Schick, egal ob mit dem beiliegenden Titanarmband oder anderen.
STANDARD, aam

"Bewege dich", schlägt die Huawei Watch 4 Pro vor. Ich sitze im Auto und überlege, wie ich die Vorgabe der Smartwatch in die Tat umsetzen soll. Ich wackle ein wenig mit den Armen, schüttle meine Beine und haue mir dabei den Fuß an.

Das Leben mit einer Smartwatch ist nicht immer einfach, vor allem, wenn sie so bossy ist wie die neueste Watch vom chinesischen Hersteller Huawei. Aufgrund des massiven Designs ist man allerdings schnell Gesprächsthema am Stammtisch mit Freunden, und was die Funktionen betrifft, hat man über die Jahre ebenfalls dazugelernt. Nach zwei Wochen mit dem eleganten Teil muss ich sagen, das Leben ist besser mit einer Smartwatch, auch wenn es natürlich Kritikpunkte gibt.

Noch 100 Prozent Akku

Schält man die Uhr aus dem edlen Karton, wird schnell klar, dass Huawei mit der Uhr klotzen und nicht kleckern will. Mit einer Tiefe von 16,5 Millimetern und 66 Gramm wirkt das Teil auf dünnen Armen viel zu bullig. Hat man einigermaßen muskulöse Arme, etwa vom Tippen mehrerer Artikel pro Tag, dann wirkt die Uhr noch immer wuchtig, aber nicht übertrieben. Eine Uhr war immer ein Statement, und das will die 4 Pro offenbar auch abgeben.

Das beigelegte Titanarmband, das noch einmal rund 50 Gramm wiegt, hat der Autor dieser Zeilen aufgrund des für Sport ungeeigneten Designs gegen das Plastikarmband der Watch 2 getauscht. Praktisch, dass sich die Dimensionen der Uhren in Sachen Armbänder offenbar über die Jahre nicht geändert haben.

Ständig motiviert die Uhr zur Bewegung ... ständig!
STANDARD, aam

Noch 80 Prozent Akku

In den zwei Wochen Testzeitraum habe ich die Uhr alles mitmachen lassen, was mein unaufgeregtes Leben zu bieten hat. Duschen ist überhaupt kein Problem, im Italienurlaub hätte ich damit sogar bis zu 30 Metern tauchen können, verspricht der Hersteller. Auch gelegentliches Anstoßen an Plastiksesseln, Türrahmen oder zu früh in die U-Bahn einsteigenden Passanten hält die Uhr ohne Probleme aus.

So hat die Uhr auch heute dank kratzfestem Glas noch immer das strahlende Aussehen vom ersten Tag. Das kontrastreiche AMOLED-Display ist in der Regel gut lesbar, außer bei direkter Sonneneinstrahlung. Durch die Apps bewegt man sich via Touchscreen oder die Drehkrone an der Seite. Die Reaktionszeiten lassen bei der Touch-Steuerung manchmal zu wünschen übrig, einzelne Apps lassen sich aber gut auswählen.

Wie gewohnt funktioniert die Uhr nur in Zusammenarbeit mit der Huawei Health App, die man zuvor auf seinem Smartphone, unabhängig vom Betriebssystem, installieren muss. Durch diese Zusammenarbeit kann man dann aber auch von den zahlreichen Gesundheitsdaten profitieren, die von der Uhr gesammelt und in der App übersichtlich dargestellt werden.

10.000 Schritte, Ringe schließen – zahlreiche Angaben motivieren zum Weitermachen.
STANDARD, aam
Trainings sollten manuell gestartet werden, die Software ist hier meist zu langsam.
STANDARD, aam
In der App lassen sich etliche Daten auslesen.
STANDARD, Screenshot, Huawei Health

Noch 60 Prozent Akku

Im Vordergrund auch dieser Uhr stehen die rund 100 Modi für diverse Fitness- und Gesundheitsmessungen. Auf eine automatische Erkennung einer Ruderbewegung oder des morgendlichen Jogging-Ausflugs sollte man sich jedoch nicht verlassen. Hier greift die Software beispielsweise bei Apple wesentlich schneller und verlässlicher. Dafür werden auch Schwimmbewegungen einigermaßen genau dokumentiert, und fast jede Nischensportart steht als Programm zur Verfügung.

Wie bei Apple gilt es auch hier die Aktivitätsringe zu schließen, was durchaus motivieren kann, noch einige Schritte zusätzlich zu gehen. Generell gibt sich die Uhr Mühe, die Besitzerin beziehungsweise den Besitzer zur Bewegung anzustacheln. Abgesehen von stündlichen Rufen zur Bewegung, die man auch deaktivieren kann, wird bei 10.000 getanen Schritten nicht nur ein Feuerwerk am Display gezündet, sondern auch der dazu passende Sportschuh eingeblendet.

Besonders motivierte Naturen stellen sich Trainingsprogramme zusammen und können sich auf diese Weise selbst prüfen, ob sie denn täglich ihr Ziel erreicht haben. Passend zu den Sportfunktionen kann die Uhr auch die Herzfrequenz mitbeobachten und stößt bei zu hohen oder niedrigen Werten einen Alarmton aus.

Die Uhr ist massiv, speziell an dünnen Armen.
STANDARD, aam
Schlafzeiten sollten auch der Uhr kommuniziert werden, sonst meldet sie sich zu den schlechtesten Zeiten.
STANDARD, aam

Noch 40 Prozent Akku

Die Watch 4 Pro ist, wie der Name verrät, nicht die erste Smartwatch des chinesischen Tech-Unternehmens. Zuletzt versuchte man etwa mit der Watch Ultra Konkurrenz zur Apple Watch Ultra abzuliefern. Neuerungen sind deshalb an einem Finger abzuzählen. Mit "Health Glace" hat diese Neuerung sogar einen Namen. Sinn dieses Features ist es, innerhalb von einer Minute einen Überblick über die eigene Gesundheit abzuliefern. So werden sowohl die durchschnittliche Herzfrequenz, der Stresslevel, die Hauttemperatur sowie der Sauerstoffgehalt im Blut (SpO2) gemessen und zudem ein EKG durchgeführt.

Mit einem abschließenden Atemtest beendet man den digitalen Check. Dieser soll keinen Arztbesuch ersetzen, wie die Uhr verrät, aber auf mögliche Unregelmäßigkeiten hinweisen.

Solche Unregelmäßigkeiten im Schlaf festzustellen steht auch auf der Agenda der Uhr, falls man sie auch nachts tragen will. Die Auswertung der Schlafdaten weist aber Ungenauigkeiten auf, da sie offenbar Wachphasen in der Nacht nicht genau erkennen kann. Wer vergisst, auch die Uhr in den Schlafmodus zu versetzen, der bekommt um 23 Uhr noch hell leuchtende und mit Ton versehene Nachrichten, die auf die eigene Schlafengehenszeit hinweisen. Danke dafür.

Noch 20 Prozent Akku

Die Akkulaufzeit von etwa fünf Tagen wird mit einigen funktionstechnischen Einschnitten erkauft. So kann man weiterhin – zumindest auf iPhone – nicht auf Nachrichten antworten. Auch das Durchblättern durch mehrere Nachrichten ist wenig intuitiv gelöst. Anrufe kann man dafür direkt annehmen und einigermaßen gut verstehen. Wenn man aber nicht gerade mit einem sprechenden Auto eine Unterhaltung führt, ist die Kommunikation via Uhr noch immer eine wenig praktikable oder besonders coole.

Bezahlt kann mit der Uhr nicht werden, dank eSIM- und WLAN-Funktion kann man die Uhr aber unabhängig vom Smartphone nutzen, was für diverse Anwendungen durchaus Sinn ergibt. So kann beispielsweise Musik direkt auf die Uhr geladen werden, zumindest bei Android.

Verfügbar ist die Smartwatch bereits seit dem 13. Juni 2023. Die Titan-Version kostet 649 Euro, mit Lederarmband kann man die Watch 4 Pro bereits für 549 Euro erstehen.

Der Akku hält knapp fünf Tage.
STANDARD, aam

Fazit, Akku leer

"Los geht's! 15 Minuten von Ihrem Trainingsziel entfernt." Ähnlich wie andere Smartwatches versucht auch die Watch 4 Pro, meinen Fitnesslevel zu erhöhen. Ich muss zugeben, das funktioniert immer wieder. Jedes Mal erhebe ich mich zwar nicht vom Sessel, wenn mich die Uhr dazu auffordert, aber die Aktivitätsringe zu schließen, wenn man kurz davor ist, hat mich schon bei der Apple Watch gereizt.

Als iOS-Nutzer würde ich aufgrund einiger Einschränkungen – kein direktes Antworten auf Nachrichten, kein schnelles Erkennen von Trainings – dennoch bei der Apple Watch bleiben, auch wenn diese weiterhin in Sachen Akku zu Kompromissen zwingt. Wer ein Android-Smartphone besitzt und nichts gegen chinesische Hardware einzuwenden hat, der findet mit dieser Smartwatch ein bulliges, aber durchaus elegantes Schmuckstück vor, das auch in Sachen Funktionsumfang zu überzeugen weiß. Was man bei all dem Firlefanz nämlich nicht vergessen darf, ist, dass man auf einer Smartwatch auch ganz einfach die Uhrzeit ablesen kann, ohne das Smartphone aus der Tasche holen zu müssen. Ein Luxus, den man mit der Zeit zu schätzen weiß. (Alexander Amon, 28.6.2023)