Ein Audi e-tron bei der Endkontrolle im Werk in Zwickau. 
Bei der E-Mobilität gibt China kräftig Gas.
IMAGO/Kirchner-Media/Teresa Kröger

Rund um die Jahrtausendwende spielten Europas Konzerne noch in vielen Bereichen weit vorn mit. Nokia war etwa Platzhirsch am Weltmarkt für Handys, bis die Finnen den Trend zum Smartphone verschliefen. Das ist nicht die einzige Zukunftstechnologie, bei der Europa eine Führungsrolle aus der Hand gegeben hat. Ähnliches hat sich im Bereich der Photovoltaik ereignet. Das hat Methode, wie sich auch im Forbes-Ranking der 2000 wertvollsten Unternehmen weltweit zeigt: In den vergangenen 20 Jahren haben China und andere asiatische Nationen westeuropäische Länder verdrängt, heißt es dazu in der heurigen Ausgabe. Droht die Konkurrenz nun auch Europas Autobauern in Sachen Elektromobilität um die Ohren zu fahren?

Wie ist es dazu gekommen? Wieso spielt Europa bei wichtigen Technologien in der zweiten Liga? Und kann der Kontinent vielleicht auch wieder Boden gutmachen?

Wifo-Ökonom und WU-Professor Harald Oberhofer sieht dafür verschiedene Ursachen – eine davon ist eine strategische Wirtschaftsplanung, die zunächst China und spätestens ab Ex-Präsident Donald Trump auch die USA konsequenter vorangetrieben hätten. Besonders China beschreite diesen Weg sehr konsequent, investiere gezielt viel Staatsgeld in grüne Technologien wie Elektromobilität und müsse auch keine anderen Interessen berücksichtigen – Proteste gegen einen geplanten Windpark seien dort auch nicht zu befürchten. Dementsprechend schnell konnten manche Technologien groß werden.

Westen war "zu naiv"

Dazu kommt Oberhofer zufolge fehlender Weitblick im Umgang mit China, das einst als Werkbank der Welt billige Produkte exportierte. "Da waren wir als gesamte westliche Marktwirtschaften zu naiv", sagt er. Bei Chinas Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) sei dem Land Zutritt zu den westlichen Märkten eingeräumt worden, im Gegenzug habe China seinen Markt nur mit Einschränkungen zugänglich gemacht. Meist war ein lokaler Partner nötig, was Technologietransfer Tür und Tor öffnete. Die Folge: Heute tritt China mit hochwertigen Produkten wie Elektroautos oder Solarmodulen auf westlichen Märkten an.

Im Februar blies die EU zum Gegenangriff. Hinter dem Podium, auf dem Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach, waren die Wörter "Green Deal Industrial Plan" an die Leinwand projiziert. Mit 250 Milliarden Euro an Wirtschaftshilfen werde die EU grüne Schlüsselindustrien finanzieren – Batterien, Mikrochips, Solarpaneele und Wasserstoff sollen wieder verstärkt in Europa produziert werden.

In Zugzwang geraten

Nötig wurde dies, da US-Präsident Joe Biden zuvor mit dem Inflation Reduction Act, der gezielt nachhaltige Energieerzeugung und -nutzung fördert, ein ähnliches, eine halbe Billion Dollar schweres Programm aufgelegt hatte. In der EU wurde darauf die Abwanderung von zukunftsträchtigen Investitionen aus Europa in die USA befürchtet.

Anders ist die Ausgangslage bei der Internetplattformökonomie, Social Media oder künstlicher Intelligenz. "Dabei sind de facto neue Märkte entstanden, wo der erste Anbieter immer große Vorteile hat", sagt Oberhofer über Konzerne wie Amazon, Facebook oder Google. Warum sind diese in den USA entstanden? Weil Gründer mit Visionen dorthin gehen, wo das Umfeld am besten ist – etwa hinsichtlich Verfügbarkeit von Risikokapital. "Das trifft nicht auf Europa zu, sondern auf die USA", sagt Oberhofer.

Dennoch ist er der Ansicht, dass die Wahrnehmung verzerrt werde. Denn in Europa gebe es viele sogenannte Hidden Champions, die in einer Marktnische Weltmarktführer, in der Öffentlichkeit aber wenig bekannt seien. Und er hofft auf Europas Autobauer, denn das Rennen um die Elektromobilität sei längst noch nicht entschieden. (Alexander Hahn, Alicia Prager, 3.7.2023)