Standort von Stellantis in Aspern.
Der Standort von Stellantis in Aspern.
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Wien – Der Automobilhersteller Stellantis hat am Mittwoch die Schließung des Werks in Wien Aspern verkündet. Der Schritt stehe "im Zusammenhang mit dem gravierenden Wandel in der Automobilindustrie", wie es in einer Aussendung heißt. 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind von dem Schritt betroffen. Stellantis kündigte "eine Reihe von sozialen Maßnahmen" an, darunter Umschulungen und ein eigens eingerichtetes Jobcenter.

Im 22. Wiener Gemeindebezirk wird aktuell das mechanische Sechsgangschaltgetriebe MB6 für Verbrennungsmotoren hergestellt. Das Unternehmen nennt eine "nachhaltige Zukunft" als Voraussetzung für die Fortführung des Standorts, diese sei im Werk in Wien nicht gegeben. Deshalb strebe man "das schrittweise Auslaufen der Produktionsaktivitäten" an. "Es gibt noch keinen Termin für ein Produktionsende, jetzt beginnen die Gespräche mit den Betriebsräten", hieß es aus dem Unternehmen zur APA. Der Prozess werde mehrere Monate dauern.

Was mit dem Betrieb am Standort passieren soll, ist unklar. Stellantis wolle "angemessen Sorge tragen" und den Grundstückseigentümer bezüglich der Standortnutzung kontaktieren. Das Gelände gehört der Bundesimmobiliengesellschaft und umfasst rund 600.000 Quadratmeter. Das Werk wurde Anfang der 1980er-Jahre eröffnet, früher war am Standort ein Zulieferer für General Motors beheimatet.

Schrittweise Stellen abgebaut

Die Geschichte des Opel-Werks in Wien begann am 23. August 1979, als der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ) und GM-Austria-Generaldirektor Helmuth Schimpf einen Vertrag für die Errichtung eines Motorenwerkes unterzeichneten. Opel war damals Teil der amerikanischen GM-Gruppe. In der Hochphase 1983 waren rund 2.200 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen am Standort beschäftigt. Im August 2017 wurde Opel Teil der französischen PSA-Gruppe. Im Jänner 2021 fusionierten die Peugeot-Mutter PSA und Fiat-Chrysler zu Stellantis.

In den vergangenen Jahren schrumpfte das Werk immer mehr zusammen. Bis 2020 wurden an dem Standort noch Motoren gefertigt. Damals verlor Aspern den letzten Großauftrag von General Motors, der Mitarbeiterstand reduzierte sich weiter. Auch die Corona-Zeit und Probleme wegen Chipmangels setzten dem Standort zu.

Stellantis hat derzeit 28 Elektroautomodelle (BEV) auf dem Markt und will diese Zahl bis Ende 2024 fast verdoppeln. Zu Stellantis in Österreich gehören die Automarken Abarth, Alfa Romeo, Citroën, DS Automobiles, Fiat und Fiat Professional, Jeep, Opel und Peugeot, die "Mobilitätsmarke" Free2Move, die Finanzorganisationen Stellantis Financial Services und Leasys Austria sowie die Händlerbetriebe Stellantis&You und das Produktionswerk Wien-Aspern. Der Vertrieb der Marke Maserati ist separat organisiert. 

Gewerkschaften fordern Sozialplan

Die Gewerkschaften Pro-Ge und GPA forderten für das von der Schließung betroffene Personal einen umfassenden Sozialplan. "Das sind 300 Einzelschicksale. Wir werden uns dafür einsetzen, dass bestmögliche Lösungen für die Betroffenen ausgearbeitet werden. Ziel muss sein, den gekündigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schnellstmöglich wieder qualitätvolle Arbeitsplätze anbieten zu können", so die Gewerkschaftsvorsitzenden Reinhold Binder (PRO-GE) und Barbara Teiber.

FPÖ ortet Schuld bei Verbrenner-Aus

Der Wiener FPÖ-Obmann Stadtrat Dominik Nepp vermutet hinter der Schließung das "kommende Verbot des Verbrennungsmotors", die "katastrophale Standortpolitik der rot-pinken Stadtregierung" und die "Teuerungswelle von SPÖ-Bürgermeister Ludwig". 

Von einer "Hiobsbotschaft" sprach SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch. Jetzt gehe es darum, die Beschäftigten zu unterstützen. Die Schließung sei auch Ausdruck fehlenden Gestaltungswillens seitens der Regierung in der Industriepolitik. Man müsse davon ausgehen, dass durch den Wandel hin zur E-Mobilität viele Arbeitsplätze verloren gehen. Das könne die Regierung "nicht einfach schulterzuckend zur Kenntnis nehmen", so Muchitsch.

Manfred Juraczka, Finanzsprecher der Wiener Volkspartei, sprach heute von einem "schweren Schlag für den Wirtschaftsstandort in Wien". Den betroffenen Mitarbeitern müsse seitens der Stadt jedenfalls umfassend zur Seite gestanden werden. Verwundert zeigt sich Juraczka, dass trotz der im Jahr 2018 mit einer Million Euro dotierten Einzelförderung für das Unternehmen der Standort letztendlich nicht gehalten werden konnte.

Laut Plänen der EU dürfen ab 2035 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden, noch offen ist, ob es Ausnahmen für den Betrieb mit eFuels gibt. Rund jeder fünfte in Österreich neu zugelassene Pkw verfügt mittlerweile über einen reinen Elektroantrieb. (luza, APA, 28.6.2023)