Nachdem die ukrainischen Streitkräfte am Dienstag in Gebiete vorgedrungen waren, die seit 2014 nicht mehr unter Kontrolle der Regierung in Kiew standen, antwortete Russland erneut mit Raketenbeschuss. Bei einem der Angriffe wurde das Restaurant Ria Pizza in der ostukrainischen Stadt Kramatorsk zerstört.

Die Opferbilanz stieg im Laufe des Mittwochs laut Angaben des staatlichen Rettungsdienstes auf mindestens zehn Tote und 56 Verletzte. Zu den Toten zählen mindestens drei Kinder.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow behauptete am Mittwoch einmal mehr, dass Russland in der Ukraine keine zivilen Ziele angreife. "Angriffe werden nur auf Objekte ausgeführt, die in irgendeiner Weise mit der militärischen Infrastruktur verbunden sind", sagte er. Das zerstörte Lokal soll unter anderem bei Journalisten und Militärangehörigen beliebt gewesen sein.

Auch in der ostukrainischen Region Charkiw meldeten die Behörden nach russischem Beschuss mindestens drei Todesopfer – ebenfalls Zivilisten.

Nachschub erschwert

Die vorher erzielten Gebietsgewinne beim Verteidigungskampf der Ukraine hatten vor allem deshalb Beachtung gefunden, weil dabei nicht nur Boden wiedergutgemacht wurde, der seit der russischen Invasion vom Februar 2022 von russischen Truppen besetzt war. Vielmehr haben laut einem britischen Geheimdienstbericht ukrainische Soldaten kleinere Vorstöße nahe der Stadt Donezk gemacht. Dort hatten bereits im Jahr 2014, also zu Beginn des Krieges im Donbass, prorussische Separatisten das Kommando übernommen und die international nicht anerkannte "Volksrepublik Donezk" ausgerufen. Diese wurde – wie auch die benachbarte "Volksrepublik Luhansk" sowie die Gebiete Cherson und Saporischschja – Ende September 2022 von Russland "annektiert". Auch diese "Annexion" ist international nicht anerkannt.

Eine Pizzeria im ostukrainischen Kramatorsk wurde durch russischen Raketenbeschuss zerstört.
Foto: AFP / Genya Savilov

Gleiches gilt für die Schwarzmeerhalbinsel Krim, die Russland seit 2014 als Teil seines Territoriums betrachtet. Auch in deren Nähe konnte die ukrainische Armee laut britischen Geheimdiensten zuletzt offenbar Erfolge verzeichnen. Ein ukrainischer Raketenangriff auf eine Brücke zur Krim habe den russischen Nachschub erschwert, teilte das britische Verteidigungsministerium am Mittwoch mit. Die Tschonhar-Brücke gilt als eine der beiden Hauptversorgungsrouten zwischen der Krim und dem südukrainischen Gebiet Cherson.

Währenddessen sind Russland und das benachbarte Belarus weiter mit dem Nachhall des versuchten Aufstandes der Söldner-Truppe Wagner vom vergangenen Wochenende beschäftigt. Im Machtkampf zwischen Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin versucht sich der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko immer mehr als lachender Dritter zu etablieren. Lukaschenko kennt Prigoschin seit langem und ist zugleich ein enger Verbündeter Putins.

Tötung verhindert

Er selbst sei es gewesen, der Putin von einer Tötung Prigoschins abgehalten habe, sagte Lukaschenko, der den Abbruch des "Marschs auf Moskau" der Wagner-Truppe vermittelt haben soll. Putin sicherte daraufhin Prigoschin und seinen Kämpfern entgegen vorherigen Drohungen Straffreiheit zu – und die Möglichkeit, nach Belarus ins Exil zu gehen. Genau dort ist Prigoschin bereits am Dienstag angekommen. Durch den Deal konnte Lukaschenko nach Einschätzung von Beobachtern seine Position auch gegenüber dem Kreml stärken, von dem er als politisch abhängig gilt.

Zu den vielen offenen Fragen zu der gestoppten Revolte gesellte sich inzwischen eine weitere hinzu: Laut einem Bericht der "New York Times" könnte Sergej Surowikin, immerhin stellvertretender Oberbefehlshaber der russischen Invasionstruppen in der Ukraine, vorab vom Wagner-Aufstand gewusst haben. Der Kreml wies das am Mittwoch als "Spekulation" zurück. (Gerald Schubert, 29.6.2023)