Man kann es drehen und wenden, wie man möchte, mit dem iPad Pro hat Apple einen Trend im Tablet-Geschäft gesetzt. Nicht nur die regulären Modelle aus eigenem Hause werden nunmehr optional mit Tastaturhüllen und Stiften bestückt, auch andere Hersteller sind über die Jahre nachgezogen. Selbst in günstigeren Preissegmenten findet man Geräte, die zumindest über eine Systemoberfläche verfügen, die sich beim Anschließen einer externen Tastatur in einen "Desktop"-Modus schaltet.

Auch an Amazon ist diese Entwicklung offenbar nicht spurlos vorbeigegangen, denn das kürzlich erschienene neue Spitzenmodell der Fire-Tabletreihe, Fire Max 11, kann ebenfalls mit einer eigens hergestellten Tastaturhülle ausgestattet werden. Außerdem unterstützt es aktive Eingabestifte. Doch was kann das Gerät, das ab rund 270 Euro feilgeboten wird? Und lohnt sich die Anschaffung der Zusatzausstattung? DER STANDARD hat es im Test herausgefunden.

DER STANDARD/Pichler

Amazons Hardwarestrategie, jedenfalls bei E-Readern und Tablets, ist es eigentlich, günstige Geräte mit ordentlichem Preis-Leistungs-Verhältnis möglichst massenhaft zu verkaufen. Das Ziel dahinter ist es, Nutzer damit ins Ökosystem des Konzerns zu locken, mit dem sie softwareseitig stark verwachsen sind. Längst ist Amazon ja viel mehr als ein reiner Onlinehändler, sondern hat auch ein E-Book-Abo, Musik- und Videostreaming und sogar ein Abo für gestreamte Spiele im Sortiment.

Ein wenig rückt Amazon beim Fire 11 Max von dieser Preisstrategie ab. Weder ist das Tablet – gemessen an den reinen Spezifikationen – übertrieben günstig. Und wer sich das ganze Paket anschaffen will, zahlt 90 Euro für die Tastaturhülle und 40 für den Eingabestift – und landet damit am Ende bei Ausgaben von 400 Euro aufwärts, womit man nicht mehr weit weg von den günstigeren iPads ist. Da sollte das Gerät dann auch mehr hergeben, als einfach nur ein Abspielgerät für Musik und Serien zu sein.

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259,1 x 163,7 x 7,5 mm misst das gut verarbeitete Gerät ohne Hülle. Es wiegt dabei 490 Gramm, was neben der Größe auch am fast vollständig metallischen Gehäuse liegt. Rückseitig leicht abgerundete Kanten machen es ausreichen angenehm zu halten. Die matte Oberfläche ist recht gnädig im Hinblick auf Fingerabdrücke. Die rückseitige Kamera steht etwa zwei Millimeter hervor, ohne Hülle lässt sich das Tablet nicht plan auf einen Tisch auflegen.

Auf der rechten Seite (in der "Landscape"-Ausrichtung) befindet sich der Ein/Aus-Schalter. Er verfügt über einen zuverlässigen Fingerabdruckscanner. Direkt darunter postiert ist eine Lautstärkewippe, ehe mittig der USB-C-Anschluss sitzt. Weiter unten positioniert ist ein Steckplatz für eine microSD-Karte zur Speichererweiterung mit maximal einem Terabyte an Kapazität. Die Unterseite ist magnetisch und verfügt über zwei Führungsstecker sowie Kontakte, die für die Pogopins der Tastaturhülle gedacht sind. Ebenfalls magnetisiert ist der linke Rand, hier kann man den Eingabestift fixieren.

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Das Display bietet, namensgemäß, eine Diagonale von 10,9 Zoll, die Auflösung liegt mit 2.000 x 1.200 Pixel etwas über Full-HD-Niveau. Die maximale Helligkeit ist gut genug, um auch unter Sonnenlicht noch etwas erkennen zu können, aber natürlich nicht vergleichbar mit einem 1.000-nit-AMOLED-Screen. Für ein IPS-Panel sehen Farben und Kontraste aber sehr gut aus, natürlich mit den technologietypischen Einschränkungen bei dunklen Grautönen und schwarzen Bereichen. Vergeblich sucht man allerdings Bildwiederholraten über 60 Hz oder HDR-Support.

Beim Chip hat sich Amazon für den Mediatek MT8188JV entschieden, der mit zwei leistungsfähigeren Cortex-A78-Kernen und sechs eher sparsamen A55-Kernen bestückt ist und von vier GB RAM flankiert wird. Beim Onboardspeicher stehen 64 oder 128 GB zur Wahl, die – wie erwähnt – per Speicherkarte erweitert werden können.

Die Konnektivitätsoptionen umfassen den USB-C-Port (USB 2.0), Wifi 6 (802.11ax) sowie Bluetooth 5.3. NFC findet sich hier ebensowenig wie ein GPS-Modul. Auch einen klassischen 3,5mm-Kopfhörerstecker sucht man vergeblich.

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In Benchmarks ordnet sich der eigentlich recht neue Chip in der unteren Mittelklasse ein. Casual Games in 2D-Grafik und anspruchsloserem 3D laufen passabel. Anspruchsvoller konzipierte Games muss man zumindest in Details reduzieren, um sie flüssig spielen zu können. Für ein Tablet, bei dem in der Werbebotschaft Produktivitätsaufgaben suggeriert werden, ist das ein wenig schwach.

Auf dem Fire Max 11 läuft technisch gesehen das nicht mehr sonderlich frische Android 11, praktisch erinnert an der adaptierten Variante FireOS aber nicht viel an dieses Fundament. Schnell einrichten lässt sich das Tablet mit dem eigenen Amazon-Konto, Googles Services und der Play Store gibt es hier nicht. Dass das für einige Nutzer ein Ärgernis sein dürfte, sieht man daran, dass die bei der Einrichtung zur Installation vorgeschlagenen "beliebten" Apps auch eine namens "Youtube.com" enthalten. Dabei handelt es sich nicht um Googles offizielle Youtube-App, sondern eine in Appform gepackte, mobile Browserversion des Portals. Daneben gibt es in Amazons eigenem Appstore auch noch andere alternative "Youtube-Clients", nicht aber das Original.

Die Oberfläche ist unterteilt in drei Reiter, die jeweils einen eigenen Bildschirm füllen: "Für dich", Startseite und Bibliothek. Ersterer listet kürzlich installierte und verwendete Apps, als auch Inhalte wie gesehene Serien. Ansonsten besteht es ausschließlich aus Empfehlungen für weitere Programme und Spiele, Bewegtbilder, Musik, Videos oder E-Books.

Die Startseite listet – ebenfalls flankiert von Empfehlungen – die vorinstallierten Apps. Die Bibliothek wiederum wiederholt vieles, was man schon im "Für dich"-Bereich findet, lässt sich aber zumindest personalisieren. Verbunden wird alles durch eine inhaltsübergreifende Suchfunktion, die auch Suchergebnisse aus dem Netz zeigt.

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Wer das Tablet ohnehin nur als Multimediaplattform verwendet, dürfte sich an dem ganzen Aufbau wenig stören, weil eben diese Inhalte schnell erreichbar sind. Besonders übersichtlich oder nutzerfreundlich ist der Aufbau von FireOS allerdings nicht.

Dem App-Angebot von Amazon fehlt es auch noch an einigen Programmen, die man im Google Play-Store sehr wohl findet. Manche davon kann man manuell nachinstallieren, sofern man ein APK-Installationspaket aus einer vertrauenswürdigen Quelle auftreibt. Das gilt allerdings nicht für Googles eigene Apps und auch einige andere. Diese können zwar installiert werden, laufen aber in Ermangelung vorinstallierter Google-Play-Services nicht.

Für die Fire-Tablets werden zwar immer wieder Möglichkeiten entdeckt, über einen alternativen Launcher standardmäßig eine bessere Systemoberfläche zu nutzen oder Googles Dienste nutzbar zu machen. "Durchschnittsnutzern" ist dieser Prozess aber nicht zuzumuten, zumal per Sideloading installierte Apps manuell aktuell gehalten werden müssen und bei jedem Update für FireOS die Chance besteht, dass irgendetwas nicht mehr funktioniert.

Das kommt obendrauf zu manchen Bugs, die das System plagen. Auch wenn es im Großen und Ganzen flüssig läuft, kommt es bei einzelnen Apps immer wieder kurz zu Hängern, wenn man nach dem Switch zu einem anderen Programm wieder zurückwechselt.

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Wer sich die Tastaturhülle anschafft, bekommt minimalen Mehrwert. Sie ist gut verarbeitet, haftet magnetisch am Tablet und bietet eine angenehme Textiloberfläche. Die Unterseite lasst sich ausklappen und in frei einstellbarem Winkel als Standfuß nutzen. Das Keyboard kann separat am Tablet befestigt werden und sitzt ebenfalls sehr sicher.

Das Schreibgefühl entspricht einer guten Laptop-Tastatur, leider fehlt es an einer Tastenbeleuchtung. Das Touchpad kommt mit versteckten Mausbuttons und leistet auch gute Dienste. An der Systemoberfläche ändert sich allerdings nichts, wenn man es anschließt. Es gibt keinen Desktop-Modus mit Multi-Window-Funktion oder dergleichen. Lediglich die Bildschirmtastatur wird nicht mehr angezeigt. FireOS ist allerdings nicht darauf ausgelegt, via Touchpad gesteuert zu werden.

Auch für den Stift gibt es keine Sonderfunktionen, außer dass einmalig eine Liste an Apps mit Pen-Support angezeigt wird, die sich mit einem Klick installieren lassen. Der Mehrwert steht und fällt auch hier mit Drittanbieter-Apps, wobei Microsofts Office 365 vorinstalliert ist. Das System selber hat keine Sonderfunktionen für die Features. Auch Amazons eigene Apps wissen den Stift nicht zunutze. Selbst an minimalen Features, wie etwas einem direkten Wechsel in den Zeichenmodus von Amazon Photos oder den Markiermodus in der Kindle-App bei Betätigung des Buttons am Stift, mangelt es.

Testfoto mit der Hauptkamera bei Tageslicht.
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In Apps, die sich mit dem Stift verstehen, funktioniert dieser gut. 4.096 Druckstufen werden laut Amazon erkannt, und scheint auch in der Praxis der Fall zu sein. Dennoch hätte man hier viel mehr aus Stift und Tastaturhülle herausholen können. Ganz ohne nennenswerten Anpassungen und Unterstützung in eigenen Apps ist das eine sprichwörtliche "halbe G'schicht."

Die große Stärke des Fire 11 Max ist letztlich Medienwiedergabe. Der Bildschirm des Tablets überzeugt. Mehr noch aber kann der Sound beeindrucken, der für diese Geräteklasse phänomenal gut ist. Etwas schwach klingt er zwar bei Bässen, aber davon abgesehen punktet er mit Qualität, die mit so manchem eigenständigen Lautsprecher mithalten kann sowie immersiver Räumlichkeit. Auch bei hoher Lautstärke büßt er nur gering an Klangqualität ein.

Bei der Kameraausstattung setzt Amazon auf zwei 8 Megapixel-Sensoren, wobei nur die Hauptkamera über Autofokus verfügt. Qualitativ entspricht die rückseitige Kamera qualitativ vielen Einsteiger-Smartphones. Schon unter Tageslicht zeigt sich eine Tendenz zur Unschärfe und Detailarmut, was sich bei schlechten Lichtbedingungen schnell verschärft.

Testfoto mit der Frontkamera bei Tageslicht.
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Die Frontkamera liefert im Vergleich zu anderen Tablets oder Laptops unter Tags überdurchschnittliche Bildqualität und ein schärferes Bild als die Hauptkamera. Sie leidet auch weniger stark unter schlechter werdenden Lichtverhältnissen und überzeugt als Hilfsmittel für Videokonferenzen. Auch als passabel einzustufen ist die Tonqualität von Mikrofonaufnahmen, die trotz leichtem Hall und blechernem Unterton gut verständlich ausfallen. Auch Amazons Sprachassistentin Alexa versteht einen meistens gut und reagiert schnell auf Eingaben.

Zwar nennt das Unternehmen keine genauen Zahlen zur Akkukapazität, verspricht aber bis zu 14 Stunden Laufzeit. Das ist bei einigermaßen aktiver Nutzung auf jeden Fall zu hoch gegriffen, beim Berieseln mit Videos und Musik sind 10+ Stunden aber durchaus als realistisch anzusehen. Das Gerät voll zu laden dauert allerdings ein wenig, denn es wird maximal eine Ladeleistung von 15 Watt unterstützt.

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Fazit

Als reines Unterhaltungstablet macht das Fire Max 11 eine gute Figur. Denn es paart einen ordentlichen Bildschirm, wenn auch ohne HDR-Support oder mehr als 60 Hz, mit einem für ein solches Gerät sensationellen Soundsystem. Der verwendete Prozessor ist für diese Zwecke ebenfalls mehr als gut genug gerüstet.

Darüber hinaus wird es schwierig, selbst wenn man die Limitationen von FireOS und eingeschränkte App-Auswahl des Amazon Store hintanstellt. Die Tastaturhülle ist hardwareseitig gut umgesetzt, und auch der Stift macht an sich einen guten Eindruck. Amazon hat aber aufseiten der Software keine Maßnahmen gesetzt, um das nicht ganz günstige Zubehör irgendwie in Szene zu setzen. Letztlich kommt es darauf an, welche Drittanbieter-Apps man damit verwendet. Mehr als eine wenig überzeugende Kompromisslösung wird aber selbst dann nicht draus. (Georg Pichler, 1.7.2023)