Johannes Dieterich aus Johannesburg

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und Südafrikas Pendant Naledi Pandor
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und Südafrikas Pendant Naledi Pandor vor der Presse.
AP/Themba Hadebe

"Südafrika ist ein internationales Schwergewicht und einer der Führer des Kontinents", schickte Annalena Baerbock ihrem Besuch am Kap der Guten Hoffnung in einem südafrikanischen Zeitungsbeitrag voraus: "Wenn das Land Nelson Mandelas und Desmond Tutus seine Stimme erhebt, dann hört die Welt zu." Derartige Schmeicheleien sind in diplomatischen Kreisen nie absichtslos: Um Südafrikas Regierung ist ein weltweiter Buhl-Boom ausgebrochen – kaum eine Woche vergeht ohne das Erscheinen eines ausländischen Spitzenpolitikers in Pretoria. Frankreichs Außenministerin Catherine Colonna war da, Hollands Premierminister Mark Rutte sowie seine dänische Amtskollege Mette Frederiksen – und gleich zweimal in Folge Russlands Chefdiplomat Sergej Lawrow.

Auch wenn im Umkreis Baerbocks darauf verwiesen wird, dass der Besuch der Ministerin im Rahmen der deutsch-südafrikanischen "Binationalen Kommission" von langer Hand geplant war: Punktgenauer hätte die Grünen-Politikerin in Pretoria nicht eintreffen können. Drei Tage nach Jewgeni Prigoschins Meuterei öffnet sich ein Türchen, um Südafrikas Regierung von ihrem umstrittenen Russland-Kurs abzubringen, der in Pretoria als "blockfrei" oder "neutral" bezeichnet wird, außerhalb der ANC-Regierung jedoch sowohl im In- wie im Ausland auf heftige Kritik stößt. Der Druck, mit dem Südafrika auf die westliche Seite gebracht werden soll, nimmt zu: Manche versuchen es wie Washington mit massiven Drohungen, etwa die Handelspräferenzen abzubrechen. Andere, wie Annalena Baerbock, versuchen es mit Charme.

Wichtigster Handelspartner in Afrika

Die Außenministerin verwies bei ihrem wegen der Ereignisse in Moskau auf einen Tag verkürzten Besuch am Dienstag in Pretoria darauf, dass Südafrika Deutschlands wichtigster Handelspartner in Afrika ist: Mehr als 500 deutsche Firmen haben hier investiert. Die mit Abstand größte Branche ist die Automobilindustrie: Die hiesigen VW-, BMW- und Mercedes-Werke beschäftigen mehr als 100.000 Arbeitskräfte und sorgen für zehn Prozent der südafrikanischen Industriegüterexporte. Die unausgesprochene Botschaft solcher Hinweise: Pretoria möge die "mehr als ausgezeichneten Beziehungen" (Baerbock) mit Deutschland nicht aufs Spiel setzen, Südafrikas Handelsbeziehungen mit Russland tendieren gegen null. Dasselbe Argument führen derzeit auch Südafrikas Unternehmen ins Feld, die das Kap der Guten Hoffnung am Scheideweg sehen: links, in westlicher Richtung, der demokratische Weg, der zu Frieden und Wohlstand führen soll. Rechts der Weg Russlands in die Autokratie und den Ganovenstaat.

Bei ihren gemeinsamen Auftritten setzte Baerbock gegenüber ihrer Amtskollegin Naledi Pandor ihre Charmeoffensive fort: Sie spricht die ANC-Politikerin mit "Du" und ihrem Vornamen an: Immer wieder wird betont, dass der Wertekanon der südafrikanischen Regierung mit dem deutschen übereinstimme. Dennoch vermeidet Pandor nach wie vor beharrlich, Putin für seinen Überfall auf die Ukraine zu verurteilen: Eine Parteinahme wäre den afrikanischen Friedensbemühungen hinderlich. Auch nach dem umstrittenen Kiew- und Moskau-Besuch der afrikanischen Präsidenten vor zehn Tagen würde die Mission fortgesetzt, kündigt Pandor an: Derzeit würde ein Termin für eine zweite Runde vereinbart.

Entwöhnung von Kohle

Russland ist nicht das einzige heiße Thema zwischen Deutschland und Südafrika. Ein anderes ist die zwischen Berlin und Pretoria geschlossene "Partnerschaft für eine gerechte Energiewende", die als Prototyp vieler anderer derartiger Partnerschaften in aller Welt dienen soll. Gemeinsam mit den USA, Großbritannien und der EU will Deutschland 8,5 Milliarden Dollar an Finanzhilfen vor allem für die Entwöhnung Südafrikas von seiner Kohle zur Stromgewinnung zur Verfügung stellen: eine Initiative, die in Pretoria nicht unumstritten ist. Energieminister Gwede Mantashe weigerte sich kürzlich, seine Unterschrift unter eine Absichtserklärung über die Verwendung dieser Mittel zu setzen: Der ehemalige Kohlekumpel wehrt sich dagegen, dass der Westen Afrika ständig vorschreiben wolle, was zu tun sei.

Der neuralgische Punkt vieler afrikanischer Politiker: dass sie von Europäern gesagt bekommen, wo es langgeht. Außenminister Pandor bedankt sich bei der deutschen Amtskollegin, dass diese ihre Haltung in Sachen Ukraine gelten lässt: Politik auf Augenhöhe, wie es im Berliner Diplomatenjargon heißt. Dass Baerbock und Pandor nicht nur vom selben Geschlecht, sondern von derselben Körpergröße sind – auch das kam dieser Politik zugute. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 27.6.2023)