Der deutsche Fernsehkonzern ProSiebenSat1 musste sich auf der Hauptversammlung massiver Kritik seiner Eigentümer stellen. Investoren und Vertreter der Kleinaktionäre kündigten scharfe Worte an. "ProSiebenSat1 macht den Eindruck einer schlecht produzierten Realityshow – eine nicht enden wollende Serie aus Komik und Horror", sagte Andreas Thomae von der Fondsgesellschaft Deka Investment laut Redetext am Freitag auf der virtuellen Aktionärsversammlung.

Update: Die Hauptversammlung erteilte allen Aufsichtsratsmitgliedern die Entlastung bis auf den ehemaligen Vorsitzenden Werner Brandt. Die Entlastung des Vorstands wurde auf 2024 verschoben, weil mögliche Unstimmigkeiten bei der Gutschein-Tochterfirma Mydays noch untersucht werden. Neu in den Aufsichtsrat wurde Katharina Behrends bestellt, die Deutschlandchefin des größten ProSieben-Aktionärs MFE der Familie Berlusconi. Ebenfalls neu im Aufsichtsrat: Beiers­dorf-Vorstand Thomas Ingelfinger, Katrin Burkhardt, Cai-Nicolas Ziegler. Die Amtszeit von Lawrence A. Aidem und Antonella Mei-Pochtler im Aufsichtsrat ist mit Ende Juni 2023 abgelaufen.

"Mischung aus Komik und Horror": Aktionäre kritisieren den TV-Konzern ProSiebenSat1.
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"Wir Aktionäre sind gezwungen, uns alles in voller Länge anzuschauen, und am Ende müssen wir auch noch die Zeche bezahlen", sagte Thomae. Außerdem gehe es zu wie im Taubenschlag, monierte er: "Fünf Vorstandschefs und vier Finanzchefs in fünf Jahren." Zudem sei die "Aktienkurs-Performance von ProSiebensat1 in den vergangenen eineinhalb Jahren miserabel".

Der Fernsehkonzern hatte angekündigt, 2023 nur rund elf Millionen Euro auszuschütten, nach 181 Millionen Euro im Jahr davor. Auch künftig soll die Dividende deutlich geringer ausfallen. ProSiebenSat1-Chef Bert Habets räumte ein, dies sei für die Aktionäre "keine erfreuliche Nachricht". Der Schritt sei aber wichtig, um die Verschuldung im Griff zu behalten und mehr Spielraum für Investitionen zu haben. Habets bekräftigte die Prognosen für das laufende Jahr, stellte den Anteilseignern wegen der Werbeflaute aber ein schwieriges Geschäft in Aussicht.

"2023 ist ein weiteres hartes Jahr", sagte der seit November amtierende Niederländer. Deshalb müsse man "harte Entscheidungen" treffen – etwa die Dividende kürzen, sparen und Stellen streichen. "Erste Effekte aus unserem Kostenprogramm werden im vierten Quartal dieses Jahres sichtbar und sich voraussichtlich auf einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag belaufen", sagte der ehemalige RTL-Chef. Die volle Wirkung werde dann 2024 erreicht.

Der Konzern um ProSieben, Sat1 und Kabel eins streicht wohl mindestens mehrere Hundert seiner rund 7.300 Jobs. Der Stellenabbau werde "signifikant umfangreicher als die früheren Umstrukturierungen" ausfallen, hat Habets jüngst gesagt. Zuletzt waren 2019 etwa 120 Vollzeitstellen weggefallen.

In Österreich gehört ProSiebenSat1 der größte Free-TV-Konzern ProSiebenSat1Puls4 mit Puls 4, Puls 24 und ATV. (APA, Reuters, red, 30.6.2023)