Neben der neuen AR/VR-Brille Vision Pro hat Apple während der Keynote zur hauseigenen Developer-Konferenz WWDC auch allerlei andere Hard- und Software präsentiert, darunter das neue Macbook Air mit 15-Zoll-Display, welches der Konzern in seiner üblichen Bescheidenheit als "das beste 15-Zoll-Notebook der Welt" anpreist. Kann das Gerät also vielleicht sogar langjährige Windows-User überzeugen? Ich bin ein solcher und habe mich dementsprechend an einen Praxistest gewagt.

Äußerlichkeiten sind Ansichtssache

Das Macbook Air 15 Zoll mit M2-Chip ist in den Farben "Mitternacht", "Polarstern", "Spacegrau" und "Silber" erhältlich. Unser Testgerät kommt in der Farbe "Mitternacht", worunter ein bläuliches Schwarz zu verstehen ist. Aussehen ist bekanntermaßen Geschmackssache, in unserem Fall weiß das für Apple übliche minimalistische Design – im Vergleich zu so manchen Office-Laptops anderer Hersteller – aber durchaus zu überzeugen. Unübersehbar ist freilich der glitzernde Apfel auf dem ansonsten matten Chassis, welches – hier ist bereits Raum für Kritik – allerdings so manchen fettigen Fingertippser sichtbar macht.

Geht es um Größe und Gewicht, so bietet sich ein Vergleich mit dem 13-Zoll-Modell der gleichen Marke an. Denn natürlich ist der 15-Zöller auch schwerer als sein kleiner Bruder. Der direkte Vergleich:

  • Höhe: 1,13 vs. 1,15 cm
  • Breite: 30,41 vs. 34,04 cm
  • Tiefe: 21,5 vs. 23,76 cm
  • Gewicht: 1,24 vs 1,51 kg

Nun sind 300 Gramm mehr natürlich ein saftiger Unterschied, aber wir wollten ja den Vergleich mit der Windows-Welt wagen. Und hier ist es nicht unüblich, dass ein leistungsfähiger Gaming-Laptop auch locker mal zwei Kilogramm wiegt. Im Alltag jedenfalls lässt sich das Macbook Air mit 15 Zoll mühelos im Rucksack zwischen Heim und Büro hin- und hertransportieren und in jedes Meeting mitnehmen, ohne dass das Gewicht sonderlich belastend wirkt. Äußerst kompakt ist auch das Ladegerät geraten, das auch einen Thunderbolt-Port zum Aufladen des eigenen Smartphones oder anderer Geräte mitliefert. Für Windows-User ebenfalls keine Selbstverständlichkeit: der magnetische Magsafe-Anschluss des Ladekabels, der sich löst, falls ein Kollege mal wieder über das Kabel stolpern sollte.

Mac Boock Air 15 Zoll
Sieht schon schick aus: das Macbook Air mit 15 Zoll.
Der Standard/Stefan Mey

Apropos Anschlüsse: Neben dem Magsafe kommt das Macbook Air 15 Zoll mit zwei Thunderbolt-Anschlüssen und einem Klinkenanschluss für Kopfhörer. USB-A- und HDMI-Anschlüsse sucht man vergebens. Wer also im Homeoffice alte USB-Peripheriegeräte oder einen externen HDMI-Monitor anschließen möchte, der braucht einen Adapter. Dieser muss nicht zwingend von Apple sein: Für einen niedrigen zweistelligen Eurobetrag habe ich einen entsprechenden Adapter vom Wir-haben-alles-Hersteller Hama gekauft, und er funktioniert tadellos. 

Willkommen in der Apple-Welt

Unklar ist allerdings, warum Apple ausgerechnet einen Klinkenanschluss für Kopfhörer im Gerät gelassen hat. Denn wer neben dem Macbook Air sitzend seine Airpods aus der Verpackung holt, der kann beobachten, wie sich diese sofort drahtlos mit dem Laptop verbinden, ohne dass irgendeine Form der Einrichtung nötig ist. Für Windows-User, die beim erstmaligen Verbinden eines Bluetooth-Kopfhörers erst mal in den Einstellungen herumwerken müssen, ist das schon ein ordentliches Upgrade.

Und dieses nahtlose Verneetzung in der Apple-Welt setzt sich auf vielen anderen Ebenen fort: Anrufe auf dem iPhone werden mir auf dem Mac in der Facetime-App angezeigt, auf an das iPhone gesendete Textnachrichten kann ich direkt via Laptop antworten. To-do-Listen synchronisieren sich automatisch, mit dem iPhone geschossene und in der iCloud gespeicherte Fotos ebenso. Das ist nicht zwingend neu – aber für Windows-User ist es beeindruckend, dass solche Funktionen von Haus aus einfach funktionieren, ohne dass man selbst aktiv werden muss. Und dabei sind wir noch nicht mal bei den vergleichsweise neuen Features angelangt: Etwa, dass bei im iPhone-Kinomodus gefilmten Videos der Fokus in iMovie nachträglich editiert werden kann. 

Ende der Honeymoon-Phase

Doch nach dem ersten Herzklopfen macht sich auch Ernüchterung breit. Etwa wenn anstatt eines iPhones ein Android-Smartphone an das Macbook Air angeschlossen werden soll. Denn das geht nicht von Haus aus, es wird stattdessen zusätzliche Software benötigt. Und wer eine Windows-Tastatur an das Apple-Gerät anschließt, der kann sich erst mal mit dem Umstellen von Tastenkombinationen spielen, bevor er produktiv arbeiten kann.

MagSafe
Praktisch: der Magsafe-Anschluss.
Der Standard/Stefan Mey

Besonders düster ist es aber, wenn es um das Thema Gaming geht. So wollte ich den M2-Prozessor eigentlich mit einem zeitgenössischen Spiel zum Schwitzen bringen, wurde beim Öffnen des Steam-Clients jedoch bitter enttäuscht: Aus meiner eigentlich recht gut bestückten Steam-Bibliothek waren außer ein paar Pixel-Indies kaum Spiele vorhanden, die mit Mac kompatibel sind.

Noch trauriger wird es, wenn man es mit Microsofts Game Pass versucht: Der ist nativ für Mac nämlich gar nicht verfügbar, Apple-Fans müssen in diesem Fall auf Microsofts Cloud-Gaming-Angebot zugreifen – die Spiele also online streamen, anstatt sie auf dem eigenen Rechner laufen zu lassen. Immerhin kann man auf Apples eigenes Gaming-Angebot namens "Apple Arcade" zugreifen. Das hier exklusiv verfügbare neue "Teenage Mutant Ninja Turtles"-Game ist zwar kein grafisches Meisterwerk, macht aber Spaß und läuft auf jeden Fall flüssig. Ein kleiner Lichtblick ist auch, dass Apple mit einem auf der WWDC 2023 vorgestellten Tool das Portieren von Games auf MacOS erleichtern möchte. Wer aber nicht so lange warten möchte und sich auch nicht selbst damit plagen will, dem sei zum Spielen geraten, sich ergänzend einen Windows-Gaming-PC oder eine Konsole zuzulegen.

Auch im Bereich der Freeware kann man wohl nicht erwarten, dass für MacOS alles verfügbar ist, was man aus der Windows-Welt kennt. Immerhin: Die kostenlose Videoschnittsoftware Davinci Resolve ließ sich installieren und gab im Test auch einen Eindruck davon, wozu das Mac Book Air 15 Zoll mit seiner Hardware-Ausstattung fähig ist. Drei 4K-Clips konnte ich im Schnittprogramm gleichzeitig abspielen, ohne dass auch nur annähernd der Eindruck entstand, dass der Rechner ins Schwitzen gerät. Hier dürften zumindest nach aktuellem Stand keine Wünsche offen bleiben. 

15,3 Zoll, die auch draußen wirken

Doch reden wir an dieser Stelle noch über jenen Aspekt, der den 15-Zöller eigentlich von seinem kleinen Bruder unterscheidet: das Liquid Retina Display, das streng genommen in der Diagonale genau 15,3 Zoll (38,91 Zentimeter) misst und eine Auflösung von 2880 x 1864 Pixeln bietet. Dieses lässt auch ohne angeschlossenen zweiten Monitor genug Platz zum Filmeschauen und Arbeiten. Der den Bildschirm umgebende schwarze Rahmen ist vergleichsweise schlank. Die 1080p-Frontkamera ist in einem Notch untergebracht, der im Alltag aber nicht wirklich stört. Das von der Kamera gefilmte Bild war im Testzeitraum stets scharf und lieferte realistische Farben.

Kamera im Notch
Stört im Alltag kaum: die Frontkamera im Notch.
Der Standard/Stefan Mey

Auch die Farben des Bildschirms sind fetzig, ohne aber unnatürlich zu wirken. Mit einer Helligkeit von 500 Nits lässt sich auf dem Gerät auch im Freien arbeiten, einzig bei direkter Sonneneinstrahlung war mein eigenes Spiegelbild leicht sichtbar. Das würde ich unter der Rubrik "Kollateralschäden eines Glossy Displays" verbuchen. Ein mattes Display mit ähnlicher Helligkeit würde sich zum Arbeiten im Park zwar besser eignen, dafür aber eine deutlich schlechtere Bildqualität liefern.

Hitze und Akku

Anzumerken sei auch, dass selbst beim Streamen einer Serie in brütender Hitze der Hauptkorpus relativ kühl blieb, sich lediglich die Rückseite des Bildschirms aufheizte. Überhaupt ist beachtlich, dass sich das Gerät im gesamten Testzeitraum ruhig verhielt, während bei Büro- und Gaminglaptops anderer Hersteller der Lüfter gerne mal Geräusche von sich gibt, die an den Sound eines abhebenden Düsenjets erinnern. 

Zum Akku sei noch gesagt, dass sich der Akkustand nach einem Arbeitstag voller Meetings meist in der Liga zwischen 30 und 35 Prozent bewegte. Will heißen: Danach lassen sich noch ein paar Folgen "Rick and Morty" streamen oder am nächsten Tag das erste Meeting erledigen – danach sollte aber auch dieses vergleichsweise ausdauernde Gerät wieder an den Strom angeschlossen werden.

Fazit: Wechseln, oder was?

Ist das Macbook Air 15 Zoll also der beste 15-Zoll-Laptop der Welt, wie Apple es verspricht? Ohne nun alle Laptops der Welt mit diesem Gerät verglichen zu haben, lässt sich mit guter Gewissheit sagen: Nein, vermutlich nicht. Zumindest aus Sicht eines Windows-Users. Und der Grund ist schlichtweg der, dass Apple nun mal Apple ist und seine User gerne in einen goldenen Käfig sperrt. Das muss nicht zwingend schlecht sein, wenn man sich in dieser Welt wohlfühlt und die nahtlose Integration der verschiedenen Geräte und Services schätzt. Anstrengend wird es nur, wenn man aus dieser Welt ausbrechen, also etwa ein Spiel aus Microsofts Game Pass auf dem eigenen Rechner installieren will.

Wer aber mit diesen altbekannten Besonderheiten leben kann, der bekommt mit diesem Gerät ab einem Preis von 1.599 Euro einen schicken und leichten, aber dennoch leistungsfähigen Laptop, der auch härtere Aufgaben mit Bravour meistert und im Büro für deutlich mehr Hingucker sorgt als so mancher Lenovo-Ziegel. (Stefan Mey, 30.6.2023)