Budapest – Die ungarische Justizministerin Judit Varga hat mit Blick auf den kommenden EU-Wahlkampf ihren Rücktritt zum 31. Juli angekündigt. "Diese Aufgabe fordert den gesamten Menschen", sagte sie in einem Interview mit der regierungsnahen Tageszeitung "Magyar Nemzet" (Mittwoch, online). Ihr Nachfolger soll der derzeit im Kabinett von Premier Viktor Orbán tätige Staatssekretär Bence Tuzson werden, meldete die amtliche Nachrichtenagentur MTI mit Berufung auf einen Sprecher Orbáns.

Judit Varga
Judit Varga gilt als enge politische Weggefährtin des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán.
AP/Olivier Matthys

Die Information, dass sie Spitzenkandidatin für Fidesz bei der Europawahl sein wird, wollte sie gegenüber der Zeitung vorerst nicht offiziell bestätigen. "Dafür ist noch die Bestätigung des Fidesz-Parteivorstandes notwendig", sagte sie. Die Europawahlen finden europaweit zwischen 6. und 9. Juni 2024 statt, in Ungarn voraussichtlich am 9. Juni, gemeinsam mit den Kommunalwahlen.

EU hält derzeit 30 Milliarden Euro an Förderungen zurück

Varga gilt als enge politische Weggefährtin des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Orbán. Die heute 42-jährige Juristin war bereits ab 2009 als politische Beraterin für die Fidesz-Abgeordneten im EU-Parlament tätig gewesen. Sie wurde im Mai 2018 Staatssekretärin für die Beziehungen zur EU, im Juli 2019 Justizministerin, wobei die EU-Agenden bei ihr verblieben. In den zahlreichen Konflikten ihres Landes mit der EU – etwa in der Frage der Rechtsstaatlichkeit – erwies sich die mehrere Sprachen sprechende Ministerin als streitbare Politikerin, die dem Standpunkt ihres Regierungschefs Gehör verschaffte. Sie konnte dabei allerdings nicht immer überzeugen.

Tatsächlich verlor Ungarn in den vergangenen Jahren an Terrain in der EU – wobei ausschließlich Orbán die diesbezügliche Politik vorgibt. Wegen der rechtsstaatlichen Defizite in Ungarn, darunter eine nur eingeschränkt unabhängige Justiz und mangelnde Bekämpfung der Korruption, hält die EU derzeit rund 30 Milliarden Euro an EU-Förderungen für Ungarn zurück.

Der künftige Justizminister Tuzson war jahrelang in der Budapester Bezirkspolitik tätig und ist seit 2014 Parlamentsabgeordneter von Fidesz. Der 51-jährige Jurist, verheirateter Vater von fünf Kindern, war in den vergangenen Jahren in verschiedenen Positionen im Kabinett des Ministerpräsidenten tätig gewesen. (APA, 28.6.2023)