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell glaubt Putin durch den Aufstand massiv geschwächt: "Das, was dieses Wochenende in Russland passiert ist, zeigt, dass der Krieg gegen die Ukraine die Militärmacht Russland spaltet und das politische System beeinflusst", sagte der Spanier. Umso wichtiger sei es, nun die Ukraine zu unterstützen.

Milliarden für Waffen in Ukraine

Auf Antrag Borells beschlossen die EU-Außenminister, den Rahmen des gemeinsamen Militäretats deutlich auf insgesamt zwölf Milliarden Euro zu erhöhen. Sie genehmigten weitere 3,5 Milliarden Euro. Bisher sind 4,6 Milliarden Euro für Waffen und Munition an die ukrainischen Streitkräfte freigegeben worden. Im langfristigen EU-Finanzrahmen für die sieben Jahre von 2021 bis 2027, der 2020 noch vor Kriegsausbruch in der Ukraine beschlossen worden war, waren ursprünglich nur fünf Milliarden Euro in der sogenannten "Friedensfazilität" vorgesehen, in einem Sonderposten, nicht als Teil des regulären EU-Budgets. Davor gab es de facto keinen eigenen EU-Militäretat. In den Genuss von Militärhilfe kommt aber nicht nur die Ukraine, sondern auch andere Länder wie Bosnien-Herzegowina, Georgien, der Libanon oder Mauretanien.

Neben den gemeinsamen Militärausgaben für die Ukraine geben die EU-Mitgliedstaaten zusätzlich ein Mehrfaches für Waffenhilfe an die Ukraine aus, am meisten Deutschland. Wie der deutsche Kanzler Olaf Scholz am Wochenende betonte, werde sein Land an der Unterstützung der Ukraine festhalten.

Borrell erklärte, die jüngste Budgetentscheidung der EU-Außenminister stelle sicher, dass die Finanzierung der Waffenlieferungen wie bisher weitergehen könnte. Die Friedensfazilität habe die Art, wie man Partner militärisch unterstützen könne, völlig verändert. Vorschläge für Waffen- und Munitionslieferungen kommen – so wie bei Sanktionen gegen das Regime Putins – von Borrell bzw. dem EU-Außendienst.

Beschlüsse der Staaten dazu müssen einstimmig erfolgen, was immer wieder zu Problemen führt. So hat die Regierung des ungarischen Premierministers Viktor Orbán immer wieder per Veto blockiert, zuletzt eine Tranche von 500 Millionen Euro für die Ukraine. Laut dem Außenminister Peter Szijjarto werde man die Blockade erst aufgeben, wenn die Ukraine die ungarische Bank OTP von einer schwarzen Liste der Russland-Unterstützer nehme.

4000 deutsche Soldaten in Litauen

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock verschob extra eine geplante Reise nach Südafrika, um beim EU-Ministertreffen in Luxemburg dabei zu sein und die Position Berlins zu unterstreichen. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius kündigte bei einem Besuch in Litauen an, sein Land werde dauerhaft 4000 Soldaten in dem Land stationieren. Das sind Kampftruppen zur Verteidigung bei einem Angriff. Das Engagement läuft im Rahmen der Stärkung der Ostflanke der Nato. Deutschland ist auf einem Stützpunkt bereits seit der Annexion der Krim durch Russland präsent.Kommentar Seite 28

Annalena Baerbock inmitten des EU-Außenministerrats. Sie verschob eigens eine Reise nach Südafrika, um das Engagement Deutschlands für die Ukraine zu unterstreichen. (Thomas Mayer, 26.6.2023)