Szene aus Notaufnahme
Spitalsambulanzen leiden unter Überlastung: Läuft alles so weiter wie bisher, breche das System zusammen, so eine weitverbreitete Warnung.
Heribert Corn

Die Regierung läuft ihrem Zeitplan hinterher. Für Ende Juni hatte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) eine grundsätzliche Einigung über den anstehenden Finanzausgleich, der die Verteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden für die nächsten fünf Jahre regeln soll, angepeilt. Davon ist nun, in den letzten Tagen des Monats, nichts zu merken – doch am 3. Juli findet eine nächste Verhandlungsrunde statt. Zeichnet sich ein Durchbruch ab? In Rauchs Büro will man sich auf keinerlei Prognosen einlassen, aus dem ÖVP-geführten Finanzministerium heißt es: Ziel sei eine Gesamtlösung bis Ende September. 

Dabei sind sich die Protagonisten in einer Diagnose im Grunde einig: Läuft alles so weiter wie bisher, fahre das System "an die Wand" (Rauch). Obwohl es im Prinzip bessere Alternativen gäbe, ließen sich hierzulande viel zu viele Menschen in den Spitälern behandeln – die für den Staat teuerste Variante. Um das zu ändern, müsse das ärztliche Angebot des sogenannten niedergelassenen Bereichs außerhalb der Krankenhäuser massiv ausgebaut werden. Sonst würden die überlasteten Spitäler unter den Kosten allmählich zusammenbrechen.      

Doch wie viel wofür genau investiert wird, ist umstritten. Trotz der anvisierten Umleitung von Patientinnen und Patienten in Arztpraxen und Ambulanzen erwarten sich die für die Spitäler zuständigen Länder mehr Geld – schließlich treibe die Alterung der Gesellschaft die Kosten so oder so in die Höhe. Genau das hält ein anderer Player, die für den niedergelassenen Bereich verantwortliche Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), aber für "den falschen Weg": Jeder Euro, der zusätzlich für die Spitäler fließe, argumentieren die beiden Obleute Matthias Krenn und Andreas Huss, fehle für die alternativen Angeboten.

Kampf um jeden Euro

Als Schlüsselprojekt hebt das Duo, das halbjährlich den Vorsitz in der ÖGK tauscht, den Ausbau der Primärversorgungszentren hervor. Hierfür gibt es schon eine Zusage der Regierung: Bis 2025 soll die Zahl dieser multiprofessionellen, mit großzügigen Öffnungszeiten ausgestatteten Einrichtungen, die neben dem klassischen Hausarzt etwa auch Psychotherapeuten, Physiotherapeuten und Sozialarbeiter beherbergen sollen, von 40 auf 120 anwachsen. "Sehr sportlich" nennt Arbeitnehmervertreter Huss, ab Juli wieder Obmann, diese Ankündigung Rauchs.

In Summe will die ÖGK in den nächsten Jahren 500 zusätzliche Stellen für Ärzte mit Kassenvertrag schaffen. Um dafür genügend Anwärter zu finden, brauche es aber einen einheitlichen Leistungskatalog und Gesamtvertrag. Derzeit bekommen Kassenärzte Leistungen je nach Bundesland unterschiedlich abgegolten. Um die neuen Stellen attraktiv zu machen, müssten sich künftige einheitliche Regelungen am derzeit jeweils höchsten Niveau orientieren. 

Das alles kostet. Kein Wunder, dass die Finanzausgleichsverhandlungen – wie Arbeitgebervertreter Krenn sagt – auf "ein großes Gerangel um Geld" hinauslaufen.

Mit der Ärztekammer im Clinch

Ein Ziel der ÖGK ist besonders kontrovers. Der Staat könne nicht dabei zuschauen, wenn immer mehr Mediziner aus den Spitälern ausscheiden, weil sie stattdessen als Wahlärzte arbeiten wollen, sagt Huss: "Wir verlieren sie im öffentlichen System." Als Gegenmaßnahme schweben ihm strengere Regeln vor: Huss will Wahlärzte etwa für Bereitschaftsdienste einsetzen und Spitalsärzten diese Nebentätigkeit nur dann erlauben, wenn sie in ihrem Hauptjob Vollzeit arbeiten.   

Außerdem sollen Wahlärzte verpflichtet werden, das E-Card-System zu verwenden – derzeit tun das nur 460 von 11.000 Wahlärzten. Eines der Probleme dahinter aus Sicht der ÖGK: Wenn Patienten sich nach Wahlarztbesuchen wieder im öffentlichen Gesundheitssystem behandeln lassen, fehlten sämtliche Informationen – was zu überflüssigen Doppelbehandlungen führen könne. Wahlärzte seien eine "Blackbox", sagt Huss.

Die Ärztekammer wertet den Vorschlag allerdings als Anfeindung. Werde er gezwungen, für seine kleine Wahlarztordination das E-Card-System zu installieren, würde er schließen oder den Patienten sagen, dass sie eben nichts von der Krankenkasse rückerstattet bekommen, argumentiert Vizepräsident Harald Mayer: "Kolleginnen und Kollegen zu erpressen wird das System nicht verbessern". (Gerald John, 28.6.2023)