In Europa gelten sehr strenge Regeln für Pflanzen, die mithilfe gentechnischer Methoden gezüchtet wurden. Das betrifft nicht nur sogenannte transgene Organismen durch klassische Gentechnik, denen artfremde Gene eingefügt wurden, sondern auch Entwicklungen mithilfe neuer Methoden wie der Gen-Schere Crispr. Ausnahmen gibt es auch dann nicht, wenn keine transgenen Organismen mit artfremden Genen erzeugt werden und sich die genetischen Veränderungen nicht von natürlichen Mutationen oder herkömmlichen Züchtungen unterscheiden lassen.

Rapsfeld Gewitter
Mit der Gen-Schere gezüchtete Rapspflanzen fallen in der EU derzeit unter strenge Gentechnikregeln. Wurden sie mit denselben Eigenschaften durch radioaktive Bestrahlung gezüchtet, gilt das nicht.
APA/dpa/Thomas Warnack

Forschende kritisieren diese restriktive Regelung schon lange als nicht faktenbasiert und plädieren dafür, bei Pflanzen nicht die Methode zu beurteilen, sondern das Produkt. Die Gen-Schere macht weitaus präzisere Züchtungen möglich als seit Jahrzehnten angewandte Techniken wie Bestrahlung oder chemische Behandlung, die von den Gentechnik-Regeln ausgenommen sind. In der Europäischen Union wird seit Jahren über eine mögliche Lockerung diskutiert, voraussichtlich kommende Woche wird die EU-Kommission einen Vorschlag für eine neue Gentechnik-Richtlinie vorlegen. Dazu melden sich auch österreichische Forschungsinstitutionen in einem offenen Brief zu Wort, der am Donnerstag veröffentlicht wurde.

Werkzeug für nachhaltige Landwirtschaft

"Die Wissenschaft tritt dafür ein, Pflanzen nach Editierung ihrer eigenen Gene rechtlich mit den gleichen Verfahren wie bei der konventionellen Züchtung zu beurteilen. Die entstehenden Pflanzen sollen nach ihren Eigenschaften, nicht nach der Methode ihrer Erzeugung geprüft werden", heißt es in dem Brief, den die Präsidenten und Rektorinnen zahlreicher Institutionen unterzeichnet haben, darunter die Akademie der Wissenschaften, der Wissenschaftsfonds, das Institute of Science and Technology Austria und fünf Universitäten.

Die neuen Methoden zur Gen-Editierung seien nicht nur unverzichtbare Werkzeuge für die Grundlagenforschung und würden neue Möglichkeiten in der Medizin schaffen. Sie hätten auch großes Potenzial für eine nachhaltigere Landwirtschaft, heißt es in dem Brief. Die Gen-Schere könne bei der Züchtung von Pflanzen helfen, "die produktiver, widerstandsfähiger, gesünder, verträglicher und an eine veränderte Umwelt angepasst sind".

Schon jetzt seien durch Gen-Editierungen in dutzenden Pflanzenarten größere Schädlingsresistenzen, verbesserte Nährstoffzusammensetzungen oder weniger unverträgliche Inhaltsstoffe erreicht worden, schreiben die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Briefs. Auch an trocken- und hitzeresistenteren Pflanzen mit weniger Bodenverbrauch werde gearbeitet. "Die grüne Gentechnik kann also einen bedeutsamen Beitrag bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels und für eine nachhaltigere Landwirtschaft leisten. Daher ist es wichtig, keine unüberwindbaren Hürden für die Forschung, die Freilanderprobung und das Inverkehrbringen aufzubauen."

Bevorstehender Kommissionsvorschlag

Ziel des Briefs sei es, mehr Sachlichkeit und wissenschaftliche Fakten in die Diskussion über Gentechnik zu bringen, "eine ideologisch geführte Debatte" schüre Ängste und spiele "der Wissenschaftsfeindlichkeit in die Hände", heißt es in dem Brief. Ähnlich äußerten sich in der Vergangenheit auch andere europäische Wissenschaftsinstitutionen, darunter die deutsche Max-Planck-Gesellschaft und die Deutsche Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die seit Jahren für eine Änderung der Gentechnik-Richtlinie eintreten. 

Der für 5. Juli erwartete Vorschlag der EU-Kommission dürfte in diese Richtung gehen: Ein kürzlich öffentlich gewordener Entwurf sieht unter gewissen Umständen eine Liberalisierung von geneditierten Pflanzen vor. Liegt der Vorschlag auf dem Tisch, braucht es eine Einigung im Europäischen Parlament, dann beginnen die Verhandlungen mit dem Rat der Mitgliedsländer. (David Rennert, 29.6.2023)